Von Jürgen Fritz, Sa. 21. Aug 2021, Titelbild: tagesschau-Screenshot
Parteiprogramme sind nicht unwichtig, aber die Bedeutung des Kanzlerkandidaten sollte auf keinen Fall unterschätzt werden. Parteien brauchen eine Person an der Spitze, die das eigene Programm, die Partei und die politische Richtung glaubwürdig, seriös, kompetent und halbwegs sympathisch verkörpert. Genau das haben zwei Parteien versäumt, was sich nun massiv rächt, zur Freude eines lachenden Dritten.
Der Absturz der Union von fast 40 auf unter 25 Prozent in gut einem Jahr
In der unteren Graphik kann man sehr schön sehen, wie sich Spitzenkandidaten, insbesondere wenn es sich um Kanzlerkandidaten handelt, auf die Wähler auswirken. Mit Armin Laschet hat die CDU, genauer: knapp tausend CDU-Funktionäre gegen alle Widerstände in der eigenen Parteibasis, in der Schwesterpartei CSU und in der eigenen Anhängerschaft mit aller Gewalt genau den Kandidaten durchgesetzt, von dem alle drei (Parteibasis, CSU und CDU-Wähler) über Monate hinweg immer und immer wieder signalisierten, dass sie diesen Kandidaten für den mit Abstand ungeeignetsten halten. Inzwischen stehen CDU/CSU – natürlich nicht nur aus diesem Grund, aber Laschet verstärkt den negativen Trend nochmals deutlich, statt ihn drehen zu können – unter 25 Prozent.
In den Tagen, nachdem die CDU am 20. April Laschet als Kanzlerkandidat nominierte, ging es sofort, schlagartig von ca. 29 Prozent erstmals unter 25 Prozent, auf etwa 24. Dann konnte die Union sich etwas erholen, war wieder bei fast 30, doch als Laschet im Krisengebiet nach der Hochwasserkatastrophe lachte und dabei gefilmt wurde (plus einige weitere Patzer, die den Eindruck vermittelten, dass er für das höchste deutsche Regierungsamt völlig ungeeignet ist) ging es für CDU/CSU, die eigentlich ein Potential von über 40 Prozent haben, nun wieder unter 25 Prozent. Die 30, 35 oder gar 40 Prozent, die vor 12, 13, 14, 15 Monaten noch in greifbarer Nähe waren, sind nun Lichtjahre entfernt.
Für die Grünen geht es seit dreieinhalb Monaten kontinuierlich bergab, weil nicht mal jeder Achte Baerbock als Bundeskanzlerin haben will
Die Grünen, die sonst immer von der Schwäche der CDU profitieren konnten, weil CDU-Wähler inzwischen häufig zu den Grünen wechseln, können dies nun aber, seit sie am 19. April Annalena Baerbock nominiert haben, nicht mehr für sich nutzen. Im Gegenteil, die Grünen, die nach einem Medienhype bis Anfang Mai kurzfristig nach oben schossen, fallen seither ebenfalls und das sogar kontinuierlich, obschon die Union seit Juli massive Verluste verzeichnet. Warum gibt es aber kaum noch oder gar keine Wählerwanderung mehr hin zu den Grünen? Dies hängt ganz offensichtlich mit ihrer Kanzlerkandidatin zusammen, die mindestens als genauso schwach wahrgenommen wird wie Armin Laschet, wenn nicht sogar noch schwächer und noch ungeeigneter. Die neuesten Zahlen vom Infratest dimap für den ARD-Deutschlandtrend belegen dies eindrucksvoll.
Auf die Frage, „Könnte man den Bundeskanzler direkt wählen, für wen würden Sie sich entscheiden?“, antworten die Wahlberechtigten wie folgt:

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Nicht einmal jeder Achte (12 Prozent) würde für Baerbock stimmen, nicht einmal jeder Sechste (16 Prozent) für Laschet, aber mehr als vier von zehn (41 Prozent) für Scholz. Dabei setzt sich dieser immer weiter von Laschet und Baerbock ab, welche von Woche zu Woche noch weiter zurückfallen.
Der lachende Dritte ist die SPD, schlicht weil ihr Kanzlerkandidat nicht so eine katastrophale Fehlbesetzung ist wie seine Konkurrenten
Nutznießer dieser Entwicklung bei der Kanzlerpräferenz ist dementsprechend die SPD (siehe die Dawum-Graphik oben), nicht weil sie so gut performen würde – siehe etwa die katastrophale Amtsführung von Außenminister Heiko Maas, die erneute Plagiatsaffäre der mehrjährigen Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, der nicht nur der Doktortitel entzogen werden musste, die sogar bei ihrer Masterarbeit massiv plagiiert und somit gar keinen regulären Berufsabschluss erworbene hat. Die SPD profitiert von der Schwäche der Union und der Grünen vor allem aus einem Grund, weil sie eines richtig machte: Sie nominierte nicht den Außenminister Heiko Maas oder gar den Parteivorsitzenden Norbert Walter-Borjans oder, um das Ganze auf die Spitze zu treiben, ihre andere Parteivorsitzende, Saskia Esken, obschon Walter-Borjans und Esken ja von hunderttausenden SPD-Mitgliedern gegen Scholz zu Parteivorsitzenden gewählt wurden.
Sie nominierte stattdessen Olaf Scholz, den Verlierer bei der Wahl zum Parteivorsitz, zum Kanzlerkandidaten. Dieser ist zwar nun sicher auch kein überragender Kanzlerkandidat, aber im direkten Vergleich zu Laschet und Baerbock – und eine andere Auswahl haben ja über 60 Millionen Wähler nicht -, kann Scholz auf Grund der eklatanten Schwäche seiner beiden Konkurrenten enorm punkten, weil er einfach deutlich weniger ungeeignet erscheint. Im Vergleich zu Laschet und Baerbock kann Scholz regelrecht glänzen, ohne dafür viel tun zu müssen, einfach nur vergleichbare Patzer vermeiden muss. Und das bringt Millionen Wähler dazu, dass sie von CDU und den Grünen abrücken und nun erstmals seit Jahren wieder SPD wählen wollen. Jene SPD, die lange Zeit nicht mal halb so stark war wie die Union, ist nun nur noch wenige Prozentpunkte von dieser entfernt, könnte diese bis zur Bundestagswahl womöglich sogar noch einholen, was man vor einigen Monaten noch für nahezu unmöglich hielt.
Laschet und Baerbock sind die optimale Wahlhilfe für die SPD
Laschet und Baerbock sind quasi die optimale Wahlhilfe für die SPD, ein Geschenk des Himmels aus deren Sicht. Mit einem anderen Spitzenkandidaten (Maas, Walter-Borjans, Esken) hätte die SPD leicht unter 15 Prozent fallen können, womöglich sogar deutlich darunter, wenn die zwei Konkurrenten mit einer anderen Mannschaft angetreten wären. Für die Grünen wären mit Habeck sicher mehr als 20, womöglich fast 25 Prozent drin gewesen. Jetzt mit Baerbock stehen sie bei knapp über 18 und drohen, noch weiter zu fallen, könnten auch bei 15 oder sogar darunter landen.
Und die Union hätte mit Markus Söder oder Friedrich Merz, selbst mit Norbert Röttgen angesichts der Schwäche der Grünen mit Baerbock, die hauptberuflich Lebensläufe überarbeitet, sicher über 30, vielleicht sogar über 35 Prozent, fast 40 Prozent holen können. Ob das tatsächlich geklappt hätte, weiß natürlich niemand, aber es wäre mit ihnen möglich gewesen. Mit Laschet und Baerbock ist das dagegen unmöglich, weil die meisten natürlich schon spüren, dass diese beiden Personen für dieses Amt absolut ungeeignet sind, und dann eben auf Scholz (und damit die SPD, die sie eigentlich gar nicht wollen) als geringeres Übel ausweichen.
Fazit
Parteiprogramme und das Personal in der zweiten, dritten Reihe sind nicht unwichtig, aber die Bedeutung des Spitzenkandidaten sollte auf keinen Fall unterschätzt werden. Jeder weiß, dass die Person an der Spitze enorm viel ausmacht. Das ist in Krankenhäusern so (Klinikleiter), in Schulen (Schulleiter), in Firmen und natürlich auch in der Politik. Parteien brauchen eine Person an der Spitze, die das eigene Programm, die Partei und die politische Richtung glaubwürdig, seriös, kompetent und halbwegs sympathisch verkörpert. Stellt man einen Kandidaten auf, der das nicht kann, dem sehr viele dieses Amt nicht einmal zutrauen, dann rächt sich das.
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