Von Jürgen Fritz, Mi. 08. Dez 2021, Titelbild: tagesschau-Screenshot
Heute kam der Deutsche Bundestag zur Wahl des neuen Kanzlers zusammen. Olaf Scholz wurde mit 395 von 736 Abgeordneten, die allerdings nicht alle anwesend waren, zum neunten Regierungschef der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Anschließend wurden seine Minister ernannt und vereidigt.
Die Kanzlerwahl
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat zunächst nach Gesprächen mit den Bundestagsfraktionen den Kandidaten Olaf Scholz (SPD) für das Amt des Bundeskanzlers vorgeschlagen.
Die Wahl des Bundeskanzlers läuft nach Artikel 63 des Grundgesetzes (GG) ab. Danach wird der Kanzler auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestag ohne Aussprache gewählt. Zu einer erfolgreichen Wahl benötigte Scholz in der ersten Wahlphase die absolute Mehrheit der Abgeordnetenstimmen (Kanzlermehrheit). Bei 736 Abgeordneten bedeutet dies mindestens 369 Stimmen (50 Prozent + X). Entscheidend sind dabei nicht die anwesenden, sondern alle Bundestagsabgeordneten. Würde also die Hälft fehlen (368) und die anwesende andere Hälfte alle (zu 100 Prozent) für den Kandidaten stimmen, so würde das nicht reichen.
Es müssen mehr Bundestagsabgeordnete mit Ja stimmen als mit Nein oder sich enthalten oder ungültig wählen oder fehlen. Da SPD (206), Die Grünen (118) und FDP (92), welche sich auf eine sogenannte Ampelkoalition verständigt haben, zusammen auf 416 Abgeordnete (56,5 Prozent) kommen, war klar, dass die Zahl der notwendigen 369 Stimmen locker erreicht werden würde. Die Frage war dagegen, ob die Ampelkoalitionäre auf die vollen 416 Stimmen für Scholz kommen.
Und so ging die Wahl aus:
- Von den 736 Abgeordneten fehlten 29. Es nahmen also nur 707 an der Wahl teil. Wenn sich die Fehlenden einigermaßen gleichmäßig auf die verschiedenen Parteien verteilen, dann hätte Scholz mit allen Stimmen aus SPD, Grüne und FDP auf ca. 400 kommen müssen. Das Ergebnis sah so aus:
- 3 Stimmen waren ungültig. Die 704 gültigen Stimmen verteilten sich wie folgt:
- 395 (= 53,7 Prozent aller 736 Abgeordneten) stimmten für Olaf Scholz mit Ja. Für eine absolute Mehrheit waren mehr als 50 Prozent von 736 (368), also mindestens 369 Stimmen notwendig.
- 303 stimmten mit Nein.
- 6 Mandatsträger enthielten sich.
Es deutet also darauf hin, dass circa 5 Abgeordnete von SPD, Grüne und FDP, die anwesend waren, nicht für Scholz gestimmt haben, sofern er keine Stimmen aus den Reihen von CDU/CSU, AfD und DIE LINKE erhielt. Ansonsten wären es mehr als 5 Stimmen aus den eigenen Reihen, die er nicht erhielt.
Ob bei den fehlenden 29 (4 Prozent aller Bundestagsabgeordneten) alle krank waren oder ob auch hier welche dabei waren, die aus den Reihen der Ampelkoalition – aus welchen Gründen auch immer – Scholz nicht zum Kanzler wählen wollten, kann nicht gesagt werden.
Die Kabinettsbildung
Anschließend wurde Olaf Scholz vom Bundespräsidenten ernannt und dann vor dem Deutschen Bundestag vereidigt. Scholz schlug dann dem Bundespräsidenten die Bundesminister vor. Ohne diesen Vorschlag kann der Bundespräsident niemanden zum Bundesminister ernennen. Die Schlüsselfigur bei der Kabinettsbildung ist also der Kanzler.
Dabei gilt: Der ernannte und vereidigte Bundeskanzler schlägt dem Bundespräsidenten seine Bundesminister vor, der sie anschließend ernennt. Die Bundesminister werden dann ebenfalls vor dem Deutschen Bundestag vereidigt. Der Kanzler kann dabei sowohl über die Anzahl der Bundesminister als auch ihre Aufgabenverteilung entscheiden.
Laut verfassungsmäßiger Ordnung ernennt der Bundeskanzler ohne Mitwirkung des Bundespräsidenten einen der Bundesminister zum verfassungsmäßigen Stellvertreter, welcher auch als Vizekanzler bezeichnet wird, wobei diese Bezeichnung offiziell nicht existiert. Vizekanzler wird Robert Habeck (Die Grünen) sein.
Die Ministerien wurden dabei wie folgt verteilt beziehungsweise die Bundesregierung, das Kabinett Scholz, wird ab heute wie folgt aussehen:
- Bundeskanzler: Olaf Scholz (SPD)
- Wirtschafts- und Klimaschutzminister + Vizekanzler: Dr. Robert Habeck (Grüne)
- Finanzminister: Christian Lindner (FDP)
- Innen- und Heimatschutzministerin: Nancy Faeser (SPD)
- Außenministerin: Annalena Baerbock (Grüne)
- Justizminister: Dr. Marco Buschmann (FDP)
- Arbeits- und Sozialminister: Hubertus Heil (SPD)
- Verteidigungsministerin: Christine Lambrecht (SPD)
- Landwirtschafts- und Ernährungsminister: Cem Özdemir (Grüne)
- Familienministerin: Anne Spiegel (Grüne)
- Gesundheitsminister: Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD)
- Verkehrs- und Digitalminister: Dr. Volker Wissing (FDP)
- Umwelt- und Verbraucherschutzministerin: Steffi Lemke (Grüne)
- Bildungs- und Forschungsministerin: Bettina Stark-Watzinger (FDP)
- Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Svenja Schulze (SPD)
- Ministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen: Klara Geywitz (SPD)
- Kanzleramtsminister: Wolfgang Schmidt (SPD)

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