Von Jürgen Fritz, Di. 15. Feb 2022, Titelbild: © JFB
Zwanzig Wochen sind seit der Bundestagswahl vergangen. Seit zehn Wochen ist die neue Bundesregierung, die sich aus den drei Parteien SPD, Grüne und FDP zusammensetzt, im Amt. Auf 52 Prozent der gültigen Zweitstimmen kam die Ampelkoalition bei der Wahl. Doch wie sieht es heute aus?
Die Bundestagswahl und die Wochen und Monate danach
Die größte Enttäuschung erlebte am Abend des 26. September bzw. am Morgen des 27.09.2021 die CDU/CSU. Die Union verlor gegenüber der Bundestagswahl 2017 fast 9 Punkte und fiel auf gut 24 Prozent. Damit fiel sie hinter die SPD zurück, die auf 25,7 Prozent deutlich zulegen konnte. Auch Die Grünen konnten um mehr als 5, ja sogar fast 6 Punkte zulegen, wenngleich das deutlich weniger war, als sie selbst und ihre Anhänger das wenige Monate vor der Wahl noch erwartet hatten, als die Partei zeitweise bei 26 Prozent lag.
Erfreulich war das Ergebnis auch für die FDP, die klar im zweistelligen Bereich landete. Weniger gut schnitt die AfD ab, die nur noch knapp über 10 Prozent lag. Ganz schwach schnitt Die Linke (umbenannte SED) ab, die völlig enttäuschend sogar unter 5 Prozent fiel. Da sie jedoch in drei Wahlkreisen das Direktmandat erringen konnte, zog sie gleichwohl in Fraktionsstärke mit 39 von 736 Sitzen (5,3 Prozent der Mandate) in den Deutschen Bundestag ein.

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Am 6. Oktober 2021 vereinbarten SPD, Grüne und FDP nach ersten Vorsondierungen weitere, vertiefte Sondierungsgespräche, die am 15. Oktober abgeschlossen wurden. Am 7. Dezember wurde der Koalitionsvertrag der Ampelkoalition unterzeichnet und am 8. Dezember 2021 wurde Olaf Scholz (SPD) im Deutschen Bundestag zum Bundeskanzler gewählt, er und die neuen Bundesminister vereidigt.
Die Union stürzte in den ersten Wochen nach der Bundestagswahl noch weiter ab auf ca. 19 Prozent im Oktober. Am 17. Dezember 2021 wurde bekannt gegebenen, dass die rund 400.000 CDU-Mitglieder in einer Mitgliederbefragung sich gleich im ersten Wahlgang mit 62,1 Prozent, also einer klaren absoluten Mehrheit für Friedrich Merz als neuen Bundesvorsitzenden ausgesprochen hatten. Norbert Röttgen erhielt 25,8 Prozent und Helge Braun 12,1 Prozent der Stimmen. Am 22. Januar 2022 bestätigten 1.001 CDU-Delegierte auf dem Parteitag das Mitgliedervotum und wählten Merz mit fast 95 Prozent der Delegiertenstimmen zum neuen CDU-Vorsitzenden. Heute wird ihn die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wohl auch zum neuen Fraktionsvorsitzenden im Deutschen Bundestag wählen und damit zum direkten Gegenspieler von Scholz im Parlament.
In den Wähler-Umfragen hat sich die Union in den letzten Monaten bereits recht gut erholt von der Wahlschlappe und dem anschließenden Absturz auf unter 20 Prozent und steht zum Stand heute bei 26 bis 27 Prozent, damit 3 bis 4 Punkte vor der SPD wieder auf Platz eins. Die SPD war bis Anfang Oktober sogar auf 28 Prozent gestiegen, steht nun aber unter 23 Prozent. Bei den Grünen hat sich seit dem 26. September wenig getan, sie liegen immer bei ca. 15 bis 16 Prozent. Einen kleinen Absturz erlebt dagegen die FDP, die anfangs, bis Oktober auf fast 15 Prozent stieg, nun aber unter 10 Prozent fiel. Erstaunlich stabil zeigt sich dagegen die AfD, die durchgehend im zweistelligen Bereich bleibt und trotz des Parteiaustritts ihres ersten Bundesvorsitzenden Prof. Dr. Jörg Meuthen sogar auf über 11 Prozent steigt. Und zulegen kann auch die vielfach umbenannte SED „Die Linke“, die von knapp 5 auf nun über 6 Prozent zulegen kann.
So würde Deutschland heute wählen
Angegeben ist für jede Partei der Wahl-O-Matrix-Mittelwert aller Institute, die – bezogen auf den mittleren Tag der Befragung – in den letzten drei Wochen repräsentative Erhebungen durchführten. Aktuell liegen zehn Umfragen von neun verschiedenen großen Meinungsforschungsinstituten vor, die diese Kriterien erfüllen. INSA veröffentlicht inzwischen jede Woche zwei verschiedene Erhebungen, einmal eine reine Online-Befragung von ca 2.000 bis 2.200 Personen und einmal eine Mix–Befragung per Telefon und per Online-Panel von ca. 1.200 bis 1.500 Personen. Aufgeführt ist für jede Partei der niedrigste und der höchste Wert dieser zehn einbezogenen Befragungen (immer nur die aktuellste) sowie fettgedruckt das arithmetische Wahl-O-Matrix-Mittel aller zehn Werte.
- CDU/CSU: 24 – 28 % ==> 26,3 %
- SPD: 21 – 25 % ==> 22,9 %
- GRÜNE: 14,8 – 19 % ==> 16,0 %
- AfD: 9 – 12 % ==> 11,3 %
- FDP: 8 – 12 % ==> 9,7 %
- LINKE: 5 – 8 % ==> 6,2 %
- Sonstige: 6 – 10 % ==> 7,6 %
SPD, Grüne und FDP kämen demnach heute nicht mehr auf 52, sondern nur noch 48,6 Prozent. Dabei können sich die Grünen in den letzten Monaten sogar ganz leicht verbessern, die FDP und noch mehr die SPD haben aber vor allem seit Ende Dezember deutlich verloren. Am 17. Dezember 2021 wurde bekanntgegeben, dass die CDU-Mitglieder sich mit großer Mehrheit für Friedrich Merz als neuen Parteivorsitzenden ausgesprochen hatten.

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Erläuterung: Diese Werte sind so zu verstehen, dass es für jede Partei bzw. für jede Bundestagsfraktion ein Fenster gibt, innerhalb dessen sie derzeit mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit läge. Die aufgeführten Zahlen stellen die Mitte dieses Fensters dar. Kleine Abweichungen von dieser Fenster-Mitte von ein bis zwei Prozent sind also jeweils in beide Richtungen möglich, bei größeren Parteien auch drei Prozent oder etwas mehr, wobei die Wahrscheinlichkeit, je weiter man sich von der Mitte des Fensters weg bewegt, immer mehr abnimmt und zwar drastisch. Abweichungen von deutlich über fünf oder gar zehn Prozent sind daher nahezu ausgeschlossen. Dies läge weit außerhalb des Fensters.
Dabei sind diese Angaben selbstverständlich keine Zukunftsprognosen, wie die Wähler in einigen Monaten oder Jahren votieren werden, sondern wie sie heute votieren würden (empirische Erfassung der Gegenwart).
Die Erhebungen dieser Institute wurden von Wahl-O-Matrix für die Gesamtübersicht ausgewertet
Die zehn Umfragen, welche ausgewertet wurden, waren (Kriterium 1: bezogen auf den mittleren Tag der Befragung nicht älter als drei Wochen, Kriterium 2: von jedem Institut immer nur die jeweils aktuellste, sofern nicht verschiedene Erhebungsmethoden vorlagen, ansonsten von jeder Erhebungsmethode die jeweils aktuellste):
- Infratest dimap (ARD-DeutschlandTrend), mittlerer Tag der Befragung: 01.02.2022, Mix–Befragung per Telefon und per Online-Panel von 1.339 Personen,
- Wahlkreisprognose, mittlerer Tag der Befragung: 02.02.2022, Befragung von 2.330 Personen via Online Panel,
- Ipsos, mittlerer Tag der Befragung: 04.02.2022, Mix–Befragung per Telefon und per Online-Panel von 910 Personen,
- Kantar/Emnid (FOCUS), mittlerer Tag der Befragung: 04./05.02.2022, telefonische Befragung von 1.287 zufällig ausgewählten Personen,
- pollytix, mittlerer Tag der Befragung: 06.02.2022, repräsentative Online-Befragung von 1.547 Personen,
- Civey vom 15.02.2022 um 14:00 Uhr (siehe Bild unten), mittlerer Tag der Befragung: 08.02.2022, netzwerkbasierte Panel-Rekrutierung + Teilnehmerverifizierung + quotierte Stichprobe unverzerrter Antworten + Echtzeitgewichtung, Stichprobe: 10.082 Befragte,
- Forschungsgruppe Wahlen (ZDF-Politbarometer), mittlerer Tag der Befragung: 09.02.2022, telefonische Befragung von 1.224 zufällig ausgewählten Personen,
- INSA (BILD am Sonntag), mittlerer Tag der Befragung: 09.02.2022, Mix–Befragung per Telefon und per Online-Panel von 1.504 Personen,
- Forsa (RTL/ntv-Trendbarometer), mittlerer Tag der Befragung: 11.02.2022, telefonische Befragung von 2.504 zufällig ausgewählten Personen,
- INSA (BILD), mittlerer Tag der Befragung: 12./13.02.2022, internetbasierte Befragung von 2.241 gezielt ausgewählten Mitgliedern einer Personengruppe (Befragten-Pool).
Wahl-O-Matrix, Deutschlands führendes Meta-Analyse-Tool (von JFB gegründet), das mit seiner Prognose bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg, wie auch schon bei der NRW-Wahl, mit 0,76 Prozent mittlerer Abweichung erneut näher am Ergebnis lag als sämtliche Umfrageinstitute (in Rheinland-Pfalz am drittnächsten, bei der EU-Wahl ebenfalls am drittnächsten und bei der Bundestagswahl 2017 am zweitnächsten und bei der Bundestagswahl 2021 zusammen mit Allensbach am nächsten von allen) hat damit eine sehr breite Datenbasis von insgesamt 24.855 Befragten.
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