CDU erringt in Schleswig-Holstein fast die absolute Mehrheit, SPD fällt weit unter historisches Tief

Von Jürgen Fritz, Mo. 09. Mai 2022, Titelbild: © JFB

In Schleswig-Holstein gab es gestern erdrutschartige Verschiebungen im politischen Spektrum. Die CDU kann 11,4 Punkte zulegen auf 43,4 Prozent und erzielt ihr bestes Landesergebnis seit fast 40 Jahren. Ihr fehlt nur ein Sitz zur absoluten Mehrheit. Die SPD fällt nicht nur erstmals unter 25, sondern sogar weit unter 20 Prozent. Sie verliert mehr als vier von zehn Wählern. Doch das ist noch nicht alles.

Die CDU erzielt ihr bestes Ergebnis seit fast 40 Jahren, ihr fehlt nur ein Sitz zur Alleinregierung

Dass die CDU mit ihrem Ministerpräsidenten Daniel Günther in Schleswig-Holstein ein sehr gutes Ergebnis erzielen würde, war klar. Mit ca. 38 Prozent oder sogar leicht darüber war gerechnet worden. Die Wahl-O-Matrix-Prognose vom Samstag sah sie bei 38,2 Prozent. Das wäre bereits ein Plus von mehr als 6 Punkten gewesen. Doch es wurde noch sehr viel mehr. Die CDU stieg von 32 auf sage und schreibe 43,4 Prozent, konnte also 11,4 Punkte zulegen. Damit fehlt der CDU, die bislang zusammen mit den Grünen und der FDP in einer Jamaika-Koalition regierte, nur ein einziger Sitz im Kieler Landtag für eine absolute Mehrheit und damit eine mögliche Alleinregierung. Dies ist gleichsam das beste Ergebnis in Schleswig-Holstein seit 1983, also seit fast 40 Jahren.

Die SPD fällt auf ein einmaliges historisches Tief, verliert mehr als vier von zehn ihrer Wähler

Ganz anders das Bild der SPD. Diese erlebt dramatische Verluste von 11,3 Punkten. Sie fällt nicht nur erstmals in der Landesgeschichte seit 1947 auf unter 25 Prozent, sie fällt sogar weit unter 20 Prozent und fällt mit nur 16,0 Prozent auch hinter Die Grünen zurück.

Zum Vergleich: 1988 kam die SPD in Schleswig-Holstein noch auf fast 55 Prozent. Davon hatte sie bis 2017 bereits mehr als die Hälfte verloren. Und nun verliert sie gegenüber 2017 nochmals mehr als vier von zehn Wählern.

Die Grünen auf einem neuen Allzeithoch, die FDP verliert vier von neun ihrer Wähler

Deutlich zulegen können dagegen Die Grünen, die mit 18,3 Prozent auf ihr bestes jemals erzieltes Ergebnis kommen in Schleswig-Holstein. Sie können gegenüber 2017 um mehr als 5 Punkte zulegen und sind damit klar vor der SPD auf Platz zwei. Das war nicht unbedingt zu erwarten gewesen.

Sehr enttäuschend fiel der gestrige Wahlabend neben der SPD auch für die FDP aus. Diese wollte ihr 2017-Ergebnis von 11,5 Prozent eigentlich steigern. Ganz anderes aber geschah: Die FDP verliert vier von neun Wählern und fällt auf 6,4 Prozent zurück. So schlecht war die FDP in Schleswig-Holstein mehr als ein viertel Jahrhundert nicht.

Der SSW erzielt sein bestes Ergebnis seit 1947, die AfD fliegt erstmals aus einem deutschen Landtag wieder raus

Ganz anders der Südschleswigsche Wählerverband (SSW), der mit 5,7 Prozent sein bestes Ergebnis seit 1947 erzielt und damit sogar die AfD überholt. Diese fällt nicht nur von 5,9 auf 4,4 Prozent, sie fällt auch erstmals aus einem deutschen Landtag wieder heraus. Und „Die Linke“ (SED) hatte in Schleswig-Holstein nicht nur keine Chance, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen, sie fiel sogar unter 3 Prozent zurück – das war erwartet worden -, ja sogar unter 2 auf 1,7 Prozent.

So hat Schleswig-Holstein gewählt

Hier das Ganze im Überblick:

  1. CDU: 43,4 %
  2. Grüne: 18,3 %
  3. SPD: 16,0 %
  4. FDP: 6,4 %
  5. SSW: 5,7 %
  6. AfD: 4,4 %
  7. Die Linke: 1,7 %
  8. Sonstige: 4,2 %
Vorläufiges Ergebnis

(c) JFB

Gewinne und Verluste

Hier die Gewinne und Verluste gegenüber der Landtagswahl 2017 (in Prozentpunkten):

  1. CDU: +11,4
  2. Grüne: +5,4
  3. SSW: +2,4
  4. Sonstige: +0,7
  5. AfD: −1,5
  6. Die Linke: −2,1
  7. FDP: −5,1
  8. SPD: −11,3

Neue Sitzverteilung im Kieler Landtag: AfD draußen, Die Linke erneut nicht drin, CDU hat fast die Hälfte aller Sitze

Die Sitzverteilung im Schleswig-Holsteiner Landesparlament verändert sich damit vollkommen. Der Landtag in Kiel wird zukünftig wohl nur noch 69 Sitze haben, die sich wie folgt verteilen:

  1. CDU: 34
  2. Grüne: 14
  3. SPD: 12
  4. FDP: 5
  5. SSW: 4

Die AfD ist ab nun draußen und „Die Linke“ (SED) erneut nicht drin.

Sitzverteilung

Wikipedia

Regierungsbildung: Die CDU kann sich aussuchen, wen sie will

Daniel Günther als CDU-Landeschef, -Spitzenkandidat und amtierender und wohl auch neuer Ministerpräsident hat damit freie Auswahl. Da nur ein einziger Sitz zur Mehrheit im Parlament fehlt, kann die CDU sich aussuchen, mit wem zusammen sie die neue Landesregierung bilden will.

Wahrscheinlich dürfte die Entscheidung hier zwischen den Grünen, dem zweiten großen Wahlgewinner, und der FDP fallen, die Günther beide immer wieder lobte und für die gute Zusammenarbeit in der bisherigen Jamaika-Koalition hervorhob.

Bundespolitische Bedeutung

Dieser überragende Sieg der CDU ist zunächst einmal natürlich primär ein schleswig-holsteinisches Landesergebnis, das auch sehr viel mit dem Ministerpräsidenten Günther zu tun hat, den sich rund zwei von drei Wahlberechtigten auch als neuen Regierungschef wünschten. Darüber hinaus wird dies aber sicherlich auch der Bundes-CDU und ihrem neuen Vorsitzenden Friedrich Merz Auftrieb geben, während das katastrophale Ergebnis der SPD auch der Bundes-SPD mit ihren beiden Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil und natürlich dem SPD-Kanzler Olaf Scholz einen herben Dämpfer versetzen wird.

Genau das könnte auch Auswirkungen auf die wichtige Landtagswahl in NRW am kommenden Sonntag haben, bei der die CDU bislang knapp vor der SPD lag. Sollte dieser Schub aus Schleswig-Holstein nach Nordrhein-Westfalen überschwappen, so könnte dieser Vorsprung womöglich deutlich ausgebaut werden.

Ähnliches gilt für Die Grünen, die in NRW enorm im Aufwind ist, und die FDP, der auch im bevölkerungsreichsten Bundesland herbe Verluste drohen. Und sowohl AfD als auch „Die Linke“ muss auch in NRW mit Verlusten rechnen, wobei die SED-Nachfolgerin auch in NRW keinerlei Chance haben dürfte, in den Landtag einzuziehen.

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