Jahrhundertversagen, Landrat über EU: „Das hätte jeder Landwirt im Kreis Heinsberg besser verhandelt“

Von Jürgen Fritz, Sa. 30. Jan 2021, Titelbild: Stephan Pusch, YouTube-Screenshot

Der Landrat von Heinsberg erlangte bundesweite Bekanntheit, als er die Coronakrise im ersten SARS-CoV-2-Hotspot in NRW so gut managte, dass ihm später das Bundesverdienstkreuz verliehen wurde. Nun hat Stephan Pusch die Bundesregierung und die EU scharf kritisiert: “Das hätte jeder Landwirt im Kreis Heinsberg besser verhandelt”, sagt er zur desaströsen Impfstoffbeschaffung der EU, an welche Merkel und Spahn diese Jahrhundertaufgabe wegdelegierten.

Wer behauptet, mit der Impfterminvergabe würde es vernünftig laufen, der weiß nicht, was bei den Bürgern los ist

Erfreulich sei natürlich, dass die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz nun endlich unter hundert gefallen sei, dass in den letzten sieben Tagen vor Donnerstag also weniger als hundert Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner registriert worden seien. Er gehe auch davon aus, dass wir uns in den nächsten zwei, drei Wochen in Richtung 50 und darunter bewegen werden, sagt der Rechtsanwalt und CDU-Politiker zu Beginn seines knapp zwölfminütigen Videos, das er am Donnerstag auf YouTube einstellte.

Damit sei „seine gute Laune aber auch schon zu Ende“, fährt Stephan Pusch fort. Wenn er seine Laune im Moment beschreiben müsste zwischen eins und hundert, dann würde er sagen, sie liege bei minus zwanzig. Wenn man jetzt erzähle, das mit der Vergabe der Impftermine würde irgendwo vernünftig laufen, dann könne er nur sagen: Dann habt ihr alle euer Ohr nicht an der Basis und wisst nicht, was bei den Bürgern los ist“, sagt der CDU-Politiker klipp und klar (oder man versucht alles schönzureden, um die Bürger einzulullen und sein eigenes Versagen zu vertuschen, möchte man ergänzen).

Zu erzählen, es laufe optimal, ist ein reines Ablenkungsmanöver

Und dann schildert der Landrat, wie die Realität tatsächlich aussieht: Hier rufen Leute bitterweinend an, die sich darüber beklagen, dass wenn sie denn endlich mal durchkommen“ am Telefon dann die Mitteilung bekämen, dass es keine Impftermine mehr gebe, „was dann eine Stunde später schon wieder anders aussehen kann“.

Und dann wird Pusch noch massiver: „Dass man nicht durchkommt, dass das Programm Scheiße programmiert ist“, dass alles, was man eigentlich als Grundvoraussetzung voraussetzen würde, „daneben gelaufen ist, geschenkt.“ Aber dass dann auch noch erzählt werde, dass Ganze sei optimal gelaufen (Anmerkung JFB: vor allem das Spahn-Gesicht ist inzwischen kaum noch zu ertragen), „man solle doch froh sein, dass so viele Bürger schon einen Impftermin bekommen haben, das ist doch ein reines Ablenkungmanöver, sagt der CDU-Landrat.

JFB: Wie schon in der Migrationskrise versagen die M-Medien erneut vollkommen, decken sogar noch das Regierungs- und EU-Versagen

Und dieses Ablenkungsmanöver wird übrigens, möchte ich ergänzen, wie schon 2015/2016 von den M-Medien, die erneut vollkommen versagen, weitgehend gedeckt, die dann jeden Tag nicht aufklären, wie der Stand der Dinge ist und das adäquat einordnen: „Wir haben nach 33 Tagen nicht fast 20 Impfdosen pro 100 Einwohner an den Mann und die Frau bringen können, sondern ERST 2,65, das heißt, wir liegen etwa 86,5 Prozent hinter dem Soll zurück, wenn wir bis Ende Sommer / Anfang Herbst wenigstens 80 Prozent der Bevölkerung zweimal geimpft haben wollen“, sondern die jeden Tag einfach nur verkünden, um nicht zu sagen Regierungspropaganda betreiben: „Wir haben jetzt SCHON über 2,2 Millionen Impfungen verabreicht“, ohne zu ergänzen und diese Zahl in ein Verhältnis zu setzen, so dass die Bürger etwas damit anfangen können:

„Die USA aber schon 26,2 Millionen, das bevölkerungsmäßig kleinere Großbritannien schon fast 8,4 Millionen. Und selbst das kleine Israel mit nicht mal neun Millionen Einwohnern gegenüber 83 Millionen in Deutschland hat bereits fast 4,6 Millionen Dosen verimpft.“ Das heißt, die M-Medien betreiben nicht wirklich Aufklärungsarbeit, sondern wie schon 2015/16 in der Migrationskrise eher Propaganda respektive decken das Regierungs- und das EU-Versagen. Fundamentalkritische Berichterstattung bezüglich der EU, dass deren gesamte Struktur mal in Frage gestellt wird, werden Sie in den M-Medien ohnehin so gut wie keine finden. Warum wohl nicht? Die Antwort dürfte klar sein. Hier wurden alle entsprechend gebrieft, was in den M-Medien erwünscht ist und was nicht. Doch zurück zu Stephan Pusch.

Man wusste doch auch schon vor Wochen und Monaten, wie viele über 80-Jährige es in Deutschland gibt

Das sei ein reines Ablenkungungsmanöver, sagt der CDU-Landrat völlig richtig. „Das hätte man – selbst wenn der Impfstoff knapp ist – alles besser organisieren können.“ Da gebe es einfach bessere Möglichkeiten, wie man so einen Massenansturm bewältigen könne. Schließlich sei ja das Thema nicht erst „drei Tage vorher aufgekommen“. Er hätte ja Verständnis dafür, wenn man das innerhalb weniger Tage hätte aus dem Boden stampfen müssen, dass es dann so aussähe wie jetzt. Aber wenn man doch Wochen lang Zeit hatte und es nicht um die Vergabe von Theaterkarten gehe, sondern darum, dass Menschen Angst haben, keinen Impftermin zu bekommen, weil sie um ihr Leben fürchten, „dann muss ich sagen“, so Pusch, sei dies doch „sehr, sehr bescheiden“, was da aufgesetzt wurde.

Insbesondere kritisiert der Kommunalpolitiker, dass Leute, die sich für einen Impftermin online anmelden wollen, einfach aus dem System fliegen mit dem Hinweis, dieser Termin sei schon vergeben, anstatt dass jedem verschiedene noch freie Termine angeboten werden. Auch kämen Mitarbeiter teilweise gar nicht in das System hinein. All das könne man nicht damit entschuldigen, dass viele Leute auf einmal anrufen. Das sei doch alles längst bekannt gewesen. Man wisse doch, wie viele über 80-Jährige es in Deutschland gibt (JFB: Alleine die über 80-Jährigen machen rund 7 Prozent der Gesamtbevölkerung aus = ca. 5,8 Millionen).

Höchste Stellen versuchen, darüber hinwegzutäuschen, dass sie sehr naiv an die Sache gingen und die Gesetze des Marktes nicht kennen

Seine Mitarbeiter müssten derzeit Seelentröster, Prellbock und was nicht noch alles sein und wären inzwischen selbst seelisch am Abgrund, säßen teilweise weinend am Telefon, dann laufe „irgendwas falsch“. Es sollte jetzt endlich mal offen und ehrlich gesagt werden, was los ist. Natürlich könne man sich immer auf der Ausrede ausruhen, man habe halt derzeit nicht genügend Impfstoff. Das sei aber nur die eine Seite.

Aber auch da, wo man selbst die Verantwortung habe, sei es „suboptimal gelaufen“. Und nun beginne das Schwarze Peter-Spiel. Fakt sei, es ist zu wenig Impfstoff da. Dann sagt der Bundesgesundheitsminister, das habe die EU verbockt. Die EU sagt dann, die Hersteller hätten ihre Verträge nicht eingehalten. Dann blicke der normale Bürger nicht mehr durch und kann dann nicht mehr genau einschätzen, wo das eigentliche Versagen lag, so Pusch.

„Aber ich stell mir doch einfach mal die Frage“, fährt er fort, „wenn ich doch die Gesetze des Marktes bei der Impfstoffbeschaffung beachte, dann weiß ich doch: Entweder hab ich einen wasserdichten Vertrag gemacht oder ich habe keinen wasserdichten Vertrag gemacht.“ Entweder „ich habe ausreichend Impfstoff bestellt, der auch vertragssicher zugesagt worden ist, oder ich hab das nicht gemacht“.

Er habe den Eindruck, dass man an höchsten Stellen darüber hinwegtäuschen wolle, dass man offenbar sehr naiv an diese Sache herangegangen ist. (Anmerkung JFB: Und wir reden hier von einer Jahrhundertkatastrophe und der Beschaffung des wichtigsten Mittels überhaupt, um diese irgendwie in den Griff zu bekommen, sprich wir reden von einem Jahrhundertversagen.)

„Das hätte jeder Landwirt im Kreis Heinsberg besser verhandelt“

Dass weltweit ein Run auf etwas da sei und dass der Markt natürlich so funktioniere, dass der, der zuerst gekommen ist oder der, der am meisten bezahlt, das sei doch „das kleine Einmal-eins der Betriebswirtschaft“. Der Staat und die EU hätten genug Impfstoffe besorgen müssen und dabei einige Milliarden Verluste einkalkulieren müssen, die man eventuell in den Sand gesetzt hätte, denn was sei das schon im Verhältnis zu hunderten Milliarden, „die wir jetzt als Rettungsschirme raushauen“.

Zu glauben, dass die Amerikaner, die Briten oder die Israelis nichts Besseres zu tun hätten, als mit der EU den wenigen Impfstoff zu teilen, sei hochgradig naiv gewesen: „Wer so naiv und blauäugig ist, da muss man sich eigentlich fragen, wie viele Jahre ist der eigentlich in seinem Job“, so Stephan Punsch wörtlich. „Das hätte jeder – und das ist nicht despektierlich gemeint, das ist nicht böse gemeint (JFB: sondern einfach ehrlich) das hätte jeder Landwirt im Kreis Heinsberg besser verhandelt.“

Beim Sterben an COVID-19 gehört Deutschland inzwischen zur Spitzengruppe, beim Impfen jedoch sind wir weit abgeschlagen

33 Tage nach dem ohnehin eher schon späten Impfstart am 27.12.2020 liegen wir 86,5 Prozent hinter dem Soll zurück, wenn wir bis Ende Sommer (21.09.2021) bzw. Herbstanfang wenigstens 80 Prozent der Bevölkerung zweimal geimpft haben wollen, wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und die Bundeskanzlerin Angela Merkel das mehrfach in Aussicht stellten.

Eigentlich müssten wir nach 33 Tagen bereits 19,63 Dosen pro 100 Einwohner verimpft habenTatsächlich sind es aber erst 2,65 pro 100 Einwohner. Damit liegt Deutschland nicht nur 86,5 Prozent hinter dem Soll zurück, sondern auch international abgeschlagen hinter Polen, Italien, Portugal, Spanien, Irland, Rumänien, Lithauen, Slowenien, Dänemark, Island und Malta, weit hinter den USA, Bahrain und Großbritannien und ganz weit hinter den Vereinigten Arabischen Emiraten und Israel.

CDU-Landrat Stephan Pusch in Bild und Ton

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