Von Jürgen Fritz, Do. 22. Apr 2020, Titelbild: ntv-Screenshot
Am Montagvormittag nominierten die Grünen Annalena Baerbock zur Kanzlerkandidatin, in der Nacht von Montag auf Dienstag votierte der 46-köpfige CDU-Bundesvorstand für Armin Laschet, nachdem dieser am frühen Morgen Markus Söder gedroht hatte, die CDU würde ihn nicht unterstützen. Welche Auswirkungen haben diese Entscheidungen auf die Wähler? Laut Forsa kommt es zu „erdbebenartigen Verschiebungen“.
Die Grünen entscheiden sich für Annalena Baerbock; die CDU alleine, ohne die CSU für Armin Laschet als Kanzlerkandidat
Bei den Grünen hatte sich die letzten Monate immer mehr abgezeichnet, dass es eher auf Baerbock als auf Habeck hinauslaufen würde, wenngleich dieser in der Bevölkerung ein wenig besser ankam als seine Kollegin. Die Unterschiede waren hier aber nicht sehr groß und Baerbock hat den wahlstrategischen Vorteil, dass sie nun von den Grünen selbst und den weitgehend grün-neomarxistisch durchsetzten Massenmedien perfekt inszeniert werden kann. Hier zwei ältere Herren (beide über 60), die man als das Gestern darstellen wird, dort die junge, erfrischende Frau (gerade erst 40 geworden), die für eine andere Generation und die für das Morgen steht. Damit lässt sich propagandamäßig sehr gut arbeiten. Insofern war diese Entscheidung nicht überraschend und nachvollziehbar.
Überraschend war dagegen, zu welch Machtkampf um die Kanzlerkandidatur es in der Union gekommen war. Dieser wurde in der Nacht von Montag auf Dienstag zugunsten des CDU-Vorsitzenden Armin Laschet entschieden, wobei die Vorentscheidung insgeheim schon am frühen Montagmorgen gefallen war, als Laschet, Schäuble, Ziemiak und Bouffiert dem CSU-Vorsitzenden Söder indirekt drohten, man werde dafür sorgen, dass er die Wahl verliere, sollte er der gemeinsame Kanzlerkandidat von CDU und CSU werden.
Während Annalena Baerbock in der Parteibasis der Grünen und auch bei den Grünen-Wählern durchaus beliebt und angesehen ist, kann man das bezüglich Armin Laschet weniger behaupten. Schon bei der Wahl zum CDU-Vorsitzenden zeigte sich, dass Laschet fast ausschließlich ein Kandidat der Spitzenfunktionäre war. Bei sämtlichen Mitgliederbefragungen in etlichen CDU-Kreisen war der NRW-Ministerpräsident nie auf mehr als 8 bis 15 Prozent der Stimmen gekommen, während Norbert Röttgen mit ca. 20 bis 30 Prozent auf gut doppelt so hohe Werte kam und Friedrich Merz mit ca. 60 bis 65 Prozent (teilweise sogar noch mehr) auf etwa fünf- bis sechsmal so hohe. Doch die tausend CDU-Delegierten hatten sich mit knapper Mehrheit (52,8 zu 47,2 Prozent in der Stichwahl gegen Merz) für Laschet entschieden. Und in der Nacht von Montag auf Dienstag setzte sich Laschet im Machtkampf um die Unionskanzlerkandidatur gegen den CSU-Vorsitzenden Markus Söder durch – mit welchen Methoden habe ich hier beschrieben: Deshalb gab Söder nach: Laschet drohte ihm, man werde dafür sorgen, dass er die Wahl verliert.
Die „Lust am Untergang“ in der CDU
Wie diese Personalentscheidung für Laschet zu beurteilen ist, da gehen die Meinungen sehr auseinander, wobei sehr viele diese Entscheidung äußerst kritisch bewerten im Hinblick auf die Erfolgsaussichten, mit diesem Kandidaten die Bundestagswahl gewinnen zu können. So sieht etwa der Mainzer Politikwissenschaftler und Parteienforscher Jürgen Falter in der CDU „Lust am Untergang“. Gegenüber der Heilbronner Stimme sagte er am Dienstagmorgen:
„Irgendwie erscheint die Sache nicht im Lot, dass der Bundesvorstand der einen der beiden beteiligten Parteien, wenn auch der weitaus größeren Partei, allein über den gemeinsamen Kanzlerkandidaten entscheidet. So etwas kann nur böses Blut hinterlassen. Das gibt den Laschet-Gegnern, die es ja nach wie vor in großer Zahl gibt innerhalb der Union, Stoff, die Legitimität des Verfahrens infrage zu stellen.
(…) eine solche Entscheidung gegen den ja nun eindeutig festgestellten Willen sowohl einer Mehrheit der Mitglieder als auch der potentiellen Anhänger der CDU und auf jeden Fall der CSU zu treffen, spricht dafür, dass man das Wohl des eigenen Vorsitzenden über das der Partei und das der eigenen Partei über das der gemeinsamen Union stellen will. Mit Laschet wird es die Union im Bundestagswahlkampf und bei der Wahl selbst aller Voraussicht nach erheblich schwerer haben als das mit Söder der Fall wäre.“
Und Jürgen Falter korrigiert auch das immer wieder gerne geäußerte Scheinargument, Umfragewerte seien ja nur Momentaufnahmen:
„(…) Auf die Wankelmütigkeit von Stimmungen zu verweisen, wie das der von mir sehr geschätzte Schäuble getan hat (…) stellt ein Scheinargument dar. Umfragen können sich in der Tat ändern, auch wenn sie es, was die Charaktereigenschaften und das Image von Personen angeht, weniger stark zu tun pflegen. Ein Scheinargument ist das deshalb, weil es zweierlei unterstellt, nämlich einerseits einen möglichen Abbau der Zustimmungswerte zu Söder und einen möglichen Zuwachs der Zustimmungswerte zu Laschet. Wenn Meinungsumfragen nur Augenblicksstimmungen messen, was sie in der Tat tun, können sie sich natürlich, was die beiden möglichen Kandidaten angeht, nach beiden Seiten bewegen, bei Laschet nach unten, bei Söder weiter nach oben oder umgekehrt.“
Und der Politologe und Publizist Albrecht von Lucke bemerkte sogleich: Gegen Laschet hat Baerbock eine Chance. Wie groß diese Chance ist, dazu gibt es inzwischen zumindest erste Hinweise.
Bei INSA fällt die Union um einen Punkt, die Grünen steigen um einen
1. INSA hat am Dienstag, den 20.04.2021 gleich zwei Umfrageergebnisse veröffentlicht:
- zuerst die Ergebnisse einer Erhebung vom Freitag, den 16.04., bis zum Montag, den 19.04., bei der 3.057 Personen befragt wurden, dann
- eine zweite Erhebung vom Dienstag, den 20.04.2021, bei der 1.000 Personen befragt wurden.
In der zweiten Erhebung vom Dienstag stiegen die Grünen um einen Prozentpunkt (entspricht ca. 450.000 bis 500.000 Wählern), CDU/CSU fielen dagegen um einen Punkt. Alles andere war unverändert.
Bei Civey sehen wir die gleiche Richtung: Grüne steigen, CDU/CSU fallen
2. Der SPIEGEL veröffentlicht gestern Abend eine Erhebung von Civey, die sich allerdings über eine ganze Woche erstreckte, vom Mittwoch, den 14.04., bis zum Mittwoch, den 21.04.2021, mit 10.064 Befragten. Hier fiel die Union ebenfalls um einen Punkt von 30 auf 29, die Grünen stiegen dagegen sogar um zwei Prozentpunkte gegenüber den Ergebnissen vom 07.04. bis zum 14.04.2021, von 23 auf 25 Prozent.
Diese Erhebung von Civey war zu den Zeitpunkten, als die Grünen Annalena Baerbock zur Kanzlerkandidatin nominierten (Montag, 19.04.2021, um 11 Uhr) und als sich der CDU-Bundesvorstand für Armin Laschet entschied (Nacht vom Montag auf Dienstag, 20.04.2021, um 00:30 Uhr) also schon fünf bis sechs Tage im Gange, so dass die Ergebnisse die Veränderungen von Sonntag auf Dienstag nicht genau widerspiegeln. Allerdings sieht man auch hier schon ähnlich wie bei INSA die gleiche Bewegung: Die Grünen gehen hoch, CDU/CSU gehen runter.
Betrachten wir die Ergebnisse von heute Vormittag 11 Uhr (Erhebung vom 15.04. bis 22.04.2021) so nimmt diese Tendenz nochmals deutlich zu. CDU/CSU sind nun bereits 2,4 Punkte gefallen, die Grünen um 3,8 Punkte gestiegen, wobei hier sogar noch Befragungen mit drin sind vom 15. April.

Civey-Screenshot
Bei Forsa fällt die Union um 7 Punkte, die Grünen steigen um 5 Punkte
3. Außerdem hat Forsa gleich am Montag und Dienstag für den RTL/ntv-Trendbarometer eine neue Erhebung durchgeführt. Forsa veröffentlichte wie INSA am Dienstag gleich zwei Umfragen.
- Einmal die Ergebnisse einer Erhebung vom Dienstag, den 13.04., bis zum Freitag, den 16.04.2021 mit 2.003 Befragten, dann
- zum Zweiten eine Erhebung von Montag und Dienstag, den 19.04. und 20.04.2021, mit 1.502 Befragten.
Hier kann man also genau den Unterschied vorher – nachher sehen. Und dieser sieht wie folgt aus:

ntv-Screenshot
CDU/CSU fallen hier innerhalb weniger Tage um 7 Punkte auf 21 Prozent (verlieren ca. 3,3 Millionen Anhänger), während die Grünen um 5 Punkte steigen auf 28 Prozent (gewinnen ca. 2,3 bis 2,4 Millionen Anhänger).
54 Prozent halten Baerbock für eine gute Entscheidung und 35 Prozent glauben, dass dies die Wahlchancen der Grünen nochmals verbessert
Außerdem befragte Forsa am Dienstag, den 20. April, 1.502 Bürger zu den Personalentscheidungen bei Union und Grünen. Zum Einen wurde gefragt, wie man die Wahlchancen der Grünen mit Annalena Baerbock sehe, ob diese sich mit ihr als Spitzenkandidatin verbessert oder verschlechtert hätten. Das Ergebnis war eindeutig. 35 Prozent meinen, die Wahlchancen seien dadurch besser geworden, während nur 13 Prozent glauben, die Chancen hätten sich dadurch verschlechtert:

ntv-Screenshot
Insgesamt gaben 54 Prozent an, Baerbock für eine gute Entscheidung zu halten. Dabei fällt das Votum im Westen mit 56 Prozent deutlich höher aus als im Osten mit 41 Prozent. Außer den AfD-Anhängern beurteilen die Sympathisanten aller anderen Parteien die Entscheidung mehrheitlich als gut, so ntv.
63 Prozent der Deutschen, 67 Prozent der CDU- und 90 Prozent der CSU-Anhänger sehen die Siegchancen mit Laschet schwinden
Ganz anders das Bild bei Armin Laschet. Hier sehen gerade mal 9 Prozent steigende Wahlchancen für die Union mit diesem Kanzlerkandidaten, während 63 Prozent sagen: Mit Laschet verschlechtern sich die Chancen von CDU/CSU. Bei den CDU-Anhängern sind es sogar mehr als zwei von drei (67 Prozent), die mit Laschet die Siegchancen schwinden sehen, und bei den CSU-Anhängern gar 90 Prozent.

ntv-Screenshot
Dass der Zuspruch für den ungeliebten Partei-Apparatschik Laschet in den kommenden fünf Monaten bis zur Wahl noch anwächsen könnte, glauben nur jeder Sechste (17 Prozent). Mehr als drei Viertel der Befragten glauben dies nicht – im Osten sind sogar 88 Prozent dieser Auffassung.
32 Prozent wünschen sich Baerbock als Bundeskanzlerin, nur 15 Prozent Laschet
Und wenn die Bürger den Kanzler direkt wählen könnten, sähe das Ergebnis laut Forsa etwa so aus (in Klammern Veränderungen zur Vorwoche):
- Annalena Baerbock (Grüne): 32 % (+6)
- Olaf Scholz (SPD): 15 % (-2)
- Armin Laschet: 15 % (-4)

ntv-Screenshot
Laut Civey würden sogar nur 11 Prozent Laschet wählen
Civey kommt für den SPIEGEL zu ähnlichen Ergebnissen, wobei Laschet hier sogar noch schlechter abschneidet:

SPIEGEL-Screenshot
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