Nie wieder für Deutschland!

Von Jürgen Fritz, Mo. 23. Jul 2018

Nun hat er also gesprochen. Und wie er gesprochen hat! Mesut Özil hat zu einem großen Rundumschlag ausgeholt: gegen die deutschen Medien, gegen seine Sponsoren, gegen Rekordnationalspieler Lothar Matthäus und ganz besonders gegen den DFB, namentlich den DFB-Präsidenten Reinhard Grindel. Und er hat seinen Rücktritt als Nationalspieler erklärt. Lesen Sie hier, was Özil gestern Abend schrieb, welche heftige Kritik Uli Hoeneß heute an ihm übt und wie sich der DFB zu Özils Abgang äußert.

Jetzt spricht er: Ich werde für rechte Propaganda missbraucht

Seit 2010 stand er im DFB-Kader, absolvierte in dieser Zeit 92 Länderspiele. Bei seinem WM-Debüt vor acht Jahren wurde Mesut Özil mit Deutschland Dritter, 2014 holte er dann mit der deutschen Nationalmannschaft den WM-Titel. Seine sportlichen Leistungen vermochten die letzten Jahre jedoch immer weniger zu überzeugen und dann war da noch etwas: diese unselige Affäre seines Treffen mit dem türkischen Despoten Erdoğan, bei dem er und Gündoğan sich sogar noch voller Stolz mit dem Präsidenten ablichten ließen.

Joseph Emich Rasch hatte vor Beginn der Fußball-WM hier auf Jürgen Fritz Blog bereits darüber geschrieben, was er von dem doppeltem Foul an den deutschen Fans, zuerst durch Özil und Gündoğan, dann durch Jogi Löw hält. Özil selbst schwieg die ganze Zeit, sprach kaum ein Wort zu dieser Affäre, die ein sehr seltsames Licht auf den von Türken abstammenden Fußballer warf. Gestern Abend hat Özil jetzt sein Schweigen gebrochen und sich auf Facebook (auf Englisch übrigens) sehr umfangreich zu Wort gemeldet und seinen Rücktritt von der deutschen Fußball-Nationalmannschaft erklärt.

In seinem dreiteiligen Facebook-Postings holt er zu einem Rundumschlag gegen seine Kritiker, die Medien und den Deutschen Fußball-Bund (DFB) aus. Besonders hart geht er DFB-Präsident Reinhard Grindel an. Özil kritisiert „Rassismus und fehlenden Respekt“. Grindel wirft er gar „Inkompetenz“ und „Unfähigkeit“ vor. Wörtlich schreibt Özil (aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt):

„Ich kann nicht akzeptieren, dass deutsche Medien meiner Herkunft und einem einfachen Foto die Schuld an einer schlechten Weltmeisterschaft einer ganzen Mannschaft geben. Gewisse deutsche Zeitungen missbrauchen meinen Hintergrund und das Foto mit Präsident Erdoğan für ihre rechte Propaganda, um ihre politische Agenda voranzutreiben. Warum sonst nutzten sie Bilder und Schlagzeilen mit meinem Namen als direkte Erklärungen für die Niederlagen in Russland?“

Werde ich attackiert, weil ich eine türkische Herkunft habe?

Und Özil geht noch weiter: „Sie kritisierten nicht meine Leistungen, sie kritisierten auch nicht die Leistungen der Mannschaft, sie kritisierten nur meine türkische Herkunft.“ Das überschreite eine persönliche Linie, die niemals hätte überschritten werden dürfen. Die Zeitungen würden versuchen, „das Land gegen mich aufzubringen“.

Der FC Arsenal-Spieler kritisiert auch einen „Doppelstandard“ in den Medien. Es enttäusche ihn, dass „Lothar Matthäus (ein Ehrenspielführer der Nationalmannschaft) sich vor ein paar Tagen mit einem anderen Staatsoberhaupt traf und fast überhaupt nicht in den Medien kritisiert wurde.“ Damit bezieht Özil sich auf das Foto des Rekordnationalspielers mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin, setzt also Putin mit Erdogan gleich.

Trotz seiner Rolle beim DFB würden von Matthäus keine öffentlichen Erklärungen verlangt. Dieser vertete die deutschen Spieler weiter ohne jede Konsequenz. Özil weiter: „Wenn die Medien meinen, ich hätte aus dem WM-Kader gestrichen werden sollen, dann sollte er doch auch sicher seine Ehrenspielführer-Titel verlieren?“ Ob ihn seine türkische Herkunft zu einem lohnenderen Ziel mache, fragt der spürbar verletzte Fußballer.

Vor kurzem habe er geplant, seine frühere Schule Berger-Feld in Gelsenkirchen zu besuchen, zusammen mit zwei seiner Wohltätigkeitspartner. Ein Jahr lang habe er ein Projekt finanziell unterstützt, in dem Immigratenkinder, Kinder aus armen Verhältnissen und andere Kinder zusammen Fußball spielen könnten. Aber wenige Tage vor dem geplanten Besuch sei Özil von seinen sogenannten „Partnern“ im Stich gelassen worden, weil sie nicht mehr mit mir zusammenarbeiten wollten, was er natürlich, dem jedes politische Verständnis zu fehlen scheint, nicht verstehen kann.

Heftige Kritik am DFB: Ich habe doch nur ein Foto mit dem Präsidenten des Landes meiner Familie machen lassen

Laut Özil gab es noch weitere Konsequenzen. Die Schule habe seinem Management mitgeteilt, dass sie ihn nicht mehr da haben wollten, weil sie wegen seines Fotos mit Erdoğan „Angst vor den Medien“ hätten, besonders, weil die „rechte Partei in Gelsenkirchen im Aufwind“ sei.“ Das habe ganz ehrlich wirklich weh getan. Ihm sei plötzlich das Gefühl gegeben worden, er sei nicht mehr willkommen.

Außerdem habe es auch Ärger mit einem DFB-Sponsor gegeben. Nach seinem Foto mit Präsident Erdoğan hätten sie ihn aus ihren Kampagnen rausgenommen und alle geplanten Werbeaktivitäten gestrichen. Dabei hätte jener Sponsor, den Özil namentlich nicht nennt, selbst in der Kritik gestanden: „Das ist pure Ironie, da ein deutsches Ministerium erklärte, dass ihre Produkte illegale und unerlaubte Software beinhalten, die die Kunden einem Risiko aussetzen. Hunderttausende ihrer Produkte werden zurückgerufen.“ Und dann kritisiert Özil erneut einen „Doppelstandard“ und greift auch den DFB direkt an: „Habe ich Recht, wenn ich denke, dass das schlimmer ist als ein Foto mit dem Präsidenten des Landes meiner Familie? Was hat der DFB dazu zu sagen?“ Er hat doch gar nichts Schlimmes gemacht, nur ein Bild mit dem Präsidenten des Landes seiner Familie, so offensichtlich der Denkhorizont des millionenschweren Kickers.

In seiner Erklärung greift Özil besonders DFB-Präsident Reinhard Grindel scharf an. Was ihn in den letzten Monaten besonders frustriert habe, war die schlechte Behandlung durch den DFB, besonders durch DFB-Präsident Reinhard Grindel.

„Nach meinem Foto mit Präsident Erdogan wurde ich von Joachim Löw gebeten, meinen Urlaub zu verkürzen, nach Berlin zu kommen und mit einer gemeinsamen Erklärung die Diskussionen zu beenden und für Klarheit zu sorgen. Während ich versuchte, Grindel mein kulturelles Erbe, meine Familiengeschichte und damit die Beweggründe für das Foto zu erklären, war er viel mehr daran interessiert, über seine eigenen politischen Ansichten zu sprechen und meine Meinung herabzusetzen.“

Ich will nicht länger der Sündenbock für Grindels Inkompetenz sein

Und dann legt Özil gegen Grindel nochmal nach:

„Seit dem Ende der Weltmeisterschaft steht er in der Kritik für seine Entscheidungen, die er vor dem Turnier getroffen hat, und das zu Recht. Vor kurzem hat er öffentlich gesagt, ich solle meine Aktion erneut erklären, und hat mir die Hauptschuld für die schlechten Ergebnisse der Mannschaft in Russland gegeben, obwohl er mir in Berlin sagte, es sei vorüber. Ich will nicht länger der Sündenbock sein für seine Inkompetenz und Unfähigkeit, seinen Job ordentlich zu machen. Ich weiß, dass er mich nach dem Foto aus der Mannschaft haben wollte, und veröffentlichte seine Ansicht ohne Nachdenken oder Beratung auf Twitter, aber Joachim Löw und Oliver Bierhoff traten für mich ein und verteidigten mich.“

Schließlich wird Özil noch deutlicher:

In den Augen von Grindel und seinen Unterstützern bin ich Deutscher, wenn wir gewinnen, aber ein Einwanderer, wenn wir verlieren. Das ist so, weil ich, obwohl ich in Deutschland Steuern zahle, deutsche Schulen mit Spenden unterstütze und 2014 den WM-Titel mit Deutschland gewonnen habe, immer noch nicht in der Gesellschaft akzeptiert werde. Ich werde behandelt wie einer, der ‚anders‘ ist. … Gibt es Kriterien dafür, deutsch zu sein, die ich nicht erfülle?“

Desweiteren bemängelt er, dass offensichtlich Unterschiede gemacht werden, je nachdem, aus welchem Land die Vorfahren stammen:

„Meine Freunde Lukas Podolski und Miroslav Klose werden nie als Deutsch-Polen bezeichnet, also wieso bin ich Deutsch-Türke? Weil es die Türkei ist? Weil ich Moslem bin? Ich denke, hierin liegt eine wichtige Problematik. Die Bezeichnung als Deutsch-Türke unterscheidet bereits in Menschen, die Familie in mehr als einem Land haben. Ich wurde in Deutschland geboren und ausgebildet, also wieso akzeptieren die Menschen nicht, dass ich Deutscher bin?“

Vielleicht weil die islamische Weltanschauung nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist, weil die Türkei zu einem anderen Kulturkreis gehört, weil er selbst durch fast gar nichts zu erkennen gibt, dass er sich als Deutscher fühlt, weil er seit acht Jahren in Spanien und England spielt, weil man nie sieht, dass er mal die deutschen Nationalhymne singt, weil er sich (siehe unten) als Fußballer fühlt und nicht als Deutscher, weil er eigentlich kaum eine Verbindung zu unserem Land hat, außer dass er zufällig hier geboren wurde? Während der deutschen Nationalhymne betete Özil übrigens immer zu Allah, dass dieser ihm Kraft und Zuversicht gebe, wie er selbst zugab.

Uli Hoeneß übt scharfe Kritik an Özil: Der hat doch seit vielen Jahren einen Dreck gespielt

Der Präsident des FC Bayern München, Uli Hoeneß, äußerte sich heute gegnüber der tz wie folgt.

Özil habe „sportlich schon lange nichts mehr in der Nationalmannschaft verloren“ und sei auch nur „von den anderen“ durch‘s WM-Finale 2014 getragen worden – nun verstecke sich der Arsenal-Profi hinter dem Eklat um sein Erdogan-Foto. Zudem verriet Hoeneß, dass der FC Bayern München bei Champions-League-Spielen gegen Özils Club Arsenal London den Mittelfeldspieler als schwächstes Glied in der gegnerischen Kette sah: „Immer, wenn wir gegen Arsenal gespielt haben, haben wir über ihn gespielt, weil wir wussten, das ist die Schwachstelle.“ Und weiter:

„Ich finde das gut. Das ist für die deutsche Nationalmannschaft prima und zwar nur aus sportlichen Gründen. Weil für mich der Mesut Özil seit vielen Jahren ein Alibi-Kicker gewesen ist, der der deutsche Mannschaft überhaupt nicht geholfen hat. Und deswegen ist es nur konsequent, wenn er jetzt die Konsequenzen zieht. Er macht es vordergründig wegen dieser angeblichen schlechten Behandlung durch den DFB. Aber ich finde, er sollte sich mal selbst hinterfragen, wann er den letzten Zweikampf gewonnen hat. Das ist Jahre her.“

Die ganze Entwicklung in unserem Land sei eine Katastrophe. Dass man sich nicht mal reduziert, auf das, was es ist: Sport! Und sportlich habe Özil schon lange nichts mehr in der Nationalmannschaft verloren. Deswegen finde er, Hoeneß es prima und für den Neuanfang wunderbar, dass Özil jetzt endlich aufhöre.

Schon bei der WM 2014 sei Özil ein reiner Mitläufer gewesen „und war kurz davor, rauszufliegen. Die anderen haben ihn schön durch’s Endspiel gezogen.“ Der neue Fußball heiße, Zweikämpfe gewinnen, am Gegner vorbeikommen. Wann ist der Özil das letzte Mal am Gegner vorbeigekommen?“, fragt Hoeneß.

Der habe sich jetzt schön hinter der ganzen Erdogan-Geschichte verstecken können. Das sei doch die ganze Sauerei. „Der hat doch einen Dreck gespielt, einen Dreck seit vielen Jahren. Und jetzt ist der Grindel und der Löw und der Bierhoff schuld, so Hoeneß wörtlich.

Erklärung des DFB

Der Deutsche Fußballbund gab heute am späten Nachmittag folgende Erklärung ab:

„Das Präsidium des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hat sich heute in einer Telefonkonferenz mit der Rücktrittserklärung von Mesut Özil befasst. 92-mal hat Mesut Özil für die deutsche Nationalmannschaft gespielt. Er hat eine erfolgreiche Ära mitgeprägt, auf und gerade auch neben dem Platz. Er hatte entscheidenden Anteil daran, dass Deutschland 2014 in Brasilien Weltmeister geworden ist. Deshalb ist und bleibt der DFB Mesut Özil für seine herausragenden Leistungen im Trikot der deutschen Nationalmannschaften sehr dankbar.

Vielfalt ist eine Stärke, nicht nur im Fußball. Deswegen hat unsere Integrationsarbeit auf allen Ebenen eine zentrale Bedeutung. Von der Kreisklasse bis in die Nationalmannschaften gehören Spielerinnen und Spieler mit Migrationshintergrund zum DFB. Wir spielen und leben zusammen mit unseren unterschiedlichen familiären Wurzeln, unseren Religionen und Kulturen.

Was uns alle dabei auf und neben dem Platz verbinden muss, ist die Beachtung der im Grundgesetz verankerten Menschenrechte, das Eintreten für Meinungs- und Pressefreiheit sowie Respekt, Toleranz und Fair Play. Ein Bekenntnis zu diesen Grundwerten ist für jede Spielerin und für jeden Spieler erforderlich, die für Deutschland Fußball spielen.

Özil: Ich bin weder ein Deutscher noch ein Türke, Spanier oder Engländer, ich bin ein Fußballer

Mesut Özils Großeltern und sein Vater, damals noch ein kleines Kind, kamen vor Jahrzehnten aus einer kleinen Stadt an der tükischen Schwarzmeerküste nach Gelsenkirchen, wo Mesut im Oktober 1988 geboren wurde und mit seinen Geschwistern aufwuchs. Zunächst spielte er für den FC Schalke 04, wechselte mit 19 zu Werder Bremen, dann nach zweieinhalb Jahren zu Real Madrid, wo er drei Jahre blieb. Seit 2013 spielt er für den FC Arsenal (London) in der Premier League (bei Real Madrid und in England werden meist die höchsten Gehälter gezahlt).

Übrigens, Özil selbst fühlt sich wohl weder als Türke noch als Deutscher, Spanier oder Engländer. Er fühlt sich als Fußballer, der über solchen kleinbürgerlichen Rubrizierungen steht. Und kulturelle Wurzeln würden überbewertet. 2012, in seiner Real-Zeit, sagte er wörtlich:

„Ich habe in meinem Leben mehr Zeit in Spanien als in der Türkei verbracht – bin ich dann ein deutsch-türkischer Spanier oder ein spanischer Deutsch-Türke? Warum denken wir immer so in Grenzen? Ich will als Fußballer gemessen werden – und Fußball ist international, das hat nichts mit den Wurzeln der Familie zu tun.“

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Titelbild: YouTube-Screenshot

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