Von Jürgen Fritz, Mo. 04. Mai 2020, Titelbild: phoenix-Screenshot
Was für eine Ohrfeige für den stellvertretenden CDU-Bundesvorsitzenden und Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen Armin Laschet. Eigentlich sollte ja am 25. April der CDU-Parteitag in Berlin stattfinden, bei dem die Partei ihren neuen Bundesvorsitzenden wählen wollte, der dann das erste Zugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur haben wird. Doch schon Mitte März gab die Noch-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer bekannt, dass der Parteitag auf Grund der Coronakrise verschoben werde. Einer kann darüber ganz besonders froh sein, denn sein Ergebnis bei der Wahl wäre womöglich desaströs ausgefallen, so die Delegierten es auch nur ähnlich sehen wie die Wähler von CDU und CSU, welche ihm eine regelrechte Backpfeife verpassen.
Markus Söder überholt Friedrich Merz und liegt jetzt ganz klar auf Platz eins
„Mit welchem Kanzlerkandidaten hätte die CDU/CSU bei der Bundestagswahl 2021 Ihrer Meinung nach die besten Chancen?“, fragte das Meinungsforschungsinstitut Civey im Auftrag des SPIEGEL Ende April (am 27.04.2020 und 28.04.2020) über 5.000 Personen (5.007). Und siehe da, das Ergebnis sah deutlich anders aus als im Februar, vor der Coronakrise. Damals lag Friedrich Merz noch klar auf Platz eins, vor Armin Laschet und Markus Söder:
- Friedrich Merz: 38,1 %
- Armin Laschet: 14,1 %
- Markus Söder: 13,1 %
- Jens Spahn: 6,3 %
28,4 Prozent meinten „mit einem anderen Kandidaten“ oder „weiß nicht“.
Ende April sah das Ergebnis jetzt wie folgt aus:
- Markus Söder: 45,8 %
- Friedrich Merz: 13,9 %
- Armin Laschet: 8,6 %
- Jens Spahn: 5,1 %
- Norbert Röttgen: 3,1 %
15,6 Prozent antworteten: „mit einem anderen Kandidaten“.
Söder kann die Coronakrise bisher opitmal nutzen, um sich zu profilieren, Lascht dagegen gar nicht, fällt sogar noch weiter zurück
Dass der bisherige Favorit Friedrich Merz bedingt durch die Corona-Pandemie klar im Nachteil ist, war klar – ebenso Norbert Röttgen; beide sind ohne ein Regierungsamt. Während sich also die beiden Ministerpräsidenten der zwei größten Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Bayern, Laschet und Söder, in dieser Zeit enorm profilieren können, ebenso der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, fällt dies für Merz und Röttgen völlig weg. Und einer hat diese Profilierungsmöglichkeit bisher zumindest unglaublich gut genutzt: Markus Söder. Er konnte seinen Wert bei allen Wählern fast auf das 3,5-fache steigern: von gut 13 auf jetzt fast 46 Prozent.
Ganz anders sein NRW-Kollege Armin Laschet. Er kann seine Chance gegenüber Merz und Röttgen bisher überhaupt nicht nutzen. Im Gegenteil, er hat jetzt sogar 2 von 5 seiner bisherigen Befürworter auch noch verloren. Und auch Jens Spahn konnte die letzten zwei Monate überhaupt nicht punkten. Auch er fiel sogar noch zurück, verlor jeden fünften seiner Befürworter und das waren ja ohnehin schon sehr wenige. Norbert Röttgen läuft dagegen mit nur ca. 3 Prozent unter ferner liefen. So kommt es, dass Friedrich Merz, zwischendurch selbst an COVID-19 erkrankt und in häuslicher Quarantäne, derzeit sogar vom Zuschauerrang aus immerhin noch auf Platz zwei liegt.
Unionsanhänger präferieren im Moment ganz klar Söder, nicht mal jeder 26. will Laschet
Interessanter ist aber vielleicht noch wie die Anhänger von CDU/CSU das Ganze sehen, wen sie als Unionskanzlerkandidaten präferieren würden. Hier sieht das Ergebnis Ende April wie folgt aus:
- Markus Söder: 67,6 %
- Friedrich Merz: 16,2 %
- Armin Laschet: 3,8 %
Mehr als zwei Drittel der Unionsanhänger wünschen sich derzeit Markus Söder als Kanzlerkandidaten, jeder Sechste Friedrich Merz und nicht mal einer von 26 Armin Laschet, selbst Friedrich Merz kann mehr als viermal so viele CDU-/CSU-Wähler von sich überzeugen.
Friedrich Merz punktet am ehesten bei FDP-, AfD-, CDU- und CSU-Anhängern, Laschet am ehesten noch bei FDP- und Linke-Wählern
Während Markus Söder am besten bei Unionsanhängern ankommt, aber auch bei SPD-Anhängern (50,0 %) und Grünen-Anhängern (39,4 %), punktet Friedrich Merz am ehesten bei FDP-Anhängern (31,3 %), bei AfD- (27,9 %) und Unions-Anhängern (16,2 %), am wenigsten bei Linksparteiwählern. Armin Laschet kommt dagegen am ehesten noch bei FDP- (20,6 %) und Linke-Wählern (16,8%) an und am wenigsten bei CDU- und CSU-Anhängern (3,8 %).
Angesichts dieser Ergebnisse möchte man fast die Frage stellen, ob Armin Laschet überhaupt in der richtigen Partei ist. Die Wähler von CDU und CSU haben da jedenfalls irgendwie Bedenken, wie es scheint.
Aber wer weiß, vielleicht wird sich ja das Bild bis zum Jahresende noch wandeln. Denn wie es im Moment ausschaut, wird der Parteitag der CDU nun wie ursprünglich mal geplant doch erst im Dezember stattfinden. Bis dahin wird Annegret Kramp-Karrenbauer, von der man nicht mehr sehr viel sieht und hört, die Partei offiziell weiter führen.
Anton Hofreiter: Laschet hätte sich besser ins Thema einlesen sollen
Dieser vor zwei Monaten ohnehin schon nicht guten, nun aber miserablen Werte bezüglich Kanzlerkandidatur dürften insbesondere auch mit Laschets Krisenmanagement in der Coronakrise zusammenhängen. So sagte jüngst auch der Grünenpolitiker und promovierte Biologe Anton Hofreiter in einem Interview mit der WELT , einige würden bei der Interpretation wissenschaftlicher Daten über das Ziel hinausschießen. Hofreiter wörtlich:
»Es wäre sicherlich ratsam gewesen, wenn sich etwa Armin Laschet, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, stärker eingelesen hätte. Seine Vorschläge zur schnellen Öffnung fand ich teilweise unverantwortlich. Bei ihm gingen manche Zahlen und Begriffe durcheinander: R-Wert, Verdopplungszeit und Zahl der Infizierten. Damit sollte man sich gründlich befassen, wenn man seiner Rolle als verantwortungsbewusster Politiker gerecht werden will und entsprechende Entscheidungen treffen soll.«
Die öffentliche Stimmung hat sich gewandelt vom Rationalen ins Emotionale, unter anderem dank Laschet
Auch der Physiker und Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar sieht das Agieren von Laschet alles andere als positiv. In einem ZDF-Interview verurteilte Yogeshwar nicht nur die Morddrohungen gegenüber Prof. Dr. Christian Drosten, er kritisierte auch den Stimmungsumschwung gegenüber Virologen.
Die Warnungen der Wissenschaftler vor einer zweiten Infektionswelle würden abgetan und durch Forderungen nach weiteren Lockerungen ersetzt, sagt Yogeshwar in ZDF heute: „Statt die Maßnahmen als Erfolg zu feiern und sich über den bislang glimpflichen Verlauf zu freuen, wächst die Kritik an den Experten. Ein Irrsinn: Würden wir die Feuerwehr abschaffen, nur weil es im vergangenen Jahr nicht gebrannt hat?“
Die öffentliche Stimmung habe sich „vom Rationalen ins Emotionale“ gewandelt, wofür er Politiker wie Armin Laschet (abgeschlossenes Jurastudium, erstes, aber kein zweiten Staatsexamen) verantwortlich macht. Diese würden sich „allzu oft am Volk orientieren“. Umfragewerte und Beliebtheitsskalen seien ihnen wichtiger, als den Menschen Orientierungshilfen zu geben.
Laschet verstärkt sein Image als der Lasche, der Laxe
Auch der Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke sieht momentan eher schwarz für die Kampagne von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet im Wettbewerb um den CDU-Vorsitz und die Kanzlerkandidatur. Laschet werde große Schwierigkeiten haben, sein Image in der Auseinandersetzung mit Bayerns Ministerpräsidenten und CSU-Chef Markus Söder zum Positiven zu wenden, sagte von Lucke im Deutschlandfunk (Audio).
Laschet habe sich in der Corona-Krise „fundamental vergaloppiert“. „Er hat einen eklatanten Fehler gemacht“, so von Lucke. Söder habe am Anfang der Corona-Krise richtig erkannt, dass die klare Kante beim Lockdown ungemein Punkte bringen würde. Laschets Kalkulation bestehe nun darin, mit dem Exit zu punkten – also gewissermaßen der Erste zu sein, der aus den harten Maßnahmen herausführe. Damit jedoch verstärke er nur sein Image „des Laschen, des Laxen“.
Der NRW-Ministerpräsident wird die Büchse der Pandora nicht mehr zu bekommen
Darüber hinaus hält von Lucke es für einen strategischen Fehler, dass Laschet im falschen Moment versucht habe, sich von Bundeskanzlerin Angela Merkel absetzen zu wollen. Dazu verwies er auf Laschets Gastbeitrag in der WELT am Sonntag vor einigen Wochen. Damit habe dieser sich „freischwimmen“ wollen aus der Annahme, immer im „Geleitzug der Kanzlerin“ zu sein. Dabei habe Laschet „völlig verkannt“, dass die Kanzlerin in der Corona-Krise deutlich an Sympathie gewonnen habe. Laschets zwei härtesten Konkurrenten um den Parteivorsitz, Söder und Friedrich Merz, täten dagegen derzeit„das einzig Vernünftige“und suchten den„absoluten Schulterschluss mit Angela Merkel“.
„Wer den Exit propagiert, öffnet quasi die Büchse der Pandora“, so von Lucke weiter. Denn nun seien die Begehrlichkeiten im Raum, und die verschiedenen Interessenvertreter in Nordrhein Westfalen versuchten alle, davon zu profitieren. „Und diese Pandorabüchse bekommt Laschet nicht mehr zu.“ Der Wettbewerb um weitere und schnellere Lockerungen laufe (kleine Finger-ganze Hand-Syndrom).
Laschet wirkt überfordert
Auch für die ARD-Hauptstadt-Korrespondentin Kirsten Girschick wirkt Armin Laschet in der Corona-Krise oft wie ein Getriebener: „mal fahrig, mal forsch, mal patzig“. Die Rolle des Machers habe ein anderer übernommen. Es sei auch nicht das erste Mal, dass Laschet beim Thema Schule unsouverän wirke:
„In der Sendung Anne Will vor einer Woche reagierte er patzig, als fehlende Hygienekonzepte angesprochen wurden, schob er die Verantwortung auf die Kommunen. Und er beklagte sich, dass Virologen ihre Meinungen änderten. Auch sonst wirkte er in der Sendung fahrig und gereizt, manche sagen sogar: überfordert.“
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