US-Botschaft: Höckes Rede ist „unehrenhaft, unmoralisch und eine Schande“

Von Jürgen Fritz, Do. 26. Mär 2020, Titelbild: YouTube-Screenshot

Der brandenburgische AfD-Landesvorsitzende Andreas Kalbitz dürfte für die Partei nicht mehr lange haltbar sein. In den nächsten Wochen wird man versuchen, ähnlich wie zuvor den Landesvorsitzenden der AfD Sachsen-Anhalt André Poggenburg und die Landesvorsitzende der AfD Schleswig-Holstein Doris von Sayn-Wittgenstein, die im Dezember 2017 auf Betreiben Höckes sogar beinahe Bundesvorsitzende geworden wäre, auch Kalbitz auf Grund seiner tiefen Verstrickungen in die Neonazi-Szene, die immer mehr offen gelegt werden, loszuwerden. Sie alle hatten eines gemeinsam: Sie standen dem als verfassungsfeindlich eingestuften Flügel nahe bzw. gehörten ihm an, Poggenburg direkt neben Höcke sogar mit an der Spitze. Zu Höcke, dem eigentlichen Kopf der Rechtsextremisten in der AfD, hat sich inzwischen auch die US-Botschaft dezidiert geäußert.

Wie Höcke Kritiker in den eigenen Reichen einzuschüchtern und wegzumobben versucht

Es war Anfang März, wenige Tage bevor Der Flügel vom Verfassungsschutz offiziell als eine „erwiesen extremistische Bestrebung“ eingestuft wurde, als in Schnellroda ein Treffen des “Flügels” stattfand. In Schnellroda befindet sich das ehemalige Rittergut von Götz Kubitschek, der als Kopf und Vordenker der Neuen Rechten (Rechtsradikale und -extremisten) und als enger Vertrauter von Höcke gilt.

Dort hielt der AfD-Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag, Gründer und Kopf des verfassungsfeindlichen Flügel Björn Höcke eine Rede. In dieser sagte er wörtlich:

“Die, die nicht in der Lage sind, Disziplin zu leben, die, die nicht in der Lage sind das Wichtigste zu leben, was wir zu leisten haben, nämlich die Einheit, dass die allmählich auch mal ausgeschwitzt werden aus unserer Partei.” 

Damit machte Höcke das, was er regelmäßig tut, wie er immer und immer wieder mit parteiinternen Kritikern des verfassungsfeindlichen „Flügels“ umgeht: Er droht ihnen und hetzt seine Anhänger auf diejenigen, die sich gegen ihn stellen oder auch nur Kritik an ihm und den Rechtsextremisten üben und versucht all diese, aus der Partei hinausdrängen, indem er „die Einheit“ beschwört, interne Kritiker sogar als „Spalter“, „Feindzeugen“ und „Halbe“ tituliert respektive diffamiert.

Genau dieser Punkt aber war ein Kriterium, warum Höcke und Der Flügel vom Verfassungsschutz als „erwiesen extremistische Bewegung“ einstufte: beider Demokratiefeindlichkeit, die den Diskurs, der wesentlich zur Demokratie gehört, zu unterdrücken sucht. Dass dies hier in diesem Fall auch noch zusätzlich mit dieser abscheulichen Sprache „ausgeschwitzt werden“, was an den den nationalsozialistischen Völkermord an ca. sechs Millionen europäischen Juden, zu dessen Symbol Ausschwitz geworden ist, kommt hier noch erschwerend hinzu.

Die Sprache, die er dabei benutzt

In Auschwitz befand ich dazu im vom Deutschen Reich annektierten Teil von Polen ein Lagerkomplex mit einer doppelten Funktion: als Konzentrationslager und als Vernichtungslager. Die europaweit gefangen genommenen Menschen wurden per Bahn in nach Auschwitz transportiert. Etwa 90 Prozent waren Juden, die aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Jugoslawien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Polen, Rumänien, Sowjetunion, Tschechoslowakei und Ungarn nach Auschwitz verfrachtet und dort einer „speziellen Behandlung“ zugeführt wurden. Die Zahl der Todesopfer alleine in diesem einen Lagerkomplex beläuft sich auf 1,1 bis 1,5 Millionen Menschen.

Wenn ein erwiesener Rechtsextremist, der permanent mit revisionistischen Methoden arbeitet, der permanent Anleihen an der Sprache der Nazis macht, der sogar typische Wortbildungen von Hitler wie „Halbe“ für politische Gegner verwendet, hier so einen Ausdruck wie „ausschwitzen“ gebraucht und das auf Menschen bezieht, die „ausgeschwitzt werden“ sollen, so hat das natürlich eine völlig andere Dimension als wenn jemand sagt, er wolle eine Erkältung ausschwitzen.

Dementsprechend waren viele Menschen über diese Rede sowohl inhaltlich – alle Kritiker, welche der von Höcke vorgegebenen Linie nicht bedingungslos folgen (Führerprinzip), sollen aus der Partei eliminiert werden – als auch über die Wortwahl, die dazu natürlich quasi metaphorisch passte – „Menschen ausschwitzen“ – zutiefst schockiert und das rechtsextremistische Gesicht hinter der sich selbst aufgesetzten selbstverharmlosenden Maske, auf die immer weniger Menschen reinfallen, wurde wieder einmal deutlich.

Reaktionen auf diese menschenverachtende Rede von Höcke

Entsprechend waren die Reaktionen vieler Menschen:

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Viele waren nur noch entsetzt:

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Andere forderten rechtliche Konsequenzen:

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Viele riefen die nicht verfassungsfeindlichen AfD-Mitglieder dazu auf, die Partei endlich zu verlassen …

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… und sich nicht länger mit solchen Leuten gemein zu machen:

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Und selbst überzeugte AfD-Anhänger zeigten sich schockiert und forderten: „Höcke muss weg!“

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… forderten den Parteiausschluss:

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Höckes peinliche und zugleich selbstentlarvende, erneut die eigenen Parteifreunde diffamierende Reaktion

Höcke selbst reagierte, wie er so oft reagiert in solchen Situationen, wenn er sich selbst mal wieder entlarvte und ihm Gegenwind ins Gesicht bläst. Er produzierte ein kleines Video, welches schon fast peinliche Züge hatte, und stellte dies auf Facebook mit folgenden Worten ein:

„Der Blogger Jürgen Fritz und mit ihm leider auch einige meiner speziellen Freunde aus der Partei versuchen das alte Spiel der bösartigen Auslegung von Textpassagen. Dabei wird das Framing so gesetzt, als hätte ich in irgendeiner Form auf das Konzentrationslager Auschwitz Bezug genommen und angedeutet, es wären heimliche Aufnahmen bei einem Geheimtreffen gewesen. Das ist glatt gelogen. Das Flügeltreffen in Sachsen-Anhalt war ganz formell vom Kreisverband angemeldet und der Vorsitzende war sogar dabei. Solche Unterstellungen sind einfach nur niederträchtig und dem muß ich an dieser Stelle einmal klar widersprechen.“

Immer die gleichen stumpfsinnigen Denk- und Redemuster

Wir sehen hier die typischen Muster, die wir bei Höcke so oft sehen:

  1. Er versucht, was wir bei Rechtsextremisten fast durchgängig sehen, sobald sie auf dieses Thema angesprochen werden, das ihnen natürlich unangenehm ist, erstmal abzulenken auf anderes. Wir hätten doch ganz andere Probleme in der Welt. Dabei wird zugleich suggeriert „Und ich bin gekommen als derjenige, der sie lösen wird“, weil die anderen dazu alle nicht fähig sind (Führerprinzip).
  2. Man würde ihm, dem Armen, wieder mal versuchen, etwas anzuhängen. Natürlich völlig zu Unrecht: Opferrolle einnehmen, um Mitleid, Sympathie und Wohlwollen zu erwecken. Man fühlt sich etwa an den Hannover Bäcker Bosselmann erinnert, der vorne in die Kamera weinte und hinten seinen Angestellten mit rechtswidrigen Kündigungen drohte im Krankheitsfall. Der kleine Björn wird von allen immer ungerechtfertigt angegriffen, dabei will er doch nur das beste für das deutsche Volk.
  3. Und die „Stichwortgeber“ kämen sogar aus der eigenen Partei. Der einzig Aufrechte ist überall von Verrätern umzingelt. Achten Sie bitte auf den Gesichtsaussdruck dabei (siehe unten). Immer wieder spielt er die Opferrolle. Denken Sie auch an das abgebrochene Interview mit dem ZDF, als er ebenfalls anfängt, die Mitleidstour zu ziehen (paraphrasiert): „Ich bin doch auch nur ein Mensch. Ich komme aus einer anstrengenden Sitzung. Seien Sie doch lieb zu mir, ich bin doch auch ganz lieb.“ Und sobald das nicht funktioniert, kommen sofort die Drohungen (paraphrasiert): „Eines ist klar: Wenn Sie jetzt nicht machen, wie ich es will, kriegen Sie von mir nie wieder ein Interview. Das werden Sie noch bereuen, wenn ich erstmals der Führer bin. Ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihre Karriere (dafür werde ich sorgen, dass Sie eine solche nicht mehr machen werden dann).“
  4. Die anderen würden ihm „in bösartiger Weise“ etwas unterstellen, dabei ist er doch sein ein lieber Mann, der allen nur Gutes will. Na ja, vielleicht nicht allen, aber den Deutschen, dem deutschen Volk. Und das ist ja das Einzige, was zählt.
  5. Ja, wer ihm so etwas unterstellt, der sei „infam“. Überhaupt ist jeder „infam“, der Höcke entlarvt. Er mache über so ein ernstes Thema „keine Witze“. Als ob es um Witze ginge – Ablenkung vom Eigentlichen. Es geht nicht um Witze, es geht um menschenverachtende Sprache und bösartige Sprachspiele, die beim Zuhörer bestimmte Assoziationen nicht wecken müssen, aber können, die geeignet sind, solche Assoziationen zu evozieren.
  6. Dann werden die eigenen angeblichen Verdienste ins Feld geführt. Parapharasiert: „Ach wie toll ich doch bin und was ich nicht alles tue, aber diese bösen Leute fallen mir immer wieder in den Rücken. Dabei will ich doch nur Gutes.“
  7. In Wahrheit hat das demokratiefeindliche, heimtückische Manöver in Thüringen dazu geführt, dass CDU und FDP geschwächt, die Linkspartei aber noch mehr gestärkt und Ramelow Ministerpräsident wurde, jetzt sogar mit noch stabilerer Absicherung. Höcke und die AfD haben in Thüringen bei der Ministerpräsidentenwahl die parlamentarische Demokratie verhöhnt und geschwächt, die Linkspartei aber gestärkt, die durch dieses Manöver in der Wählergunst von 31 auf fast 39 Prozent stieg.
  8. Dann redet er sogar davon, dass es eine Art Feinde in der eigenen Partei gäbe, die „Mitleid“ hätten mit der „Merkel-CDU“ oder aber der AfD keinen Erfolg gönnen. Das heißt, eigene Parteikollegen werden als Schwächlinge oder als Verräter hingestellt, die ihm persönlich den Erfolg nicht gönnen. Wieder hetzt er Flügel-Anhänger gegen die AfD auf, wie schon in seiner Ausschwitzen-Rede. Er verfällt sofort wieder ins gleiche Muster.
  9. Und diese Parteifreunde verwenden „dieselben miesen Methoden, die wir sonst nur von unseren politischen Gegnern kennen“. Wieder werden die eigenen Parteikollegen diffamiert. Dann vergleicht er sogar andere AfD-Politiker mit Ralf Stegner, der für AfD-ler ein absolutes rotes Tuch darstellt. Wer sich so verhalte, der betreibe „das Geschäft des politischen Gegners“. Ich paraphrasiere: Die Feinde sind in unseren eigenen Reihen!“ Und was macht man mit Feinden in den eigenen Reihen: Man muss sie „ausschwitzen“. Sie merken, der Kreis schließt sich. Höcke macht genauso weiter wie bei seiner Rede in Schnellroda.
  10. Diese Leute schädigen die Partei. Damit versucht Höcke die Partei zu spalten, er der ständig von der Einheit redet. Aber genau wie Linksradikale meint er eine Einheit, bei der er nun und sein Flügel, den es offiziell inzwischen nicht mehr gibt, die Leute sind aber natürlich alle noch da und die denken jetzt nicht plötzlich völlig anders, nicht vorgibt, vorgeben, wo es lang geht. Und wer dem nicht folgt, der stört die, genauer: seine vorgegebene Einheit. Und was macht ein Führer, wenn die Einheit, die er vorgibt, gestört wird mit diesen Schädlingen? Die müssen natürlich weg. Die müssen ausgeschwitzt werden. Immer und immer wieder das gleiche Muster. Immer und immer wieder dieselben stumpfsinnigen, antiliberalen, antidemokratischen Denk- und auch Redemuster.

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Reaktion des Memorial und Museum Auschwitz-Birkenau

Die ersten Reaktionen auf die menschenverachtende Rede Höckes in Schnellroda habe ich oben schon geschildert. Es kam aber noch eine weitere. Höcke versuchte es so darzustellen, als wäre dies hauptsächlich meine Interpretation („der Blogger Jürgen Fritz“), doch viele andere haben das auch schnell bemerkt, ich war weder der Erste noch der Einzige. Unter anderem das MEMORIAL AND MUSEUM AUSCHWITZ-BIRKENAU reagierte darauf schnell und schrieb schon am 15.03.2020:

„Diese Rede von Herrn Höcke ist eine Schande, ehrenlos, unmoralisch und unmenschlich – ebenso wie das Gelächter und der Applaus. Dieser Hass vergiftet unsere Gedanken und unser Gewissen.

Ein kaum verhüllter, beinahe direkter Aufruf Zustände wie in den 1930er Jahren herbeizuführen, als politische Gegner in Konzentrationslager eingesperrt wurden. Dass ein solcher Aufruf auch noch beklatscht wird, ist ein sicheres Indiz für die Natur dieser Versammlung.

Wer solche unglaublichen Dinge sagt, tut dies nicht zufällig oder aus Versehen. Wir hoffen, der deutsche Rechtsstaat reagiert in aller Entschlossenheit und Härte. Bevor es zu spät ist.“

Auschwitz Memorial

Reaktion der US-Boschaft

Doch einige Tage später kam noch eine Reaktion und diese hat es in sich. Daher möchte ich diese gar nicht mehr weiter kommentieren. Sie spricht für sich. Nämlich die Reaktion der US-Botschaft in Berlin:

US-Botschaft

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