Die zwei Sorten von Menschen in Bezug zur Epistemologie

Von Jürgen Fritz, Mi. 03. März 2021, Titelbild: Gerd Altmann, Pixabay, CC0 Creative Commons

In ihrem Verhältnis zur Erkenntnis gibt es zwei Sorten von Menschen: Erstens solche, die grundsätzlich wissen wollen, was der Fall ist, sprich Wissens- und Wahrheitsorientierte. Diese versuchen, die innere Repräsentation der Welt ständig der Wirklichkeit anzupassen, um diese immer besser zu erkennen und zu verstehen, ohne dabei die Augen vor bestimmten Dingen, die sie nicht wahrhaben wollen, zu verschließen. Diese Gruppe ist immer in der Minderheit, seit Jahrtausenden.

Ideologische Verblendungen

Zugleich ist diese erste Gruppe diejenige, welche Gesellschaften und überhaupt die Menschheit seit Jahrtausenden maßgeblich voranbringt. Diese kleine Gruppe der Wissens- und Wahrheitsorientierten (epistéme = Erkenntnis, Wissen, Wissenschaft), der Anhänger der Aufklärung, steht aber stets einer anderen, einer zweiten Gruppe gegenüber. Nämlich solche, die nur bedingt wissen wollen, was der Fall ist, die in der inneren Repräsentation der Welt in sich etliche Elemente haben, die für sie sakrosankt sind (Dogmen), welche sie vor Überprüfung abschirmen und die sie über das Sein der Welt, über die Wahrheit stellen.

Diese zweite Gruppe besteht also aus solchen, die die Repräsentation der Welt in sich der Welt, der Wirklichkeit respektive der Realität nicht ständig anzupassen versuchen, sondern ein starkes Beharrungsvermögen in ihrer inneren Repräsentation aufweisen und diese bisweilen gegen Falsifizierung (Widerlegung) immunisieren. Solche nenne ich Ideologen oder ideologisch Verblendete. Dabei kann es sich um metaphysisch spekulative (religiöse) oder auch rein profane ideologische Verblendungen handeln, so zum Beispiel Sozialisten mit falschem Menschenbild.

Die ideologischen Verblendungen sind alle miteinander im Kampf um die Deutungshoheit der Welt

Dabei gibt es solche Weltanschauungs-, Ideologie- oder Verblendungssysteme, welche die Immunisierung vor Kritik und die Sanktionierung von Kritik sogar schon in ihr System eingebaut haben, so dass jeder, der die sakrosankten Elemente dieser inneren Repräsentationen der Welt auch nur in Frage stellt, als „Apostat“ (Abtrünniger) gebrandmarkt und gegebenenfalls verfolgt wird.

Diese zweite Gruppe ist immer in der Mehrheit und sie möchte weniger neutral und möglichst objektiv, weniger wahrheitsgetreu informiert, sondern eher versorgt werden mit solchen Informationsbruchstücken, welche die sakrosankten Elemente der eigenen Repräsentation stärken und die der anderen ideologisch Verblendeten schwächen beziehungsweise attackieren. Dann stellt sich bei ihnen ein Gefühl der Zufriedenheit ein, da diese unterschiedlichen Verblendungen alle miteinander konkurrieren, alle um die Deutungshoheit über die Wirklichkeit kämpfen und jede Attacke auf eine andere, konkurrierende Repräsentation quasi wie ein Tor für die eigene Mannschaft beim Fußballspiel empfunden wird.

Willkommen ist bei ideologisch Verblendeten was die eigene Repräsentation festigt, anderes wird bisweilen rigoros ausgeschaltet

Durch solche Tore oder Treffer, beim Tennis würde man von Punkten sprechen, wird die eigene Repräsentation gefestigt, die Anhänger der jeweiligen Weltanschauung so immer fester zusammengeschweißt und es stellt sich die Hoffnung ein, dass die eigene Repräsentation der Welt, die eigene Weltanschauung, die eigene Ideologie sich gegen die anderen durchsetzen wird, was ein Gefühl der Sicherheit und Zuversicht vermittelt. Jeder, der das Bedürfnis nach Zuversicht und Sicherheit bedient, ist willkommen, jeder, der dies nicht bedient, ist weniger oder gar nicht willkommen.

In weniger liberalen, geistig weniger offenen Gesellschaften werden solche, die nicht das bedienen, was die jeweils hegemoniale Gruppe als primär oder gar einzig bedienungswürdig ansieht, bisweilen auch gezielt ausgeschaltet, sei es durch Ausschaltung aus dem öffentlichen Diskurs (Löschen von Beiträgen und Sperrungen in den großen hegemonialen elektrischen Plattformen, Einschüchtern in der physischen Welt bis hin zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz) oder im Extremfall auch durch physische Ausschaltung (den Sokrates hat man letztlich – wie Tausende und Abertausende nach ihm – deswegen hingerichtet), um die eigene fehlerhafte Repräsentation der Welt in sich und in der Gruppe beziehungsweise in der Gesellschaft zu schützen, die als wichtiger (im Extremfall als heilig) angesehen wird als die Rechte desjenigen, den man „der guten Sache willen“ ausschaltet.

Das rein strategische Verhältnis zu Aufklärung und Wahrheit

All diese Untergruppen der Sorte zwei stehen irgendwie zueinander in Konkurrenz, verbünden sich manchmal aber auch strategisch gegen einen anderen, den sie gerade als den gefährlichsten Hauptgegner ansehen. Und sie alle stehen in Opposition zu ersten Gruppe, den Wissens- und Wahrheitsorientierten, wobei sie die Aufklärungsarbeit von diesen bisweilen gut finden, so diese sich gegen andere Konkurrenten richtet, die sie als eine der größten Bedrohungen für die eigene innere Repräsentation der Welt ansehen. Sobald aber die Aufklärung gegen ihr eigenes Weltbild gerichtet wird, endet ihre Wahrheitsliebe und dann finden sie die Aufklärung plötzlich nicht mehr gut.

Das heißt, sie lieben weder die Aufklärung noch die Wahrheit an sich, sondern nutzen diese nur für ihre eigenen Zwecke. Und der übergeordnete Zweck ist die Stärkung und Festigung der eigenen inneren, fehlerhaften Repräsentation der Welt und die Durchsetzung dieser auf gesellschaftlicher Ebene.

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