Strategisch wählen: Wie Rot-Grün-Dunkelrot verhindern?

Von Jürgen Fritz, Do. 26. Aug 2021, Titelbild: JU München Nord

Einigen anderen wird es vielleicht ähnlich gehen wie mir. Für mich gibt es inzwischen keine Partei mehr, die ich für wählbar halte. Ich weiß noch nicht, was ich am 26. September bzw. im Falle der Briefwahl vorher tun werde. Eventuell werde ich erstmals überhaupt nicht teilnehmen oder ich wähle rein strategisch. Hierzu einige wahltaktische Überlegungen.

Jede Stimme für Schwarz, Gelb oder Blau schwächt Rot-Grün-Dunkelrot (RGD)

Die folgenden wahltaktischen Überlegungen können natürlich nur für diejenigen interessant sein, welche nicht völlig von einer Partei überzeugt sind. Wenn jemand die CDU/CSU, die SPD, die Grünen, die FDP, die AfD, Die Linke oder eine andere Partei ganz toll oder zumindest sehr gut findet, der muss natürlich keine wahlstrategischen Überlegungen anstellen, sondern gibt seine Stimme der Partei, hinter der innerlich voll und ganz oder zumindest weitgehend steht. Für die anderen, denen es eher geht wie mir, hier eine erste Überlegung (weitere folgen die nächsten Wochen):

Wer keine eindeutige Präferenz im Positiven hat, eines aber auf jeden Fall wenn irgend möglich verhindern will: Rot-Grün-Dunkelrot (RGD), der hat drei mögliche Optionen, welche alle drei RGD schwächen:

  • CDU/CSU,
  • FDP
  • AfD.

Jede Stimme für eine dieser drei Bundestagsfraktionen (vier Parteien) schwächt also RGD.

Gar nicht oder eine Kleinpartei wählen, schwächt RGD nicht, sondern stärkt es sogar noch

Eine Stimme für eine Kleinpartei (Sonstige, z.B. die Tierschutzpartei) tut das nicht. Weshalb nicht? Weil alle Stimmen, die für Kleinparteien abgegeben werden, wegen der Fünf-Prozent-Klausel im Bundestag nicht abgebildet sein werden. Das aber heißt, die Stimmen für Sonstige stärken die anderen Parteien, die diese Hürde locker nehmen, weil der Nenner dadurch kleiner wird. Und 12/12 sind ja mehr als 12/13. Die Parteien, die den Einzug in den Bundestag schaffen, bekommen dann also mehr in der Relation mehr Sitze als sie Stimmen holten. Und je mehr Stimmen wegfallen, weil sie auf die Kleinparteien fielen, desto mehr gehen diese Werte auseinander.

Um es an einem extremen Beispiel zu erläutern, an dem das Prinzip sichtbar wird: Gäbe es zig Kleinparteien, die alle auf ca. 1 bis 4 Prozent und alle zusammen auf 40 Prozent kämen, so würden diese 40 Prozent der Stimmen bei der Verteilung der Sitze im Parlament komplett wegfallen und es würden 30 Prozent + X der Stimmen für eine Mehrheit der Sitze im Bundestag reichen. Mit jeder Stimme für eine Kleinpartei stärkt man also Grün-Rot-Dunkelrot, weil sich der Nenner der Stimmen, die für die Mandate zählen, verkleinert, damit die Bruchzahl erhöht. Wenn der Kuchen in weniger Stücke aufgeteilt wird und man bekommt weiterhin X Stück davon, dann ist das einzelne Stück ja größer, also bekommt man mehr zu essen. Und damit erhöht sich zugleich die Wahrscheinlichkeit, dass es für diese Kombination, RGD, für eine Mehrheit reichen wird. (Ähnliches gilt, wenn man zuhause bleibt, die Anhänger von RGD aber zur Wahl gehen, auch dann verkleinert sich der Nenner und die Bruchzahl für RGD erhöht sich.)

Erläuterung: Nehmen wir an, was nicht unrealistisch ist, dass RGD auf 46 Prozent der Zweitstimmen kommen. Fast genau so liegen sie im Moment im Wahl-O-Matrix-Mittelwert aller repräsentativen Umfragen der letzten drei Wochen. Wenn mehr Leute zur Wahl gehen, die weder SPD, Grüne noch Die Linke wählen, dann sinkt dieser Wert natürlich unter 46 Prozent. Also wählen gehen, ist schon mal gut. Die 46 Prozent für RGD sind aber, wie gesagt, nicht unrealistisch. Das kann, vor allem auf Grund der derzeitigen Stärke der SPD tatsächlich passieren.

Nehmen wir weiter an, die sonstigen Parteien kommen alle zusammen auf 6 Prozent. Diese 6 Prozent der Stimmen fallen quasi weg. Sie finden keine Entsprechung im Parlament, weil ja jede einzelne Kleinpartei an der Hürde scheitert. Es zählen jetzt also nur noch die 94 Prozent der Stimmen, die auf die anderen Parteien fielen. Also reichen nicht erst 50 Prozent + X Stimmen für eine Parlamentsmehrheit, sondern bereits 47 Prozent + X. Wenn RGD bei 46 Prozent landet, so liegen sie aber unter den notwendigen 47 Prozent + X und haben keine Mehrheit im Bundestag.

Was passiert nun aber, wenn die sonstigen Parteien nicht auf 6, sondern auf 10 Prozent der Zweitstimmen anwachsen?Dann braucht es nicht mehr 47 Prozent + X der Stimmen, sondern nur noch 45 Prozent + X. Und mit 46 Prozent läge RGD über dieser magischen Marke und hätte damit eine Mehrheit im Bundestag und damit die Option eine Regierung zu bilden, die über eine Parlamentsmehrheit verfügt. Das heißt, je stärker die sonstigen Parteien, desto weniger Stimmen genügen RGD für eine Parlamentsmehrheit.

Fazit

Wer also RGD auf jeden Fall vermeiden möchte, wer RGD als das größte Übel von allen ansieht, der sollte

  1. der Wahl nicht fernbleiben und der sollte
  2. auch keine Kleinpartei wählen, sondern entweder a) CDU/CSU oder b) die FDP oder c) die AfD.

Jede Stimme für eine dieser drei Fraktionen schwächt RGD. Wie die Stimmen sich auf diese drei Fraktionen verteilen, ist dabei sekundär; wenn es nur darum geht, RGD zu verhindern, sogar irrelevant. Kommt Schwarz-Gelb-Blau zusammen auf etwa 47 bis 48 Prozent der Zweitstimmen, dann kann RGD wegen der Stimmen für Sonstige, die quasi wegfallen, keine Regierung bilden (47/92 ist mehr als die Hälfte, also bleiben für RGD dann nur 45/92, bei 8 Prozent für sonstige Parteien).

Das heißt nicht, dass CDU/CSU und die FDP dann ein Bündnis mit der AfD eingehen werden. Das werden sie ganz sicher nicht tun. Im Gegensatz zur SPD und zu den Grünen schließen sowohl CDU/CSU als auch die FDP bei der Bundestagswahl und der anschließende Regierungsbildung definitiv jede Koalition mit der AfD aus, während sowohl die SPD als auch die Grünen sich weigern, das Gleiche mit der dunkelroten Die Linke (SED) zu tunDas heißt, es muss damit gerechnet werden, dass die SPD und die Grünen keine Hemmungen haben werden, mit der dunkelroten Die Linke (SED) ein Regierungsbündnis einzugehen, wenn sie sonst keine Mehrheit zustande bekommen, wenn zum Beispiel die FDP lieber mit der Union koalieren will.

Wenn aber Schwarz-Gelb-Blau auf mindestens 47 bis 48 Prozent der Zweitstimmen kommt, besser und zur Sicherheit noch etwas mehr, und damit eine Mehrheit gegenüber Rot-Grün-Dunkelrot hat, dann wird man nicht mit der AfD eine Regierung bilden, sondern stattdessen geht dann die Suche nach anderen möglichen Bündnissen los, zum Beispiel a) einer Deutschland-Koalition (Schwarz-Rot-Gelb oder Rot-Schwarz-Gelb, je nachdem ob die Union oder die SPD mehr Stimmen erhielt) oder b) einer Jamaika-Koalition (Schwarz-Grün-Gelb) oder c) einer Ampel (Rot-Grün-Gelb). Aber Rot-Grün-Dunkelrot ist dann definitiv vom Tisch.

Ausblick

Damit habe ich mich nun gerade selbst überzeugt, a) doch an der Wahl teilzunehmen und nicht, wie ich die letzten Wochen eigentlich vorhatte, ganz fern zu bleiben (oder eine Kleinpartei zu wählen) und b) entweder für die Union oder für die FDP oder für die AfD zu stimmen, wenngleich mich keine dieser Parteien wirklich überzeugt. Aber die Alternative Rot-Grün-Dunkelrot erscheint mir persönlich zumindest als das noch weitaus größere Übel, das ich auf keinen Fall möchte.

Soviel für heute. Im nächsten Teil werde ich dann andere taktische Überlegungen aufgreifen, je nachdem welche positiven oder negativen Präferenzen man noch haben kann, um quasi unter den Übeln zumindest etwas gegen die schlimmsten solchen zu unternehmen.

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