Leidet Beate Bahner unter Verfolgungs- und Größenwahn?

Von Jürgen Fritz, Di. 14. Apr 2020, Titelbild: YouTube-Screenshot

Die Gemeinde der Verschwörungsgläubigen und Corona-Skeptiker hat eine neue Heldin, ja eine neue Märtyrerin. Die Heidelberger Rechtsanwältin Beate Bahner übertrumpft nun sogar noch den 73-jährigen Arzt und SPD-Politiker Wolfgang Wodarg. Frau Bahner wollte die Corona-Verordnung, ihrer Auffassung nach „eklatant verfassungswidrig“, vors Bundesverfassungsgericht bringen, dort kippen, fühlte sich von Staat und Polizei „unschuldig verfolgt“, wollte ihr Recht auf freiwillige Selbstansteckung geltend machen und rief alle 83 Millionen Mitbürger zum Widerstand nach Art. 20 (IV) GG sowie am Ostersamstag zu friedlichen Massendemonstrationen auf. Inzwischen wurde sie in die Psychiatrie verbracht. Doch der Reihe nach. So fing alles an.

Normenkontrollklage gegen die Corona-Verordnung Baden-Württemberg

Es gibt Menschen, die bestreiten die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als legitimem und souveränem Staat. Daher lehnen sie auch die gesamte Rechtsordnung, vom Grundgesetz über die Gesetze bis hin zu Verordnungen alles ab, weil ein Staat, den es gar nicht gibt, ja auch keine Verfassung haben und keine Gesetze und Verordnungen beschließen und erlassen kann. Folglich weigern sie sich bisweilen auch, Steuern und Bußgelder zu zahlen, Gerichtsbeschlüsse und Verwaltungsentscheidungen zu befolgen. Diese Personen, die das glauben, bezeichnet man gemeinhin als Reichsbürger. Denn sie berufen sich darauf, dass das Deutsche Reich weiterhin fortbestehe, entweder in den Grenzen des Deutschen Kaiserreichs oder in denen von 1937.

Reichsbürger, die eine Untergruppe der Verschwörungsgläubigen bilden, lehnen oftmals die parlamentarische Demokratie ab, ebenso eine (geistig) offene, pluralistische Gesellschaft. Ein Teil von ihnen ist dem Rechtsextremismus zuzurechnen, viele betreiben Geschichtsrevisionismus, teilweise verbunden mit Antijudaismus (Judenhass) und der Leugnung des Holocausts, dem deutschen Massenmord von Millionen Juden. Deutschland, so meinen sie, werde durch eine „kommissarische Reichsregierung“ oder Ähnliches vertreten. Das Bundesamt für Verfassungsschutz rechnete 2018 dem Spektrum mehr als 19.000 Personen zu, davon ca. fünf Prozent (950 Personen) zugleich der rechtsextremistischen Szene.

Eine Reichsbürgerin ist die Fachanwältin für Medizinrecht Beate Bahner nicht, denn sie streitet nicht die Existenz der Bundesrepublik und die Legitimität der deutschen Gerichte ab, vor denen sie ja als Anwältin regelmäßig auftritt. Und doch gibt es da gewisse Parallelen. Am 3. April gab Frau Bahner eine Pressemitteilung heraus, in welcher sie eine Normenkontrollklage gegen die Corona-Verordnung Baden-Württemberg ankündigte. „Die Maßnahmen der Bundes und Landesregierung“ seien „eklatant verfassungswidrig“ und würden „in bisher nie gekanntem Ausmaß eine Vielzahl von Grundrechten der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland“ verletzen. Dies gelte „für alle Corona-Verordnungen der 16 Bundesländer.“ Die Maßnahmen wären „nicht durch das Infektionsschutzgesetz gerechtfertigt“, so Beate Bahner.

Völlig falsche Einschätzung der Gefahrenlage mit völlig falschen Letalitätsraten als Grundlage der Begründung

Ihre Begründung für die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen (Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen) lautet wie folgt: Die vorliegenden Zahlen und Statistiken würden zeigen, „dass die Corona-Infektion bei mehr als 95 Prozent der Bevölkerung harmlos verläuft (oder vermutlich sogar bereits verlaufen ist) und somit keine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit“ darstelle. Dringend in den Blick zu nehmen seien „demgegenüber die Risikogruppen der alten Menschen und der Menschen mit Vorerkrankungen (ca. 4,5 Prozent der Bevölkerung)“ Diese Menschen gelte es zu schützen, „etwa durch Schleusen vor den Altenheimen“ sowie „insbesondere durch eigenverantwortliche Schutzmaßnahmen dieser gefährdeten Menschen selbst in den Wochen der Epidemie“. 4,5 Prozent der Bevölkerung, das als kleine Anmerkung, entsprechen bei ca. 83 Millionen Menschen in Deutschland über 3,7 Millionen Menschen.

Sodann erklärt Beate Bahner in ihrer „Pressemitteilung“, dass sie bis zum Bundesverfassungsgericht gehen werde“, denn: „die von der Regierung getroffenen radikalen Maßnahmen“ seien „nicht gerechtfertigt“. Stattdessen sollten mehr Tests durchgeführt werden. Anmerkung: Wie das praktisch machbar sein soll, erläutert Frau Bahner freilich nicht und erwähnt auch nicht, dass kein Land der Erde das so zu bewerkstelligen imstande wäre, wie sie sich das vorstellt, nicht einmal höchst autoritäre Länder, die natürlich ganz andere Möglichkeiten haben.

Sodann behauptet sie, „der Anteil des tödlichen Verlaufs von Covid19″ wäre „von Experten mit lediglich 0,1 Prozent ermittelt“ worden, ohne hierfür irgendeine Quelle zu nennen, ja ohne auch nur einen Namen eines solchen „Experten“ anzugeben, der dies in einer Studie oder sonstwie ermittelt hätte. Selbst die Heinsberg-Studie, deren Ergebnisse noch nicht als gesichert gelten, kommt in einem ersten Zwischenbericht zu einer Letalität von 0,37 Prozent, also einem fast viermal so hohen Wert.

In einer Pressekonferenz der WHO gab der Vorsitzende einer joint Mission zur Untersuchung der Situation in China, Bruce Aylward, für Hubei eine case fatality rate (Anteil der Todesfälle an den infizierten Personen) zwischen 2 und 4 Prozent an; für Regionen abseits von Hubei 0,7 Prozent. Die Letalität, darauf deutet zumindest vieles nach aktueller Faktenlage hin, liegt also bei optimaler medizinischer Versorgung wohl eher bei 0,3 bis 0,7 und nicht bei 0,1 Prozent.

Und sobald die Versorgung der schweren Verläufe mit notwendiger Beatmung nicht mehr gegeben ist, weil zu viele auf einmal erkranken, so dass die Klinikkapazitäten nicht einmal mehr annähernd ausreichen, dann kann, so wird begründet befürchtet, die Letalität auf 2 bis 4 Prozent steigen. 2 bis 4 Prozent von 83 Millionen Menschen in Deutschland entsprechen aber 1,66 bis 3,32 Millionen. Selbst wenn bei einer Durchseuchung von 60 bis 70 Prozent die weitere Verbreitung des Virus zum Erliegen käme, so könnte dies im Extremfall (bei 65 Prozent Durchseuchung) zu 1,08 bis 2,16 Millionen Toten führen. Genau das ist die reale Gefahrenlage und genau das soll durch die verordneten Maßnahmen verhindert werden.

Die Corona-Verordnung sei „eklatant verfassungswidrig“

Doch zurück zu Frau Bahner. Der Shutdown würde „in gravierender Weise das verfassungsrechtliche Prinzip der Verhältnismäßigkeit und die verfassungsrechtliche Pflicht des Staates zum Schutze der Freiheitsrechte und der Gesundheit der Bürger“ verletzen, meint diese. Dieses Regierungshandeln zerstöre „sämtliche Prinzipien unserer Verfassung und unseres Rechtsstaats“. Daher forderte sie schon am 3. April: »Dieser Shutdown muss sofort beendet werden!«

Am 7. April, also heute vor einer Woche, legte Beate Bahner dann nach und schrieb: „Frau Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, in meiner Pressemitteilung vom 3. April 2020 hatte ich angekündigt, den Shutdown rechtlich überprüfen zu lassen. Ich will Ihnen mit dieser rechtlichen Stellungnahme darlegen, weshalb die Corona-Verordnungen aller 16 Bundesländer eklatant verfassungswidrig sind.“ Die rechtliche Überprüfung, die vornehmen lassen wollte, hat sie dabei offensichtlich gleich selbst übernommen, also quasi sich selbst beauftragt, ein Gutachten zu erstellen, wie es scheint.

„Die nachfolgende Begründung wird Sie – nach Ihrer Fassungslosigkeit und Schockstarre – umfassend in Ihrem Gefühl bestätigen, dass etwas sehr Fundamentales hier in unserem Land nicht mehr stimmt, und dass seit zwei Wochen etwas sehr Ungutes passiert“, schreibt die Juristin weiter. Die Corona-Verordnung der Landesregierung Baden-Württemberg sei zur angeblichen Verhinderung einer Ausbreitung des Covid19-Virus (Corona)“ erlassen worden. Diese beschränke „seit 14 Tagen für mehr als 11 Millionen Menschen in Baden Württemberg und – entsprechend der CoronaVerordnungen aller Bundesländer – für 83 Millionen Menschen in ganz Deutschland fast alle Grund- und Freiheitsrechte.“ 

Die Landesregierung Baden-Württemberg würde „den völligen Shutdown ihres eigenen Bundeslandes auf die angeblich große Gefahr für unsere Bevölkerung durch das Coronavirus“ stützen. Behauptet wirde der angebliche Zusammenbruch unseres deutschen Krankenhaussystems für den Fall der Beatmungspflicht von tausenden Patienten. Die Regierungschefs appellierten insbesondere an die moralische Pflicht aller Mitbürgerinnen und Mitbürger, insbesondere die alten Menschen und diejenigen mit Vorerkrankungen durch Einhaltung all dieser Verbote zu schützen.

Frau Bahner fühlt sich völlig ungerechtfertigt von Staat und Polizei „verfolgt“ 

Die wenigen Menschen, die sich gegen diese Verbote stellen, werden polizeilich verfolgt und mit empfindlichen Bußgeldern, inzwischen sogar mit Festnahme sanktioniert … und dies, obwohl 83 Millionen Menschen nicht infiziert sind, also gesund, und einfach nur mit ihren ebenfalls gesunden Freunden das wunderbare Frühlingswetter genießen wollen. Wir gesunden und friedlichen Menschen werden plötzlich kriminalisiert und wissen gar nicht, wie uns geschieht!“, schreibt sie in ihrem „Gutachten“.

Allerspätestens hier werden die meisten merken, was im Kopf von Frau Bahner alles durcheinander geht. Zum einen unterstellt sie permanent, dass alles quasi Erfindungen und gar keine realen Gefahren seien bzw. falls doch eine ganz kleine Gefahr vorhanden wäre, dass diese gezielt, bewusst, ja vorsätzlich instrumentalisiert werden würde, um die Bevölkerung zu unterdrücken und die eigene Wirtschaft zu zerstören. Und das offensichtlich nahezu weltweit. Alle Länder! Auf allen Kontinenten! Über sämtliche Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme hinweg. Also eine riesige Absprache, ja Verschwörung einmaliges Ausmaßes, wie es das in der Weltgeschichte noch niemals gegeben hat. Alle machen mit: sogar Russland und die USA, die Türkei, der Iran und Saudi-Arabien, Brasilien und Kanada.

Dass Menschen, die sich nicht an eine Verordnung zum Schutz der Bevölkerung vor einer Gefahr, nicht halten, „verfolgt“ werden, dass man ihnen ein Bußgeld auferlegt und sie gegebenenfalls auch aus dem Verkehr zieht, wenn sie sich hartnäckig nicht an die Vorschriften halten, das ist und das sollte die Juristin eigentlich wissen, vollkommen normal. Wie anders sollte die Staatsgewalt Regelungen durchsetzen, wenn sie diejenigen, die sie grob missachten, nicht sanktioniert?

Fehler über Fehler in der Begründung, teilweise völlige Unkenntnis und schwere kognitive Erfassungsprobleme

Dass alle 83 Millionen nicht infiziert sind, stimmt natürlich auch nicht. Bei über 100.000 Menschen wurde die SARS-CoV-2-Infektion ja bereits nachgewiesen. Hinzu kommt die Dunkelziffer, die etwa auf das Fünf- bis Zehnfache geschätzt wird. Die Heinsberg-Studie kam auf das Sechs- bis Siebenfache. Wir sprächen dann also bereits jetzt von mindestens einer halben bis einer Million Infizierten und diese Zahl steigt jeden Tag, jede Woche, jeden Monat weiter.

Auch die Gleichsetzung von infiziert und gesund ist natürlich falsch. Nicht jeder Infizierte erkrankt auch. Und auch der Gesunde kann das Virus weitertragen und die nächsten anstecken, noch bevor er selbst überhaupt etwas bemerkt. Genau das ist ja eines der großen Probleme bei dieser Pandemie, also kontinentübergreifenden Epidemie, die schon jetzt weit über 100.000 Menschen das Leben kostete und dabei höchstwahrscheinlich noch ganz im Anfangsstadium befindet, nicht einmal ein Prozent der Menschheit erfasst hat (Stand heute: offiziell ca. 1,9 Millionen detektierte Infizierte auf ca. 7.800 Millionen Menschen. Selbst wenn wir von einer Dunkelziffer von 30 ausgehen, dann wären gerade mal 0,7 Prozent infiziert und wir hätten damit schon über 120.000 Tote.)

Hier wird also schon deutlich, dass Frau Bahner die ganze Problematik kognitiv nicht einmal ansatzweise erfasst hat. Aber es geht noch weiter. Sie schreibt dann: „Ob und inwieweit wir durch diese Opfer tatsächlich Menschenleben retten, können nur die Ärzte und weitere medizinische Experten beurteilen. Nur sie wissen, ob diese einmaligen und radikalsten Maßnahmen aller Zeiten zur Bekämpfung einer Epidemie wirklich medizinisch notwendig und erforderlich sind.“ Auch hier zeigt sich die völlige historische Unkenntnis der Juristin, die sich offensichtlich noch nie mit Pandemien in der Geschichte der Menschheit befasst hat (es wurden überall im Lande Menschen lebendig verbrannt!, um die Epidemie zu bekämpfen).

Diese völlige Unkenntnis plus kognitiven Erfassungsprobleme verunmöglichen Beate Bahner sodann natürlich zu einer adäquaten Einschätzung der Verhältnismäßigkeit der gewählten Mittel zur Abwendung der Gefahr zu gelangen. Wenn ich nicht weiß und nicht verstehe, was auf der einen Seite der Waagschale liegt, so kann ich nicht einschätzen, welches Gegengewicht es auf der anderen Seite benötigt, um das aufzuwiegen.

Die Corona-Verordnung hätte das Potential, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung „endgültig zu vernichten“

Ihre Verständnisprobleme halten Frau Bahner aber nicht davon ab, sich über die Landesregierung von Baden-Württemberg, ja überhaupt über alle Landesregierungen in Deutschland zu erheben sowie über die Bundesregierung und die Regierungen aller anderer Staaten und in Frage zu stellen, ob die Landesregierungen überhaupt „berechtigt sind, uns mit einer Vielzahl von Verboten und Beschränkungen zu belegen und mit diesem – in unserer Geschichte einmaligen Shutdown – diesen unglaublichen Opfern und verheerenden Folgen über viele Wochen hinweg auszusetzen.“ Und sie fragt: Sind wir wirklich verpflichtet, diese unglaublichen Verbote stillschweigend und klaglos zu akzeptieren?“

Die Frage beantwortet sie dann gleich selbst, wie gesagt, ohne überhaupt die Problematik im Kern verstanden zu haben: „die aktuelle Corona-Epidemie kann – ebenso wie künftige Epidemien – unter keinem rechtlichen Aspekt diese brutalen Maßnahmen und die Denunziation unserer eigenen Mitbürger legitimieren“. Sie halte „die Corona-Verordnungen aller Bundesländer für eklatant verfassungswidrig“. Sodann geht es wieder in Richtung Verschwörungsmythos: „Ich werde auch darlegen, weshalb die Corona-Verordnung sogar das gefährliche Potential hat, unser Grundgesetz, unsere Grundrechte und unsere freiheitlich demokratische Grundordnung in nur wenigen Wochen profund und endgültig zu vernichten.“ Sodann fordert sie: „Alle Corona-Verordnungen sind – zur Vermeidung erheblicher Schäden für die Gesundheit der Menschen und die Wirtschaft des Landes sowie zur Vermeidung erheblicher Schadensersatzansprüche gegen alle Landesregierungen – sofort außer Kraft zu setzen.“

Das Infektionsschutzgesetz würde überhaupt keine Rechtsgrundlage für den Shutdown bieten, behauptet sie dann wohl kontrafaktisch. Und behauptet erneut: „Es gab daher – trotz der aktuellen Corona-Epidemie – keinerlei Veranlassung für eine Änderung dieses Gesetzes in aller Windeseile. Denn wir kennen die Grippe-Epidemie aus 2017/2018, die eine sehr viel höhere Todeszahl von 25.000 Toten hervorrief, als dies nach Ansicht von Experten bei Corona in Deutschland zu erwarten ist.“ Hier pickt sie sich wohl einzelne „Experten“, wie beispielsweise den Hamburger Rechtsmediziner Klaus Püschel, der abstruse Einschätzungen von sich gab, heraus, wiederum ohne jede Quellenangabe, ja wieder ohne Namensnennung.

Verfolgungswahn?

Sodann beharrt Frau Bahner darauf, dass nach dem Infektionsschutzgesetz zunächst eine konkrete Feststellung einer Infektion oder des Verdachts einer Infektion. Schutzmaßnahmen dürften nur gegenüber Kranken, Krankheitsverdächtigen und Ansteckungsverdächtigen getroffen werden. Maßnahmen gegenüber gesunden Dritten dürften hingegen nur ganz ausnahmsweise angeordnet werden, das aber nur, insoweit  die Notwendigkeit und Erforderlichkeit gegeben sei. Und das bestreitet sie energisch.

Auch hier wird wieder deutlich, dass die Juristin die Situation noch gar nicht erfasst hat. Wenn sich zehn oder fünfzig oder hundert Menschen infiziert haben, so mag es noch möglich sein, diese konkret ausfindig zu machen. Vielleicht gelingt dies auch noch bei tausend Personen, wenn man die Ansteckungskette zurückverfolgen kann. Bei zigtausend oder 100.000 Infizierten ist das aber rein praktisch völlig unmöglich. Das Virus ist quasi aus dem Käfig raus und kann so nicht mehr eingefangen werden. Keine Regierung der Welt käme auf die Idee, die ihre Wirtschaft wochen- oder monatelang komplett runter zu fahren, wenn es sich nur um hundert Infizierte handeln würde, die man gezielt ausfindig und dann in Quarantäne verbringen könnte, um alle anderen zu schützen.

Spätestens hier stellt sich beim Laien der Eindruck ein, dass bei Frau Bahner irgendetwas nicht zu stimmen scheint, wenn sie so etwas annimmt. Das riecht zum einen nach einer typischen Verschwörungsvorstellung und nach so etwas wie Verfolgungswahn. Doch will ich mich hier als psychiatrischer Laie nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Das müssen natürlich Fachleute beurteilen. Geistig ganz gesund wirken solche Vorstellungen aber nicht und man fragt sich, in welchem Umfeld sich Beate Bahner bewegt, dass niemand in ihrem Umkreis sie auf die Absurdität solcher Vorstellungen hingewiesen hat. Wenn dies erfolgte, sie sich davon aber überhaupt nicht beeinflussen und zu keinerlei selbstkritischer Reflexion kam, so spräche das natürlich wiederum für eine psychische Störung. Aber das müssen, wie gesagt, Fachleute beurteilen, was genau hier vorliegt.

Jeder Bürger hätte ein Recht darauf, sich mit dem Virus selbst anzustecken

Sodann plädiert die Dame für das Recht eines jeden Bürgers, sich selbst anzustecken und sich so selbst zu immunisieren, was aus ihrer Sicht viel besser sei als eine Schutzimpfung, die ja auch noch Geld koste, was durch eine herbeigeführte Selbstansteckung erspart bliebe. Dabei stellt sie wiederum falsche Berechnungen an, die zeigen, wie wenig sie a) die tatsächliche aktuelle Situation und b) die Gesamtentwicklung verstanden hat.

Sie behauptet: „Die Verbote der Corona-Verordnung sind insbesondere auch insoweit einmalig, als noch niemals zuvor in der Weltgeschichte zur Bekämpfung von Seuchen 99,9% der gesunden Bevölkerung mit Ausgeh- und Betretungsverboten belegt wurde und sämtliche Geschäfte geschlossen wurden, obwohl von ihnen nachweislich keine Gefahr ausgeht. (…) Warum belegt man bei etwa 100.000 Infektionen bundesweit die anderen 83 Millionen gesunden Menschen mit schlimmsten und existenzvernichtenden Kontaktverboten und Schließungen, anstatt die Infektion bei den Kranken, Krankheitsverdächtigen oder Ansteckungsverdächtigen zu beobachten und diese eventuell zu isolieren?“

Offensichtlich ist Beate Bahner nicht klar, dass es a) so etwas wie eine Dunkelziffer gibt, dass man nicht alle Infizierten kennt. Nach der Heinsberg-Studie müssen wir mit davon ausgehen, dass 85 Prozent, womöglich mehr der Infektionen gar nicht bemerkt wird. Wir reden dann also nicht von 100.000 detektierten Infizierten, sondern von 600.000 oder 700.000 tatsächlich Infizierten, womöglich noch mehr. Dieser Unterschied zwischen detektiert infiziert und tatsächlich infiziert scheint ihr überhaupt nicht klar zu sein. Insofern ist es natürlich völlig unmöglich, 600.000 oder 700.000, inzwischen eher 800.000 Personen zu isolieren, weil man dazu ja wissen müsste, welche 800.000 bereits infiziert sind. Dazu aber müsste man alle 83 Millionen testen, was in einem so kurzen Zeitraum völlig unmöglich ist.

Größenwahnvorstellungen

Vor allem scheint Frau Bahner das Grundproblem der exponentiellen Ausbreitung des Virus nicht zu verstehen. Solange das SARS-CoV-2 genügend noch nicht Infizierte findet, auf die es überspringen kann (bevor die sogenannte Herdenimmunität gegeben ist), verbreitet es sich rasend schnell, so dass die Zahl der Infizierten sich anfangs ohne Gegenmaßnahmen alle zwei bis drei Tage verdoppelte. Dabei kann dieser Übersprung von Person zu Person übrigens nicht nur beim Niesen und Husten, sondern auch beim normalen Sprechen passieren, sofern der Sicherheitsabstand deutlich unterschritten wird. Auch hier geht Frau Bahner von falschen Annahmen aus, das nur am Rande. All das zusammen führt aber dazu, dass sie eben überhaupt nicht zu einer Abschätzung der Verhältnismäßigkeit fähig ist, da sie nicht einmal die einfachsten Zusammenhänge erfasst hat.

Insgesamt macht Beate Bahner, wie sich auch im nächsten Teil noch zeigen wird, den Eindruck einer Frau mit geistig eher schlichtem Gemüt, das aber gepaart mit gewissen Größenwahnvorstellungen. Dadurch überzieht ihr ganzes Agieren ein Hauch von Lächerlichkeit, so wenn sie schreibt:

„Der Shutdown der Landesregierung Baden-Württemberg ist damit für mich als Rechtsanwältin mit 25-jähriger Berufserfahrung der größte und ungeheuerlichste Rechtsskandal, den Deutschland seit Ende des zweiten Weltkriegs erlebt hat (Anmerkung JFB: den sie jetzt stoppen will). Die Verfolgung Unschuldiger (wenn gesunde Menschen miteinander sprechen oder spazieren gehen) und die massive polizeiliche Kontrolle lässt mich zu tiefst erschaudern! Noch nie wurden das Grundgesetz, dessen Bestehen ganz Deutschland noch im letzten Jahr so stolz gefeiert hat, noch nie wurden die Freiheitsrechte der Bürger in Deutschland so mit Füßen getreten, noch nie wurde eine Verfassung so radikal und so schnell vernichtet wie durch die Maßnahmen der 16 Landesregierungen und der Bundesregierung vor zwei Wochen. Dieser böse Spuk muss sofort ein Ende haben!“

Allen Polizisten, Amtsträgern, Bürgermeistern und dem Innenminister würden Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren drohen

Anschließend fordert sie, dass alle Polizisten, welche „Unschuldige verfolgen“, strafrechtlich belangt werden: „Angesichts der so offensichtlichen Verfassungswidrigkeit der Corona-Verordnungen erfüllen sämtliche Überwachungsmaßnahmen der Polizei den Straftatbestand des § 344 StGB. Danach droht allen Polizisten bei Verfolgung Unschuldiger eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Wenn und soweit die Polizei also Verstöße gegen die Corona-Verordnung weiterhin mit Bußgeldern oder gar mit Festnahmen verfolgt, so ist nicht etwa die gesunde und freiheitsliebende Person zu bestrafen, sondern die Polizei, die diese Maßnahmen durchführt.“

Darüber hinaus würden sämtliche Amtsträger und alle Bürgermeister, welche die Corona-Verordnung durchsetzen, sich der schweren Nötigung (§ 240 StGB) strafbar machen und müssten alle mit Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis fünf Jahre rechnen. Ebenso der Innenministers Baden-Württembergs Thomas Strobl (den Namen hat sie falsch geschrieben mit e), der den Straftatbestand des § 111 StGB der „öffentlichen Aufforderung zu Straftaten“ verwirklichen würde. Denn Thomas Strobel fordere die Menschen öffentlich zur „Verfolgung Unschuldiger“ im Sinne des § 344 StGB auf. Er mache sich damit strafbar und riskiere ebenfalls eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren.

Aufruf zum Widerstand nach Art. 20 (IV) GG und Einladung aller 83 Millionen Mitbürger zu einer friedlichen Demonstration

Da den Deutschen keine Demonstrationen gegen die Corona-Verordnung erlaubt seien, hätten alle Deutschen, „nach dem Wortlaut des Grundgesetzes leider nur die Deutschen“, wie sie schreibt, das Recht zum Widerstand nach Art. 20 Abs. 4 GG. Kein Bürger in Deutschland müsse sich mehr an diese Verbote halten, da sämtliche Corona Verordnungen aller 16 Bundesländer wegen ihrer eklatanten Verfassungswidrigkeit unwirksam wären. Verstoß hiergegen dürften selbstverständlich nicht bestraft werden. Eventuelle Bußgelder müssten nicht bezahlt werden, eine Festnahme durch die Polizei wegen eines Verstoßes gegen die Corona-Verordnung wäre rechtswidrig und strafrechtlich zu verfolgen. Schadensersatzansprüche gegen den Staat seien die Folge.

Sodann wird Frau Bahner besonders pathetisch (Größenwahn?): „Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann, sehr geehrte Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten aller Bundesländer, ich, Beate Bahner, fordere Sie hiermit auf, die von Ihnen erlassenen verfassungswidrigen Corona-Verordnungen mit sofortiger Wirkung aufzuheben! Ich fordere ferner alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der Bundesrepublik Deutschland dazu auf, sämtliche Schwimmbäder, Sporteinrichtungen, Parks, Kinderplätze, Kindergärten, Schulen, Universitäten sowie sämtliche kulturellen und sonstigen Einrichtungen sofort wieder zu öffnen! Die von Ihnen ausgesprochenen Verbote sind schreiendes Unrecht! Beenden Sie sofort Ihre grobe Missachtung nahezu aller rechtsstaatlichen Grundsätze unserer Verfassung und stellen Sie sofort unsere freiheitlichdemokratische Grundordnung wieder her! Denn Sie haben die verfassungsmäßige Pflicht, unsere Grundrechte zu wahren, heute und für immer! Sie alle haben einen Eid hierauf geleistet! Beenden Sie den Shutdown – und zwar sofort!“

Sodann lädt sie die gesamte Bevölkerung Deutschlands zu einer Demonstration ein: „Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, hiermit lade ich Sie alle 83 Millionen Mitbürgerinnen und Mitbürger ein, sich am Ostersamstag um 15 Uhr bundesweit friedlich zu einer Demonstration zu versammelnund ewartet „von der Bundesregierung und von allen Regierungschefs die sofortige Beendigung der Tyrannei, die die Bundesregierung und alle Landesregierungen ihren eigenen Bürgern seit zwei Wochen antut.“

Soweit Teil 1 zu Beate Bahner. Teil 2 folgt demnächst: Beate Bahner an Juli Zeh: Unterstützen Sie mich, ich kann nicht alleine die Welt retten!

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