Von Jürgen Fritz, 31. Okt 2021, Titelbild: Screenshot aus So kamen die türkischen Zuwanderer
Vor 60 Jahren schloss Deutschland auf massives Drängen der Türkei, die seit langem unter hoher Arbeitslosigkeit und einem Handelsbilanzdefizit litt, auch mit ihr ein Anwerbeabkommen, obschon Arbeitsminister Theodor Blank dies wegen befürchteter religiös-kultureller Konflikte ablehnte. Auch der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit erklärte, dass arbeitsmarktpolitisch keine Vereinbarung mit der Türkei notwendig sei. Doch dann kam die Außenpolitik ins Spiel.
Die Türken bitten die Bundesrepublik um ein Anwerbeabkommen
Wir schreiben das Jahr 1960. Der Zweite Weltkrieg liegt 15 Jahre hinter uns. Die Wirtschaft der 1949 gegründeten Bundesrepublik floriert seit den 1950er Jahren in einem Ausmaß, welches sich 1945 kein Mensch hätte vorstellen können. Wir nennen dies heute das „Wirtschaftswunder“. Nun bittet die Türkei Deutschland um ein Anwerbeabkommen. Nicht umgekehrt!
Die Türken (offiziell zu ca. 98 Prozent Muslime) wollen nicht hinter den verhassten Griechen zurückstehen, mit welchen Deutschland im März 1960 ein entsprechendes Abkommen geschlossen hat. Ein Tag zuvor war eines mit Spanien (1960) geschlossen worden und bereits im Dezember 1955 eines mit Italien. Die Türkei wäre also das vierte Land, mit dem Deutschland so ein Abkommen schlösse. Doch die Deutschen haben wenig Interesse an so einer Vereinbarung mit einem nicht-europäischen Land. Warum nicht, dazu gleich mehr. Doch fragen wir zunächst: Wie kam man überhaupt darauf, diese Anwerbeabkommen zu schließen?
Nach der Gründung der Bundesrepublik im Mai 1949 kam es in Westdeutschland wie auch in Österreich zu einem unerwartet schnellen und nachhaltigen Wirtschaftswachstum. Nach wenigen Jahren hatte man nicht nur Vollbeschäftigung, sondern die Zahl der offenen Stellen überstieg die Zahl der Arbeitslosen, teilweise sogar deutlich. Man brauchte also Arbeitskräfte von außen. Daher öffnete man den deutschen Arbeitsmarkt zunächst für italienische (1955), dann für spanische und griechische Gastarbeiter (jeweils 1960). Zum Großteil waren dies un- oder angelernte Arbeitskräfte. Wie der Name schon sagt, ging man davon aus, dass man diese nur vorübergehend benötigen würde und sie anschließend wieder in ihre Heimatländer zurückkehren würden. Bei den Italienern, Spaniern und Griechen sollte das später überwiegend auch der Fall sein.
Die BRD beugt sich dem verständlichen Wunsch ihrer Schutzmacht USA
Nun wollten also die Türken nicht hinter den Griechen zurückstehen und wollten ebenfalls Gastarbeiter nach Deutschland schicken. Die von der CDU geführte Adenauer-Regierung hatte von sich aus wenig Interesse an türkischen Gastarbeitern. Auf die Idee wäre man gar nicht gekommen, den deutschen Arbeitsmarkt für Nichteuropäer, Personen aus einem anderen, nicht christlich-abendländisch geprägten Kulturkreis zu öffnen.
Als die Anfrage der Türken in Deutschland eintraf, reagierte das zuständige Arbeitsministerium unter Theodor Blank (CDU) zunächst zurückhaltend bis ablehnend. Auch der Präsident der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung, Anton Sabel erklärte im September 1960 gegenüber dem Arbeitsministerium, dass arbeitsmarktpolitisch eine Vereinbarung mit der Türkei nicht notwendig sei. Deutschland brauchte zu dem Zeitpunkt also keine türkischen Gastarbeiter und man war sich auch der Konfliktträchtigkeit der kulturell-religiösen Distanz zwischen Türken und Deutschen von Anfang an sehr wohl bewusst. Wie berechtigt diese Skepsis war, sollte sich Jahre später überdeutlich zeigen. Doch nun mischte sich ein anderer, ein größerer Player ein.
Die Türkei war für die NATO aus geostrategischer Perspektive ungeheuer wichtig. Diese Trumpfkarte spielt die Türkei bis heute immer wieder geschickt aus. Der Westen brauchte die Türkei als Tor in den Osten und als Militärstützpunkt. Das NATO-Mitglied Türkei sollte auf jeden Fall vor einem linken Umsturz bewahrt werden. Ein Überlaufen der Türkei in den Ostblock wäre mitten im Kalten Krieg einer Katastrophe gleichgekommen. Daher drängten vor allem die USA aus verständlichen Gründen auf die Unterzeichnung des Abkommens und die deutsche Regierung, die militärisch wiederum vollkommen auf den Schutz der USA angewiesen war, gab diesen Wünschen nach. Also gab die Bundesregierung nun dem Drängen der türkischen Regierung nach, zumal diese damit drohte, eine Absage angesichts der Zusage an die Griechen „als eine Diskriminierung betrachten“ zu müssen.
Die Verhandlungsführung wurde vom Arbeitsministerium auf das Außenministerium übertragen, welches das Abkommen mit der Türkei beschloss. Dabei ging es also ausschließlich oder zumindest primär um außenpolitische Interessen. Gebraucht hat Deutschland die türkischen Gastarbeiter, die sich zudem alsbald gar nicht als Gäste, sondern als Einwanderer herausstellen sollten, in keiner Weise. Ganz im Gegenteil, konnte die Bundesrepublik doch jederzeit auf Arbeitskräfte aus zahlreichen anderen, kulturell-religiös weniger problematischen Ländern zurückgreifen.
Die desolate Situation in der Türkei
Das Ganze erschien den Deutschen insofern nicht tragisch, da man davon ausging, dass die türkischen Gastarbeiter maximal zwei Jahre bleiben würden. Es war gedacht als kurz- oder bestenfalls mittelfristiger „Konjunkturpuffer“. Wie sehr man sich hierbei verschätzte, was sich in den folgenden Jahrzehnten immer wieder wiederholen sollte, wenn es um das Thema Migration ging, zeigte sich alsbald. Die Anwerbung war ja ausschließlich für Unverheiratete vorgesehen und ein Familiennachzug bzw. die Familienzusammenführung wurde explizit ausgeschlossen, dachte man sich. Wer zwei Jahre hier gewesen wäre, sollte in die Türkei zurückkehren und dann, sofern notwendig, andere kommen. Doch damit war der Fuß in der Tür und er sollte nie wieder zurückgezogen werden. Ganz im Gegenteil, es kamen immer mehr Füße, die ein Schließen der Tür immer schwerer machten.
Dabei hegten auch die türkischen Gastarbeiter selbst zunächst keine dauerhaften Bleibewünsche. Es handelte sich überwiegend um anatolische Landflüchtlinge, die zunächst in die wachsenden Randzonen der türkischen Großstädte wie Istanbul und Ankara übergesiedelt waren und nun in die deutschen Großstädte weiterzogen. Ihr Ziel war es, so schnell wie möglich genügend Geld zu verdienen, um sich dann in der türkischen Heimat eine Existenz aufbauen zu können. Alles sehr verständlich und menschlich nachvollziehbar. Daher dachte weder die eine noch die andere Seite an so etwas wie Integrationsmaßnahmen, Spracherwerb usw. Wozu, wenn man doch nur zwei Jahre bleiben würde?
Die Rückkehrperspektive wurde aber nicht besser, sondern noch schlechter. Die türkische Wirtschaft war sehr schwach entwickelt und drohte immer wieder einzubrechen. Dies war vor allem auf die Umstellung der türkischen Ökonomie von Landwirtschaft auf Industrie zurückzuführen. Immer wieder kam es zu hoher Arbeitslosigkeit und darauf folgenden sozialen Unruhen und Protesten. Im Mai 1960 übernahm das Militär erstmals die Macht. Die nächsten Jahre ab 1961 zeichneten sich durch immer wieder wechselnde Koalitionsregierungen aus. Doch keine dieser Regierungen vermochte die zunehmenden sozialen Probleme zu lösen, sodass die linke Bewegung, die Verstaatlichung und Planwirtschaft forderte, starken Zulauf erhielt. Dies rief erneut die Militärs auf den Plan, die im Februar 1971 zum zweiten Mal putschten.
Die Türkei befand sich also nicht nur in einer kurzfristigen, sondern einer lang anhaltenden Krise. Die Wirtschaft entwickelte sich schlecht, die Bevölkerung wuchs immer weiter, die Arbeitslosigkeit ging nicht zurück, sondern sie stieg sogar noch weiter an.
Aus kurzfristigen Gästen werden Dauergäste und die Zahl der türkischen Immigranten steigt trotz Anwerbestopp immer weiter
Das Lohn- und auch das Sozialniveau in Deutschland stellte sich nun vor diesem Hintergrund regelrecht als Anziehungsmagnet heraus. Die Türken gingen nicht wie die meisten Italiener, Spanier und Griechen irgendwann wieder zurück in ihre Heimat, nein immer mehr türkische Gastarbeiter gingen nun dazu über, ihre Familien doch nachzuholen und sich längerfristig in Deutschland einzurichten. Vor allem das Sozialsystem gefiel ihnen zunehmend. Bis 1968, also nur sieben Jahre nach Beginn der türkischen „Gastarbeiter“-Immigration, hatten bereits 41 Prozent aller Männer ihre Ehefrauen nachgeholt.
1971 erleichterte die Bundesregierung unter Willy Brandt (SPD) dann sogar noch die Verlängerung von Aufenthaltsgenehmigungen. Jetzt war – ganz im Gegensatz zum ursprünglichen Abkommen – die Immigration vollkommen von der Entwicklung des Arbeitsmarktes abgekoppelt.
Als es dann 1973 zur Ölkrise kam, wurde die Anwerbung vollständig gestoppt. Nun wollte man keine weiteren türkischen Immigranten mehr haben, da man überhaupt keine Arbeitskräfte aus dem Ausland mehr benötigte. Gleichwohl stieg die Zahl der türkischen Immigranten zwischen 1974 und 1980 von gut einer Million auf fast 1,5 Millionen immer weiter an. Bestimmend waren nun der Familiennachzug und die Kettenmigration, das Nachholen von Verwandten und Freunden. Innerhalb von nur 15 Jahren, von 1965 bis 1980, hatte sich die Zahl der ausländischen Schüler verzwanzigfacht. Insgesamt sind über 50 Prozent der Immigranten nicht als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen, sondern über den Familiennachzug.
Die Deutsche Mark rettet die Türkei vor dem Untergang und das anatolische Dorf feiert in Deutschland Einzug
Für die Türken waren ihre Landsleute in Deutschland dagegen höchst hilfreich. Jeden Monat schickten diese einen Teil ihres Lohnes nach Hause. Das war insbesondere für Anatolien ein Segen. Man schätzt, dass bereits um 1970 bis zu zehn Prozent der Türken in der Türkei teilweise oder ganz von den Überweisungen aus Deutschland lebten. Die erste Generation der türkischen Gastarbeiter ernährte mithin nicht nur sich und ihre Kleinfamilien, sondern ganze Großfamilien in Anatolien und rettete die Türkei so vor dem Zusammenbruch. Daher hatte die türkische Regierung natürlich nicht das geringste Interesse an einer Rückführung ihre Landsleute, waren diese doch die idealen Devisenbeschaffer. Allein in den 1960er Jahren waren rund zehn Milliarden Deutsche Mark in die Türkei geflossen.
Um 1973 befanden sich dann ca. eine Million Türken in Deutschland. Von diesen ging nur rund die Hälfte einer offiziellen Beschäftigung nach. Aber auch für die arbeitslosen „Gastarbeiter“ war Deutschland allemal attraktiver als ihr Heimatland. Wenn arbeitslos, dann lieber in Deutschland, wo die soziale Versorgung um ein Vielfaches besser war. Die Türken hatten nicht nur den viel interessanteren deutschen Arbeitsmarkt für sich entdeckt, sondern nunmehr auch den noch interessanteren, sehr komfortablen deutschen Sozialstaat. Wer schlau war, holte seine ganze Familie nach. Auch wenn man keine Arbeit fand, zahlte der deutsche Staat die Schulbildung, die Krankenversicherung, das Wohngeld, das Sozial- bzw. Arbeitslosengeld. So kamen das anatolische Dorf und die Moschee nach Deutschland und man begann sich nunmehr hier einzurichten. Und das so, wie man es aus seinem anatolischen Heimatdorf kannte.
Die Gastarbeiterlüge
Deutschland aber verschloss die Augen vor der Realität. Man wollte kein Einwanderungsland sein. Aus vermeintlichen Kurzzeitgästen wurden Dauergäste und die Gastarbeiterlüge wurde zum sozialpolitischen Bumerang.
2015 waren von 100 Deutschen acht in Hartz IV, von 100 Türken aber 26, also drei- bis viermal so viele. Fast 42 Prozent aller in Berlin lebender Türken im erwerbsfähigen Alter waren jetzt erwerbslos. Sie und ihre Familie leben komplett von staatlichen Transferleistungen. Und das scheint auch so schnell nicht korrigierbar, denn 30 Prozent der türkischstämmigen Jugendlichen in Berlin haben keinen Schulabschluss. Nur jeder Fünfte hat einen Arbeitsplatz.
Von allen Immigranten in Deutschland weisen die aus der Türkei die schlechteste Bildung auf. Sie übertreffen noch jene schlechten Werte afrikanischer Immigranten. In keiner anderen Herkunftsgruppe finden sich mehr Personen ohne Bildungsabschluss (30 Prozent) und weniger mit einer Hochschulberechtigung (14 Prozent).
All diese Probleme sind seit vielen Jahrzehnten bekannt. Daher hatte Helmut Kohl zu Beginn seiner Kanzlerschaft 1982 einen Geheimplan, der aber niemals konsequent umgesetzt wurde. Er wollte innerhalb von vier Jahren die Hälfte aller Türken wieder loswerden. Dazu hier mehr.
Helmut Schmidt: „Es war ein Fehler, dass wir zu Beginn der sechziger Jahre Gastarbeiter aus fremden Kulturen ins Land holten“
Und nun will man all diese Fehler mit Immigranten aus Afrika und zumeist Muslimen aus dem Nahen Osten wiederholen und das auch noch in viel größerem Umfang. Führende Politiker vor allem der neulinken, neomarxistischen Parteien (Die Linke, Die Grünen, SPD) bis hinauf zum SPD-Bundespräsidenten und die weitgehend grün-dunkelrot-rot durchdrungenen Massenmedien verkünden, nicht die deutschen Trümmerfrauen, nicht heimgekehrte Kriegsgefangene und nicht die Ostvertriebenen hätten Deutschland nach 1945 wieder aufgebaut, sondern die Türken, die ja erst ab 1961 kamen, als längst alles wieder stand und die deutsche Wirtschaft bereits seit vielen Jahren florierte, wie das 15 Jahre davor kein Mensch für möglich gehalten hätte.
2004 bekannte Altkanzler Helmut Schmidt dann:
„Es war ein Fehler, dass wir zu Beginn der sechziger Jahre Gastarbeiter aus fremden Kulturen ins Land holten.“
Von der Gastarbeiter- zur Migrationslüge
In der Wochenzeitung DIE ZEIT (Heft “Zeit-Punkte”, Nr. 1/1993) berichtete Helmut Schmidt 1993, über ein Schlüsselerlebnis mit dem türkischen Ministerpräsidenten Süleyman Demirel, der zwischen 1965 und 1980 siebenmal Ministerpräsident und von 1993 bis 2000 Staatspräsident der Türkei war:
»Ich kann mich gut daran erinnern, als ich ihn das erste Mal traf. Das muss anderthalb Jahrzehnte her sein (also Ende der 1970er Jahre, JFB). Wir trafen uns in Ankara. Er war damals Regierungschef und hat zu mir gesagt: „Wissen Sie, Herr Schmidt, bis zum Ende des Jahrhunderts müssen wir noch fünfzehn Millionen Türken nach Deutschland exportieren.“ Und ich habe zu ihm gesagt: „Das wird nicht stattfinden, das werden wir nicht zulassen.“ Da hat er gesagt: „Warten Sie mal ab. Wir produzieren die Kinder und Ihr werdet sie aufnehmen.“«
Die letzten Jahrzehnte wird in zwei anderen Regionen der Welt kräftig produziert. Und wieder gibt sich Deutschland einer gigantomanischen Lüge hin, dieses mal nicht der Gastarbeiter-, sondern der Migrationslüge.
Dazu wiederum Helmut Schmidt im Jahr 2009 in einem Interview mit der NZZ:
„Ich würde euch nicht empfehlen, die Einwanderung aus primitiven Entwicklungsländern zu forcieren.“
Doch auch das ist längst beschlossen und – unter anderem im UN-Migrationspakt – sogar bereits schriftlich vereinbart.
Literaturempfehlungen
Hartmut Krauss: 50 Jahre Anwerbeabkommen mit der Türkei
Necla Kelek: Die Kunst des Missverstehens, FAZ vom 29.10.2011
Michael Ley: Der Selbstmord des Abendlandes – Die Islamisierung Europas, VI. Kapitel: Migration, Demographie und Demokratie, ab S. 147, HINTERGRUND-Verlag, 3. korr. Aufl. 2015
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