Warum der Lockdown-light nur halb wirkt

Von Jürgen Fritz, Do. 10. Dez. 2020, Titelbild: Twitter-Screenshot, Olaf Gersemann, WELT

Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz fällt nicht, sondern sie steigt die letzten Tage sogar wieder an auf jetzt nahezu 150, statt unter 50 zu fallen. Das heißt, es infizieren sich jeden Tag mindestens dreimal so viele, als es vertretbar wäre. Warum wirkt der Lockdown-light nur halb? Das hat mehrere Gründe, unmittelbare und solche, die tiefer gehen.

Die Pandemie wird von Teilen der Bevölkerung nicht wirklich verstanden

Teile der Bevölkerung verstehen diese Pandemie letztlich noch immer nicht und zerstören damit die ganzen Anstrengungen all der anderen. Hier dürften übrigens nicht nur, aber auch kaum assimilierte Immigranten eine große Rolle spielen, die teilweise nicht mal die deutsche Sprache halbwegs beherrschen, vor allem aber wenig bis gar keine deutsche Medien konsumieren.

Laut The European berichtet Burkhard Gustorff, Vorstand der Abteilung für Anästhesie, Intensiv- und Schmerzmedizin der Klinik Ottakring (ehemals Wilhelminenspital) in Wien und Intensivmediziner, dass Personen mit Migrationshintergrund überdurchschnittlich oft von Covid-19 betroffen seien. In der Klinik Ottakring seien es sogar 60 Prozent der Intensivpatienten. Bei den Patienten handele es sich hauptsächlich um Personen aus den Balkanstaaten, Südpolen und der Türkei.

Warum gerade bei ihnen der Anteil an der Covid-Erkrankung so hoch sei, habe zwei Gründe: „Zum einen auf die Welle der Reiserückkehrer aus stark betroffenen Risikogebieten wie dem Balkan und der Türkei – Länder, in denen beispielsweise abgesagte Familienfeiern nachgeholt wurden; und zum anderen auf möglicherweise beengte Wohnverhältnisse, die eine rasche Verbreitung des Virus begünstigen.“ Einen weiteren Grund sieht der Wissenschaftler daran, dass die österreichische Regierung diese Menschen einfach nicht erreiche.

Das Problem rührt aber natürlich nicht nur von wenig bis gar nicht assimilierten, ja nicht einmal halbwegs integrierten Immigranten her und es gilt selbstverständlich nicht für alle Personen mit Migrationshintergrund, sondern nur für einen Teil. Es gibt wie überall solche und solche, aber die Proportionen sind offensichtlich nicht die gleichen. Aber auch Millionen indigene Deutsche verstehen diese Pandemie noch immer nicht. Etliche gehen sogar auf die Straße um gegen die Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung zu demonstrieren, Stichwort „Querdenker“ (Unmutsfühler und Verschwörungsgläubige), die metaphorisch gesprochen die Rotation der Erde leugnen, wie Sloterdijk es so trefflich formulierte, die sich also weigern, sich der Realität, der Logik und der Ethik zu unterwerfen.

Auch etliche Landespolitiker, die FDP, die AfD und die meisten Journalisten verstehen die eigentliche Problematik nicht

Schlimmer noch: Auch etliche Landespolitiker verstehen diese Pandemie in ihrer Essenz nicht. Der sächsische Ministerpräsident dürfte zu ihnen gehören, siehe die Grafik unten. Aber auch etliche andere Landespolitiker, insbesondere im Osten des Landes, aber nicht nur da. Ähnliches gilt für nahezu die gesamte FDP, von der AfD ganz zu schweigen.

Und was besonders verheerend ist: Die meisten Journalisten der M-Medien – abgesehen von den Wissenschaftsjournalisten mit fundierter wissenschaftlicher Ausbildung – verstehen die eigentlich Problematik nicht, was unter anderem mit einem Mangel an mathematischer und naturwissenschaftlicher Bildung zusammenhängen dürfte. Daher erzeugen die M-Medien nicht das nötige Problembewusstsein in der Bevölkerung und die Spinner und destruktiven Demokratiefeinde verbreiten permanent zersetzende Desinformationskampagnen. Gleichwohl sind das alles zusammen aber Minderheiten, nicht die Mehrheit. Die deutliche Mehrheit der Bürger steht offensichtlich hinter den Maßnahmen und hält sich an sie, aber eben nicht annähernd weit über 90 Prozent, wie es nötig wäre.

grüne Linie = Deutschland insgesamt, rote Linie = Sachsen, MDC/Helmholtz

Katastrophen- und Infektionsschutz gehört in eine Hand, nicht in 16 oder mehr verschiedene, das setzt Vertrauen in diese Hand voraus

Wie man es deutlich besser machen kann, zeigen vor allem die Ostasiaten, aber auch Australien. Alles Länder und Gesellschaften mit a) sehr wenigen bzw. gar keinen Immigranten aus fremden, rückständigen Kulturkreisen, wodurch sie b) eine höhere innere Homogenität, Solidarität und mehr gegenseitiges Vertrauen, mehr Verantwortungsgefühl den Mitmenschen gegenüber und mehr Disziplin aufbringen.

Hinzu kommt, dass die Bundesregierung – auf dieser Ebene wurde die Problematik wohl relativ schnell begriffen – kaum Kompetenzen hat in dieser Frage, was ein struktureller Fehler ist. In einer solchen Krise – man denke an die Hamburger Sturmflut 1962, die verglichen mit dieser Pandemie ein kleines lokales Ereignis war – ist keine Zeit, jede Frage wochen- und teilweise monatelang zu diskutieren. Auch eine freiheitliche Demokratie muss in Krisenzeiten handlungsfähig sein. Wenn eine Sturmflut über eine Großstadt hereinbricht oder ein Haus, ein Dorf oder eine Stadt brennt, dann muss entschieden und gehandelt werden und dann muss man dem oder den Fähigsten auf Zeit umfangreiche Vollmachten erteilen – auf genau definierte Zeit! – , bis der Brand gelöscht respektive hier: die Pandemie unter Kontrolle ist.

Damit sind wir wieder beim Vertrauen angelangt und der Kreis schließt sich. Denn man muss dem- oder denjenigen, denen man diese Vollmachten erteilt, vertrauen, dass er kein Schindluder damit treibt und die Kompetenzen wieder abgibt, sobald die Gefahr unter Kontrolle gebracht ist. Das hierzu notwendige Vertrauen wurde über viele Jahre, besonders aber in der Migrationskrise ab 2015 verspielt, ja mutwillig torpediert. Damit wurde das gesellschaftliche Fundament zunehmend abgegraben. Das rächt sich jetzt bitterböse.

Ein Mangel an Horizont und Ehrlichkeit sich selbst gegenüber in beiden ideologischen Lagern

Ich schreibe das seit Jahren und die Worte verpuffen, verpuffen, verpuffen. Es haben sich auf der links- und der rechtsradikalen Seite zwei ideologische Lager gebildet, die sich verbarrikadieren und keiner von beiden will hören, was nicht aus seiner eigenen Barrikade kommt. Die einen drehen sofort durch, sobald an der Massenimmigration auch nur ansatzweise Kritik geübt wird und sei diese noch so fundiert und noch so sehr mit Fakten untermauert. Die andere Seite will alle Probleme dieser Welt auf die Immigranten und die „böse Kanzlerin“ abschieben, welche hier als Projektionsfläche dienen.

Woran es mangelt? An einer starken Mitte, an Horizont (der fehlt Landespolitikern bei solch großen Themen oftmals, Journalisten fast immer) und Ehrlichkeit, zunächst mal sich selbst gegenüber, was Ideologen, die sich in ihrer jeweiligen Weltanschauung verrannt haben, Stichwort: Verblendungszusammenhang, naturgemäß extrem schwer fällt.

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