Woran das Abendland zugrunde gehen wird: dass wir die Aufklärung nicht zu Ende führten

Von Jürgen Fritz, So. 17. Nov 2019, Titelbild: Pixabay, CC0 Public Domain

Es mag noch immer eine klare Minderheit sein, aber es werden immer mehr Menschen, die es regelrecht spüren, mache auch schon ganz klar sehen und erkennen: das Abendland wird untergehen. Zumindest ist die Gefahr, dass dies passieren wird, dass das Beste, was dieser Planet je hervorbrachte, sich selbst quasi zu Tode stranguliert, nicht nur gegeben, sondern förmlich mit den Händen greifbar. Doch wie konnte es so weit kommen? Was steckt dahinter respektive was steckt im innersten Kern der Problematik? Was ist der Grundfehler, an dem wir zu Grunde zu gehen drohen? Hier die vielleicht beste Erklärung.

Unser Grundfehler war: wir haben die Aufklärung nicht zu Ende geführt, sind auf halbem Wege stehen geblieben

Hätten wir Aufklärer unser Projekt durchgezogen und die Menschen konsequent über das Christentum und überhaupt alle monotheistischen und sonstigen spekulativen Weltanschauungen vollumfänglich aufgeklärt, all die Unwahrheiten, Verdrehungen, Verfälschungen, Lügen und Widersprüche jahrhundertelang in sämtlichen Schulen gelehrt, ferner gezeigt, was Christen mehr als 1500 Jahre angerichtet haben, nicht nur in der Spätantike, sobald sie zu Beginn des 4. Jahrhunderts nach ihrem Deal mit dem römischen Kaiser Konstantin (charakterlich ein furchtbarer Mensch) selbst Macht hatten, und im gesamten Mittelalter (rund tausend Jahre), sondern auch noch weit nach 1500, im Europa der frühen Neuzeit, Stichwort: Dreißigjähriger Krieg von 1618 bis 1648, in dem sich nicht nur, aber auch Katholiken und Protestanten bis aufs Blut bekämpften, ja sogar bis weit ins 18. Jahrhundert hinein (Stichwort: Inquisition, Folter und „Hexen“-Verbrennungen bei lebendigem Leib), hätten wir konsequent aufgezeigt, wie viele Millionen Menschen die Christenheit massakriert, gefoltert, lebendig verbrannt hat, so dass jeder anständige Mensch sofort zusammenzuckte, wenn er nur das Wort „Christentum“ hörte, hätten wir außerdem klar gemacht, dass es die Aufklärung war, die dies scheußliche Schauspiel beendete und die Christen läuterte, hätten dann in den letzten Jahrzehnten klar gemacht, dass der Islam genauso eine christliche Sekte ist, die sich selbstständig machte, wie das Christentum eine jüdische Sekte war, die den Spin-off machte, der Islam aber die Läuterung durch die Aufklärung nie erlebte, dann würden heute hunderte Millionen Europäer bei dem Wort „Islam“ genauso zusammenzucken wie bei dem Wort „Christentum“, ja sogar noch mehr, wenn wir auch über diese metaphysisch spekulative, totalitäre Weltanschauung konsequent und ehrlich aufgeklärt hätten, ohne Rücksicht zu nehmen auf alle möglichen Befindlichkeiten und „religiösen Gefühle“.

Hätten wir all das getan, dann hätten wir heute in Europa zumindest in einer ausreichend großen Zahl – alle erreicht man ja nie – derart aufgeklärte, mündige Bürger, dass diese nicht meinen würden: „Oh, wir bekommen jetzt neue Menschen geschenkt“, (diejenige, die so meint, ist übrigens eine abgebrochene grüne Theologiestudentin, die in der evangelischen Kirche höchste Positionen bekleidet), sondern denken würden:

„Ach du meine Güte! Jetzt kommen die unaufgeklärten Christen unter neuem Namen wieder zurück und teilweise sogar noch schlimmere als die früheren, die wir nach etlichen Jahrhunderten mühsam halbwegs zivilisiert haben!“

All das ist nicht geschehen. Die Aufklärung ist auf halbem Wege stehen geblieben. Sie hat nur halbe Sache gemacht. Das, so meine These, ist der Grundfehler an dem wir – unsere Kultur, das Abendland – nun zu Grunde gehen werden. Wir haben die Aufklärung nicht zu Ende geführt.

Die Menschen sind nicht mit solch irren Vorstellungen zur Welt gekommen, man impft sie ihnen vielmehr förmlich ein

Parallel dazu hätten wir für alle Kinder von der Vorschule bis zu den Studenten und Doktoranden Moralphilosophie (Ethik) als obligatorisches Hauptfach neben Deutsch und Mathematik in der Schule und als verpflichtendes Nebenfach für jeden Hochschulabsolventen einführen müssen. (Auch das dürften vor allem die christlichen Kirchen gezielt verhindert haben, da sie ihr Moralmonopol sichern wollten.) Denn ohne Moralität kann jegliches Wissen und Können immer so, aber auch so eingesetzt werden, siehe die sprengstoffgläubigen Bombenbastler, die an unseren Hochschulen Physik und Chemie studieren, um dann Sprengkörper zu basteln, die sie gegen uns Aufgeklärte, die sie als „Ungläubige“ denunzieren, einsetzen, in der Vorstellung, dann kämen sie als „Märtyrer“ direkt ins Paradies.

Mit dieser irren Vorstellung sind diese Menschen aber nicht zur Welt gekommen. Man hat ihnen solche Vorstellungen meist von klein auf eingeimpft. Und „man“ bedeutet hier ganz konkret: Anhänger von Weltanschauungen, die genau wie das Judentum und das Christentum auf monotheistischen, metaphysischen Spekulationen aufbauen, die sie den kleinen wehrlosen Kindern als „Wahrheit“ verkaufen, die nicht angezweifelt werden darf, manchmal sogar regelrecht mit Schlägen einbläuen. Das haben bis vor einigen Jahrzehnten auch noch christliche Pfarrer mit den Kindern bei uns gemacht und in islamisch dominierten Gesellschaften dürfte das weltweit noch immer gang und gäbe sein.

Ethik gehört zur Aufklärung dazu – eine Aufklärung ohne praktische Vernunft ist nur eine halbe solche

Meine These lautet ferner: Ethik, also Moralphilosophie, also die Reflexion über Moral – welche etwas mit dem macht, der jede Woche mehrere Stunden über solche Fragen systematisch nachdenkt und lernt, praktisch vernünftig zu denken – gehört zur Aufklärung dazu.

Der erste ganz große Aufklärer in der Menschheitsgeschichte war Sokrates (470 – 399 v. Chr.). Dieser war aber kein Mathematiker oder Naturforscher, auch kein Naturphilosoph oder Metaphysiker, wie Thales von Milet, Anaximander und Anaximenes von Milet, Heraklit von Ephesos, Pythagoras von Samos, Xenophanes von Kolophon, Parmenides von Elea, Empedokles von Akragas, Anaxagoras von Klazomenai oder wie die Atomisten Leukippos von Milet und Demokritos von Abdera.

Sokrates war überhaupt kein theoretischer Philosoph, sondern ein praktischer solcher. Er holte, wie Cicero es später einmal formulierte, die Philosophie vom Himmel auf die Erde herab. Dem Sokrates ging es nicht wie den Naturphilosophen und Metaphysikern um die Deutung der Wirklichkeit im Ganzen, was durchaus ein sehr ehrenwertes Ansinnen ist, aber nicht die ganze Philosophie ist, sondern nur ein Teil von ihr. Sokrates ging es dagegen um die Grundsätze der Lebensführung und darüber Rechenschaft geben zu können.

Lernen, selbstständig zu denken, Vorgegebenes sorgsam und kritisch zu prüfen und danach zu streben, ein guter Mensch zu sein

Damit wurde Sokrates zum Begründer der philosophischen Ethik. Hierbei vermittelte er weniger eine fertige Lehre, sondern lehrte seine Schüler etwas anderes wie kein Mensch vor ihm: selbstständig zu denken, Vorgegebenes zu hinterfragen und sorgsam zu prüfen, was von diesem Gegebenen und Vorgeschlagenen einer solchen kritischen Prüfung standhält. Wie gefährlich selbstständig denkende Menschen sind, erkennen wir daran, was selbst die Athener, die wohl gebildetsten Menschen der Welt jener Zeit, mit Sokrates machten. Sie stellen ihn wegen „Gotteslästerung“ und „Verführung der Jugend“ vor Gericht und verurteilten ihn zum Tode.

Aufklärer lebten also schon immer gefährlich, weil sie den Mächtigen, die keine selbstständig denkenden Menschen haben möchten, welche Vorgegebenes sorgsam überprüfen, meist ein Dorn im Auge sind. Die neuzeitliche Philosophie machte aber den Fehler, den Bereich zu sehr auszuklammern, den Sokrates, Platon, Aristoteles, die Stoiker, die Epikureer und andere mit abdeckten, ja teilweise sogar ins Zentrum ihres Philosophierens rückten: die praktische Lebensführung und die darauf abzielende praktische Vernunft, die danach fragt, wie wir leben sollen, wenn wir ein gutes Leben führen, wenn wir ein guter Mensch sein wollen.

So wurde die Aufklärung quasi halbiert und die Praxis wurde religiösen Quacksalbern, Esoterikern und anderen Rattenfängern überlassen, denen es meist auch, wenn nicht sogar primär darum geht, den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen oder sie subtil zu lenken und zu manipulieren, dabei vor allem die eigene Machtposition zu festigen und auszubauen.

Die Furcht vor der Aufklärung

Was dann die beiden Vordenker der Neuen Linken, Horkheimer und Adorno, fabrizierten und 1944 unter dem Titel „Dialektik der Aufklärung“ herausbrachten, war nur noch ein Zerrbild der Vernunft und der Aufklärung, in dem das gesamte abendländische, das heißt griechisch-hellenistische Denken unterminiert werden sollte.

Die Vernunft wurde von diesen beiden neulinken Schurken geviertelt, indem sie die auf Erkenntnis um der Erkenntnis willen, die auf Einsicht abzielende theoretische Vernunft weitgehend ausblendeten und die auf das Handeln und die Lebenspraxis abzielende praktische Vernunft um die philosophische Dimension der reflektierenden Vernunft, die ganz sokratisch danach fragt, ob ein angestrebtes Ziel wirklich ein gutes, ob die Handlung, ja die gesamte Lebensführung eine gute ist, vollkommen weg schnitt, so dass nur noch eine „instrumentelle Vernunft“ übrig blieb, wie es Horkheimer und Adorno nannten, die nur noch danach fragt: Wie kann ein vorgegebenes praktisches Ziel, das nicht kritisch geprüft wird, am effizientesten erreicht werden?

Was also all diese, Christentum, Islam und Neue Linke verbindet (westliches und islamisches Großkapital wäre wohl noch mit zu nennen, denn auch dieses mag keine mündigen, reflektierten, selbstständig denkenden und kritischen Bürger respektive Konsumenten), ist die Furcht vor der Aufklärung. Warum alle diese die Aufklärung fürchten, dürfte klar sein.

Der Islam soll die Aufklärung wieder aus der westlichen Welt hinaustreiben

Und jetzt verstehen Sie vielleicht auch, warum die christlichen Offiziere und Generäle mit dem Islam paktieren. Das einfache Fußvolk, zumal das christlich (oder islamisch) indoktrinierte, versteht sowieso nie, was eigentlich gespielt wird. Die christliche Heeresleitung aber will das unaufgeklärte Christentum zurück (der Islam ist im Grunde ein arabische Abart des Christentums), denn die größte Gefahr für all ihre Unwahrheiten, für all ihre Verdrehungen und Vertuschungen, für alle ihre Verbrechen, für all ihre fehlerhaften Vorstellungen von der Welt ist natürlich die Aufklärung. Nichts fürchtet der Unwahrhaftige mehr als die Aufdeckung seiner Unwahrhaftigkeiten, weil ihm das jegliche Autorität und jeglichen Respekt raubt.

Der Islam aber hat das Zeug dazu, das zu tun, wozu das durch die Schläge der modernen Naturwissenschaften und der modernen Philosophie an Impotenz leidende Christentum schon lange nicht mehr fähig ist: die Aufklärung wieder aus Europa respektive der westlichen Welt hinaus zu treiben. Und die feineren Geister haben es längst bemerkt: Er ist schon längst dabei (hier eines von unzähligen Beispielen). Doch das ist nur der Anfang des Anfangs einer Entwicklung, wie die meisten, die in einer aufgeklärten Welt groß geworden sind, ohne gelernt zu haben, sie wirklich zu schätzen und zu lieben, sich wohl nicht einmal ansatzweise vorzustellen vermögen.

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