Kommt es hart auf hart, fallen moderate Muslime wie Dominosteine

Von Michael Klonovsky, So. 8. Jul 2018, Titelbild: Pixabay, CC0 Creative Commons

Die Re-Islamisierung des Orients begann 1979. Binnen weniger Jahre verwandelten sich säkulare, westlich orientierte in restriktive islamische Gesellschaften. Die moderaten Muslime fielen dabei um wie Dominosteine. Die meisten von ihnen werden niemals gegen ihre radikalen Glaubensbrüder kämpfen. Dafür ist die Grundloyalität zu Allah und zur Umma viel zu ausgeprägt, macht Michael Klonovsky deutlich.

Der Säkularisierungsschub ist seit 1979 gestoppt und umgekehrt worden

Die Re-Islamisierung des gesamten Orients hat in den vergangenen 50 Jahren unabhängig von sozialen Verbesserungen und steigender Bildung stattgefunden. Der Säkularisierungsschub, der nach dem Ersten Weltkrieg durch diesen Teil der Welt gegangen war – Atatürk hatte die Macht der Rechtsgelehrten gebrochen, die Koranschulen geschlossen, Schleier und Kopftücher verboten, Turbane sowie Bärte für unerwünscht erklärt, die Polygamie beendet und Frauen das Recht verschafft, zu wählen sowie politische Ämter zu bekleiden, und auch im Iran und in Afghanistan wurden Kopftücher, Schleier, Turbane und Bärte verboten –, dieser Säkularisierungsschub ist längst gestoppt und umgekehrt worden.

Der Roll-back begann in Pakistan mit der Hinrichtung des laizistischen Premiers Zulfikar Ali Bhutto durch islamistische Putschisten anno 1979. In Afghanistan erstarkten die islamischen Radikalen im Kampf gegen die radikalsozialistische Khalq-Partei, zu deren Unterstützung die Sowjetunion einmarschierte, während die USA die dschihadistischen Mudschaheddin stärkten. Den Iran verwandelte Ajatollah Chomeini ebenfalls im Jahr 1979 in eine Islamische Republik. In Algerien bildete sich die Islamische Heilsfront, in Palästina löste die Hamas die PLO ab. In Ägypten, Syrien und im Irak kämpften die Muslimbrüder gegen die autokratischen Regierungen. Der „Arabische Frühling“ brachte keineswegs eine weitere Verwestlichung, sondern diente vor allem den Radikalen. In all diesen Ländern wuchs währenddessen die Bevölkerung.

Westlich orientierte, säkulare Gesellschaften verwandeln sich binnen weniger Jahre in restriktive islamische solche

Der Autor und TV-Journalist Samuel Schirmbeck hat als ARD-Korrespondent zehn Jahre in Nordafrika gelebt, die meiste Zeit in Algerien, und erfuhr dort die Re-Islamisierung aus nächster Nähe. Als er 1991 nach Algier kam, so Schirmbeck, sei das Leben dort „absolut frei“ gewesen, er habe offene Diskussionen erlebt, die Frauen trugen weder Kopftuch noch Nikab, und baden gingen sie im Bikini. Damals sei vom islamischen Fundamentalismus, wie er sich heute auch in Europa ausbreitet, keine Spur zu finden gewesen. Inzwischen sei der gesamte Strand von vollverschleierten Frauen bevölkert, die sich ihrer feschen Überzüge auch dann nicht entledigten, wenn sie ins Wasser gingen. Eine algerische Bekannte von ihm habe versucht, sich im Badeanzug am Strand niederzulassen, sei aber von ihren verschleierten Geschlechtsgenossinnen regelrecht vertrieben worden. Kaum habe der Islam dort politische Macht erhalten, sei er sofort fundamentalistisch geworden.

Schirmbeck hat erlebt, wie sich binnen weniger Jahre eine westlich orientierte, säkulare Gesellschaft in eine restriktive islamische Gesellschaft verwandelt hat, obwohl viele Menschen dort, vielleicht sogar die Mehrheit, es nicht wollten. Eine radikale Minderheit hat ihre Ideologie durchgesetzt und den öffentlichen Raum islamisiert. Die Menschen sind unter diesem Angriff umgefallen wie Dominosteine, sie haben die Regeln der Scharia als verbindlich akzeptiert, sie trinken keinen Alkohol mehr in der Öffentlichkeit, spielen keine verbotenen Spiele, befolgen die religiösen Speisevorschriften und Rituale, teilen die Menschen in Reine und Unreine, die Frauen verschleiern sich usw. Mehr noch, nachdem sich die Masse erst einmal den Regeln der Radikalen unterworfen hat, übt sie nunmehr kollektiven Druck auf diejenigen aus, die noch nicht umgefallen sind.

Dasselbe ist schon vor Jahrzehnten im Iran geschehen, desgleichen in Afghanistan, es geschieht in Ägypten, in der Türkei, im Irak und in Teilen Syriens. In ganz Nordafrika befindet sich der radikale, intolerante, gewalttätige Islam auf dem Vormarsch. Das Christentum wird in diesem Weltteil unterdrückt, terrorisiert und in Teilen ausgelöscht, und was einstmals zumindest in Teilen eine offene, freundliche, exotische Welt war, verwandelt sich mit jedem Jahr mehr in eine düstere, uniforme, brutale, niederdrückende. Es gibt Gegenbewegungen in der Türkei, im Iran und sogar staatlicherseits bei den Saudis, doch die sind keineswegs säkular, sie wollen den islamisch geprägten Staat nicht angreifen, sondern „ein Stück weit“ (Björn Engholm et al.) reformieren.

In immer mehr Regionen Europas bilden Muslime die Majorität

Werfen wir nun den Blick auf Europa. Viele Stadtteile in Frankreich, England, Belgien, den Niederlanden und Schweden werden von muslimischen Mehrheiten bevölkert. Im englischen Blackburn etwa, einer Stadt von der Größe Freiburgs, sind neun von zehn Schulkindern Muslime, die letzten autochthonen Briten verlassen die Stadt. In der zweitgrößten englischen Stadt Birmingham kommen seit längerem mehr muslimische Kinder auf die Welt als Kinder von Alteingesessen. Dasselbe gilt für viele andere westeuropäische Kommunen.

In immer mehr Regionen Europas bilden Muslime die Majorität, teils durch Einwanderung, teils durch hohe Geburtenzahl (bei sinkender Fertilitätsrate!). Wie Umfragen unter den Muslimen im Westen zeigen, greift auch dort die Re-Islamisierung um sich, die Zunahme der Kopftuchträgerinnen ist insofern signifikant, als es vor dreißig Jahren praktisch keine gab.

Durch die mutwillige Grenzoffenhaltung der übergeschnappten Einsiedlerin im Kanzleramt ist auch der Desintegration Tür und Tor geöffnet worden, denn der deutsche Magen hatte bereits zuvor erhebliche Probleme, die Migrationsspeise zu verdauen. Wenn deutsche Moslemfunktionäre heute die CSU und die AfD angreifen, tun sie dies aus Sorge, ihre Nachschublinien könnten unterbrochen werden. Wenn Recep der Prächtige der österreichischen Regierung vorwirft, sie führe einen Kreuzzug gegen die Türkei, weil ein paar von Radikalen betriebene Moscheen geschlossen werden, zeigt das nur, dass der Edle vom Bosporus Teile des österreichischen und deutschen Staatsgebiets bereits als islamisch befreite Territorien betrachtet.

Auch moderate Muslime kämpfen fast nie im Namen der liberalen Demokratie gegen andere Muslime an

Die ungebremste Einwanderung von Muslimen ist zwar nicht gleichbedeutend mit einer massenhaften Einwanderung radikaler Reinheitsvollstrecker, aber die meisten moderaten Muslime wehren sich nicht dagegen, wenn religiöse Hardliner ihre Lebenswelt nach den Kriterien der Scharia verändern und die zivilen Freiheiten damit immer mehr einschränken. Die Grundloyalität zu Allah und zur Umma scheint es bei vielen Muslimen nicht zuzulassen, dass sie sich mit Christen oder Atheisten verbünden, um gegen die Islamisierung ihrer Umwelt zu kämpfen.

Wenn Muslime gegen Muslime zu den Waffen greifen, dann geschieht dies im Namen der Familie, des Stammes, des Volkes, ihrer innerislamischen Glaubensgemeinschaft, aber keineswegs im Namen der „Menschrechte“, der „Demokratie“, der Freiheit, der religiösen Toleranz und anderer westlicher Ideen, die im orientalischen Wertekosmos überhaupt keine oder allenfalls eine sekundäre Rolle spielen.

Das heißt letztlich: Wie freundlich, aufgeschlossen, liberal und weltlich einzelne Muslime in einer säkularen Gesellschaft auch sein mögen, es sagt wenig darüber aus, wie sie sich verhalten werden, wenn die Gesellschaft peu à peu islamisiert wird.

Von denen, denen das Lachen inzwischen vergangen ist

Als arabische Muslime noch über die Vorstellung lachten, alle Frauen sollten in der Öffentlichkeit ein Kopftuch tragen. Wie ein deutscher Regierungschef sagte: Von denen, die damals lachten, lachen heute unzählige nicht mehr.

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Dieser Text erschien zuerst auf dem Blog von Michael Klonovsky. Er erscheint hier mit freundlicher Genehmigung des geschätzten Autors und Blogbetreibers.

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Zum Autor: Michael Klonovsky, 1962 im Erzgebirge geboren, ist Romanautor und Publizist. Aufgewachsen in Ostberlin. Maurerlehre. Abitur. Seit 1990 Journalist. “Wächterpreis der Tagespresse” für die „Aufdeckung von Menschenrechtsverletzungen durch die DDR-Justiz und den Staatssicherheitsdienst“. 1992: Wechsel zum Focus, zunächst als Redakteur, später als Chef vom Dienst bzw. Textchef, Leiter des Debattenressorts, sodann als Autor. Am 31. Mai 2016 endete die Ehe mit Focus, die Partner hatten sich auseinandergelebt. Von Juni 2016 bis Anfang 2017 war er parteiloser Berater von Frauke Petry, von Juni bis November 2017 Sprecher der von Jörg Meuthen geführten Landtagsfraktion der AfD Baden-Württemberg. Michael Klonovsky ist Autor mehrerer Bücher.

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