Von Jürgen Fritz, So. 25. Okt 2020, Titelbild: WELT-Screenshot
Schon Anfang Februar gab Kramp-Karrenbauer bekannt, dass sie sich bis zum Sommer vom CDU-Vorsitz zurückziehen wolle. Doch dann kam Corona. Der geplante Parteitag musste abgesagt werden. Seither ist die CDU ohne rechte Führung. Das soll sich am 4. Dezember endlich ändern. Doch nun stellt Laschet auch das in Frage. Dabei scheint recht klar, wen die Mitglieder als neuen CDU-Vorsitzenden wollen.
Merkels Rückzug vom Parteivorsitz und die Wahl von AKK
Über 400.000 Parteimitglieder zählt die CDU (die CSU nochmals fast 140.000). Mehr als 18,5 Jahre lang (seit April 2000) war Angela Merkel die Bundesvorsitzende der Christlichen Union Deutschlands. Das heißt, es gab volljährige Bürger, bei deren Geburt war Angela Merkel bereits Parteivorsitzende, und als sie volljährig wurden, war sie es noch immer. Diese 18-Jährigen kannten also gar keine andere CDU-Vorsitzende.
Doch das änderte sich am 7. Dezember 2018. Nach dem Wahldebakel bei der Hessenwahl am 28. Oktober 2018 – die CDU war in einer Reihe von anderen Wahlniederlagen in Hessen von 38,3 auf knapp unter 27 Prozent (!) gefallen – kündigte die Kanzlerin an, dass sie das Amt als Regierungschefin nur noch bis zur Bundestagswahl 2021 ausüben wolle und den CDU-Vorsitz sogar noch in 2018 abgeben werde.
Anfang Dezember 2018 kamen dann 999 Delegierte zum Hamburger CDU-Parteitag zusammen, in der Absicht, den Parteivorsitz neu zu besetzen. Drei Personen traten gegeneinander an, die sich für den Vorsitz bewarben: die CDU-Generalsekretärin und frühere saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK), der Bundesminister für Gesundheit Jens Spahn sowie Friedrich Merz, der seit vielen Jahren keinerlei politisches Amt inne hatte.
Im ersten Wahlgang entfielen auf AKK 450 Stimmen (45,0 Prozent), auf Friedrich Merz 392 Stimmen (39,2 Prozent) und auf Jens Spahn 157 Stimmen (15,7 Prozent). Daraufhin zog Jens Spahn zurück und es kam zur Stichwahl zwischen den beiden, die die meisten Stimmen erhalten hatten. Hier setzte sich dann AKK gegen Friedrich Merz mit 517 zu 482 Stimmen, mit 51,75 zu 48,25 Prozent durch und war damit neue CDU-Vorsitzende.
Schnell stellt sich die Wahl von AKK als Flop heraus
Doch schon nach wenigen Monaten zeigte sich, dass Kramp-Karrenbauer dem Amt nicht wirklich gewachsen war. Die Umfragewerte sowohl ihrer Person als auch die der Partei gingen nun immer weiter nach unten. Bereits im Juni 2019, ein halbes Jahr nach AKKs Wahl, fielen CDU und CSU zusammen im Wahl-O-Matrix-Mittel aller Institute auf 25,8 Prozent, bei Forsa sogar auf 24 Prozent.
Anfang Februar 2020, nur 14 Monate nach ihrer Wahl, zog AKK dann die Notbremse. Sie gab öffentlich bekannt, sie wolle weder Unions-Kanzlerkandidatin werden noch den CDU-Vorsitz über den Sommer hinaus behalten. Damit war allen klar: In wenigen Monaten würde es einen neuen CDU-Vorsitzenden geben. Doch dann kam Corona. Im März erfasste die Pandemie Deutschland und der für den Sommer geplante Sonderparteitag, auf dem der neue CDU-Vorsitzende gewählt werden sollte, wurde gecancelt. Man entschied sich dafür, gar keinen Sonderparteitag zu veranstalten und den nächsten Parteitag stattdessen wie geplant Anfang Dezember 2020 abzuhalten und eben dann erst den neuen CDU-Bundesvorsitzenden zu wählen. So lange müsse AKK das Amt eben noch weiterführen.
So kam es also, dass die CDU seit Anfang Februar, seit nunmehr achteinhalb Monaten ohne echte Führung ist. Denn AKK, die als Parteivorsitzende auch immer weniger in Erscheinung trat, sich dann im Juli 2020 schnell das Amt der Verteidigungsministerin sicherte, um, nachdem sie ihr Parteiamt abgegeben hat, nicht völlig nackt dazustehen, ist seither eine Vorsitzende auf Abruf, die eigentlich schon dreiviertel weg ist. Zugleich ist aber noch immer kein neuer Vorsitzender da. Das sollte sich jetzt Anfang Dezember, nämlich am 04.12.2020, ändern.
Laschet möchte Parteitag noch weiter verschieben, Merz will ihn auf jeden Fall durchführen
Doch nun schlägt einer der drei Bewerber um dem Vorsitz, der NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, der in der Coronakrise nicht immer eine gute Figur machte und dessen Aussichten in den letzten Monaten nicht gerade sehr viel besser wurden, bereits vor, die Wahl des neuen CDU-Vorsitzenden noch weiter zu verschieben. Und das obschon wahrscheinlich im September 2021, also von heute an gerechnet in knapp elf Monaten, bereits die Bundestagswahlen stattfinden sollen und die SPD sogar schon lange ihren Kanzlerkandidaten nominiert hat, die CDU aber nicht mal weiß, wer ihr künftiger Parteivorsitzender sein soll. Diese Ungewissheit und Führungslosigkeit der Partei will Laschet nun sogar ins Jahr 2021 weiterführen.
Friedrich Merz dagegen will den Parteitag auf jeden Fall abhalten. „Wir müssen ihn stattfinden lassen, trotz Corona – und wir sollten auch nicht zulassen, dass da der Vergleich gemacht wird zwischen Volksfest, Oktoberfest und Fußballspiel“. Parteien hätten einen Verfassungsauftrag und seien Teil einer demokratischen Ordnung. „Parteitage, Wahlen in politischen Parteien sind Voraussetzung dafür, dass unsere Demokratie funktioniert“, so der Favorit der CDU-Mitglieder.
Die CDU-Spitze will nun morgen, am Montag, über den Parteitag entscheiden. Erwogen wird insbesondere, die Veranstaltung auf mehrere Standorte zu verteilen, mit gegenseitiger Zuschaltung per Video. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak soll den Gremien am Montag ein entsprechendes Konzept vorstellen wollen, das von Hausjuristen der CDU und von Experten des Innenministeriums geprüft und gebilligt wäre. Die CDU würde sich demnach nicht wie bisher geplant mit 1.001 Delegierten in Stuttgart treffen, sondern mit jeweils 100 bis 200 Delegierten in acht bis zehn Hallen über ganz Deutschland verteilt. Die Reden der Kandidaten würden überall hin übertragen und die Auszählung könnte in jeder Halle notariell beaufsichtigt erfolgen. Doch wer soll nun der neue CDU-Vorsitzende werden?
Die CDU-Mitglieder wollen Merz als neuen Parteivorsitzenden
Für den CDU-Vorsitz haben sich dieses Jahr folgende drei Kandidaten beworben:
- Armin Laschet, der Ministerpräsident von Nord-Rhein-Westfalen,
- der Bundestagsabgeordnete, Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses und frühere Bundesumweltminister (2009-2012) Norbert Röttgen sowie
- der frühere Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und somit Oppositionsführer (2000-2002) und seit 2019 Vizepräsident des Wirtschaftsrats der CDU Friedrich Merz.
Hierbei hat Armin Laschet gegenüber Röttgen und Merz durch sein Regierungsamt in NRW, dem mit Abstand bevölkerungsreichsten Bundesland, einen enormen strategischen Vorteil, kann er sich doch seit mehr als drei Jahren als Regierungschef empfehlen. Hätte er können, müsste man in seinem Fall vielleicht eher sagen, denn so sehr viele Menschen konnte er dabei von sich nicht überzeugen, nicht einmal in seiner eigenen Partei.
Im Auftrag von RTL und ntv hat das Meinungsforschungsinstitut Forsa aktuell 1.007 CDU-Mitglieder befragt, wen sie denn als künftigen Parteivorsitzenden präferieren würden. Hier das Ergebnis:
- Friedrich Merz: 45 %
- Armin Laschet: 24 %
- Norbert Röttgen: 13 %.
Das heißt, Friedrich Merz bekäme von den Mitgliedern der CDU deutlich mehr Stimmen (45 %) als Laschet und Röttgen zusammen (37 %). Im Osten Deutschlands würden Merz sogar 54 Prozent der Parteimitglieder wählen und bei denen, die sich selbst eher als konservativ einstufen, gar 59 Prozent.
Armin Laschet bekäme am ehesten noch Stimmen in der NRW-CDU. Aber selbst dort, wo er CDU-Landesvorsitzender ist, wollen nur 39 Prozent der Mitglieder, dass er CDU-Bundesvorsitzender wird. Am ehesten kann Laschet noch im linken Flügel der CDU punkten mit 44 Prozent. Allerdings trauen ihm ein wenig mehr Mitglieder (38 Prozent) als Merz (31 Prozent) zu, die verschiedenen Strömungen in der Partei zu integrieren.
Und wer soll Kanzlerkandidat werden?
Eine knappe Mehrheit von 51 Prozent der CDU-Mitglieder ist der Auffassung, der neue Vorsitzende der CDU sollte auch der gemeinsame Kanzlerkandidat von CDU und CSU werden. 39 Prozent plädieren dagegen für den bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Markus Söder.
Gut die Hälfte (53 Prozent) schätzen die Chancen, ein gutes Ergebnis bei der Bundestagswahl 2021 zu erzielen, mit Söder am besten ein, da dieser derzeit in der Bevölkerung recht beliebt ist. Jeweils ein Fünftel ist der Auffassung, die Union hätte mit Merz respektive Laschet als Kanzlerkandidat die besten Chancen. Mit Röttgen traut kaum einer seiner Partei zu, ein gutes Ergebnis erzielen zu können.
Wie soll die CDU sich zukünftig politisch ausrichten?
Eine deutliche Mehrheit von 70 Prozent der CDU-Mitglieder möchte, dass Merkels Kurs fortgesetzt wird. Ein abrupter Kurswechsel wird also von der weit überwiegenden Mehrheit nicht gewollt. Mehr als jeder Fünfte (21 Prozent) ist aber der Auffassung, die CDU solle nach Merkel „mehr die konservativen Werte betonen“. Lediglich 7 Prozent wünschen sich, dass die „liberalen Werte“ sogar stärker betont werden, was auch immer mit diesen doch eher pauschalen Ausdrücken genau gemeint ist.
Doch es gibt neben den drei Namen für den CDU-Vorsitz noch einen vierten, der immer wieder auftaucht: Jens Spahn hat sich schon vor vielen Monaten selbst aus dem Rennen genommen und sich dem Team Laschet eingeordnet. Nicht wenige haben wohl schon versucht, Spahn und Laschet dazu zu bewegen, die Rollen zu tauschen, wozu diese aber nicht bereit zu sein scheinen. 71 Prozent der CDU-Mitglieder wünschen sich auf jeden Fall, dass der Bundesgesundheitsminister künftig „eine herausragende Rolle in der CDU übernehmen“ möge. Dieser Auffassung sind auch zwei Drittel der Merz-Anhänger.
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