AfD stürzt in Sachsen-Anhalt von 25 auf 19 Prozent

Von Jürgen Fritz, Sa. 06. Jun 2020, Titelbild: YouTube-Screenshot, Reiner Haseloff

Heute in einem Jahr finden in Sachsen-Anhalt Landtagswahlen statt. 2016 holte die AfD dort 24,3 Prozent – ihr zweitbestes Landesergebnis ever. Vor zweieinhalb Monaten lagen sie in dieser ihrer Hochburg sogar bei 25 Prozent. Doch nun stürzt sie auf 19 Prozent, verliert fast jeden vierten Anhänger. Die CDU unter Ministerpräsident Reiner Haseloff schießt dagegen förmlich nach oben von 25 auf 34 Prozent. Alle drei Parteien der Kenia-Koalition können zulegen, während sich die Krise der Rechtspopulisten und verfassungsfeindlichen Extremisten immer mehr auszuweiten scheint.

Die schwarz-rot-grüne Kenia-Koalition im Umfragehoch

Genau ein Jahr vor der nächsten Landtagswahl in Sachsen-Anhalt befindet sich die schwarz-rot-grüne Landesregierung unter Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) im Umfragehoch. Alle drei Regierungsparteien könnten derzeit klar zulegen, während alle drei Oppositionsparteien Verluste hinnehmen müssten, die Linkspartei, die FDP und die sonstigen Parteien leichte von jeweils unter ein Prozent, die AfD dagegen sehr deutliche von über fünf Prozent.

So würde Sachsen-Anhalt laut Infratest dimap im Moment wählen (in Klammern die Veränderungen zur letzten Landtagswahl 2016):

  1. CDU: 34 % (+ 4,2)
  2. AfD: 19 % (− 5,3)
  3. LINKE: 16 % (− 0,3)
  4. SPD: 13 % (+ 2,4)
  5. GRÜNE: 8 % (+ 2,8)
  6. FDP: 4 % (− 0,9)
  7. Sonstige: 6 % (− 1,0)

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Gewinne und Verluste gegenüber der Landtagswahl 2016:

  1. CDU: + 4,2 %
  2. GRÜNE: + 2,8 %
  3. SPD: + 2,4 %
  4. LINKE: − 0,3 %
  5. FDP: − 0,9 %
  6. Sonstige: − 1,0 %
  7. AfD: − 5,3 %

Zwei von drei Bürgern sind mit der Landesregierung in Sachsen-Anhalt zufrieden

Die schwarz-rot-grüne Landesregierung Haseloff II wird insgesamt überwiegend positiv bewertet. Gut zwei Drittel (67 Prozent) der Befragten erklärten, sie seien zufrieden oder sogar sehr zufrieden mit der Regierung. Das ist der höchste Zustimmungswert für die Kenia-Koalition in der gesamten Legislaturperiode. Selbst Anhänger der Linken äußern sich zu 70 Prozent positiv über das Kabinett. Nur die Anhänger der AfD äußerten sich überwiegend ablehnend.

Sehr zufrieden oder zufriedenweniger oder nicht zufrieden mit der Landesregierung:

  1. CDU-Anhänger: 8613
  2. SPD-Anhänger: 8614
  3. Grünen-Anhänger: 7820
  4. Linke-Anhänger: 7030
  5. AfD-Anhänger: 3760

Noch höher sind die Zustimmungswerte für die Landesregierung in Bezug auf das Corona-Krisen-Management. Hier sind es sogar noch mehr als 67, nämlich 72 Prozent, die zufrieden oder sogar sehr zufrieden mit dem Agieren von Schwarz-Rot-Grün in der Coronakrise sind.

Reiner Haseloff mit Abstand der Beliebteste

Aber nicht nur mit der Landesregierung und speziell der CDU sind die Sachsen-Anhalter ausgesprochen zufrieden, sondern auch mit ihrem Ministerpräsidenten Reiner Haseloff, siehe Titelbild, der überragende Zustimmungswerte erhält von 76 Prozent. Mehr als drei von vier finden also, dass er seine Arbeit gut macht. Dies ist beste Wert, den er je erhielt. Zum Vergleich: Im Wahljahr 2016 hatte Haseloff Zustimmungswerte von um die 60 Prozent, was ebenfalls schon recht hoch war, nun aber bei weitem getoppt wird. Alle anderen Spitzenpolitiker der anderen Parteien verblassen dagegen vollkommen. Selbst der Zweitplatzierte liegt 50 Punkte hinter Haseloff:

  1. Ministerspräsident Reiner Haseloff (CDU): 76 %
  2. Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD): 26 %
  3. Umweltministerin Claudia Dalbert (GRÜNE): 23 %
  4. Thomas Lippmann (LINKE): 15 %
  5. Oliver Kirchner (AfD): 12 %

Der AfD-Fraktionsvorsitzende und Oppositionsführer Oliver Kirchner, der dem rechtsextremistischen, verfassungsfeindlichen Höcke-Flügel angehört, kommt gerade einmal auf 12 Prozent. Das heißt, nicht mal jeder Achte in Sachsen-Anhalt findet Kirchner gut, noch weit weniger als der AfD im Moment noch ihre Stimme geben würden (19 Prozent).

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AfD-Fraktionsvorsitzender Oliver Kirchner, YouTube-Screenshot

André Poggenburg und die AfD Sachsen-Anhalt

Oliver Kirchner trat 2014 in die AfD ein und gehörte 2015 direkt zu den Unterzeichnern der sogenannten Erfurter Resolution, der Gründungsurkunde der völkischen Nationalisten und Chauvinisten um Björn Höcke und damals noch André Poggenburg.

Poggenburg hatte die AfD 2016 in die Landtagswahl geführt und war sogar im Bundesvorstand der AfD. Anfang 2015 wollte Poggenburg den Kopf der Neuen Rechten Götz Kubitschek und dessen Frau Ellen Kositza in die AfD-Sachsen-Anhalt aufnehmen. Kubitscheks sogenanntes „Institut für Staatspolitik“ – eine rein private Einrichtung – wurde inzwischen vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch-verfassungsfeindlicher Verdachtsfall eingestuft. Nachdem der damalige Bundesvorstand in der zweiten Instanz die Aufnahme von Kubitschek und Kositza ablehnte, protestierte Poggenburg: Da sei das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Im Mai 2015 nahm er an einer Gesprächsveranstaltung des Magazins Compact teil, das inzwischen ebenfalls als rechtsextremistisch-verfassungsfeindlicher Verdachtsfall eingestuft wurde. Dort saß Poggenburg neben dem „Reichsbürger“ und Rechtsextremisten Christian Bärthel und diskutierte mit diesem, gab später an, er habe nicht gewusst, wer außer ihm teilnehmen würde. Ein weiterer Diskussionsteilnehmer war ein Poggenburg aus dem Kreistag bekanntes NPD-Mitglied. Über NPD-Mitglieder äußerte sich Poggenburg an anderer Stelle wie folgt: Auf Grund seiner Erfahrung könne er sagen, dass nicht alle Mitglieder der NPD Extremisten seien.

Im Februar 2017 sorgte Poggenburg für einen Eklat im Landtag, als er bei einer Rede wörtlich sagte:

„Linksextreme Lumpen sollen und müssen von deutschen Hochschulen verbannt und statt eines Studienplatzes lieber praktischer Arbeit zugeführt werden. […] Nehmen Sie die linksextreme Bedrohung ernst und beteiligen Sie sich an allen möglichen Maßnahmen, um diese Wucherung am deutschen Volkskörper endgültig loszuwerden.“

Die ehemaligen Kollegen Poggenburgs Carsten Schmidt und Andreas Hollenstein warfen ihm vor, seine Macht zu missbrauchen, unliebsame Mitglieder herabzuwürdigen und eigene finanzielle Interessen als künftiger Volksvertreter zu verfolgen. Schmidt bewertete den AfD-Landesverband Sachsen-Anhalt im Februar 2016 als: „Privatprogramm Poggenburg. Endziel ist Geld“.

Poggenburg geht, Martin Reichardt wird neuer Landesvorsitzender

Bis 2018 war Poggenburg Fraktionsvorsitzender der AfD und damit Oppositionsführer im Landtag von Sachsen-Anhalt. Nachdem er zwei Abmahnungen seitens des AfD-Bundesvorstands erhalten hatte und die Fraktion ihm das Vertrauen entzog, gab er im März 2018 den Fraktions- und Landesvorsitz auf.

Im Januar 2019 plante dann der AfD-Bundesvorstand Poggenburg für zwei Jahre von allen Parteiämtern auszuschließen, worauf hin er aus der AfD austrat und die Partei Aufbruch deutscher Patrioten – Mitteldeutschland (ADPM) gründete. Im August 2019, also nur wenige Monate nach der Parteigründung wurde bekannt, dass Poggenburg die von ihm selbst gegründete Partei ADPM verlassen werde. Gegen Poggenburg wurden mehrere Haftbefehle erlassen, nachdem er ausstehende Verbindlichkeiten nicht beglichen und mehrfach eine Vermögensauskunft („Offenbarungseid“) verweigert hatte -und zwar mindestens siebenmal durch Nichterscheinen.

Nach dem Rückzug von Poggenburg aus der Parteispitze in Sachsen-Anhalt im März 2018 folgte ihm also dieser Oliver Kirchner als Fraktionsvorsitzender nach, der bereits im März 2015 die Erfurter Resolution von Höcke und Poggenburg unterzeichnet hatte. Neuer AfD-Landesvorsitzender wurde Martin Reichardt.

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YouTube-Screenshot, Martin Reichardt

Reichardt sowie 18 weitere AfD-Abgeordnte in Sachsen-Anhalt stellen Mitarbeiter aus dem rechtsextremen Milieu ein

Reichardt gilt ebenfalls als wichtiger Unterstützer des vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch-verfassungsfeindlicher Verdachtsfall eingestuften und inzwischen aufgelösten Höcke-Poggenburg-Kalbitz-Flügels. Kalbitz, der neue zweite Mann neben Höcke nach dem Abgang von Poggenburg, wurde kürzlich vom Bundesvorstand aus der Partei geworfen, will sich aber wieder hineinklagen und hat in den östlichen, weitgehend rechtsextremistisch durchseuchten Landesverbänden große Rückendeckung. So entschied die brandenburgische AfD-Fraktion, deren Vorsitzender Kalbitz bisher war, mit 18 gegen zwei Stimmen bei einer Enthaltung, dass Kalbitz obschon er gar kein Parteimitglied mehr ist, dennoch Teil der AfD-Fraktion im brandenburgischen Landtag bleiben soll.

Nach Recherchen von Zeit Online stellten der AfD-Landesvorsitzende Sachsen-Anhalt Martin Reichardt sowie 18 weitere Abgeordnete seiner Fraktion Mitarbeiter aus dem rechtsextremen Milieu ein: Reichardts Mitarbeiterin Christa A. hatte für Compact über Sicherheitspolitik berichtet. Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer hatte bereits 2018 auf der Leipziger Buchmesse als Aufgabe seiner Zeitschrift genannt, die Spaltung der Gesellschaft zu vertiefen, um so „zum Sturz des Regimes beizutragen“.

Diese AfD Sachsen-Anhalt ist nun also von 25 auf 19 Prozent abgestürzt, hat in den letzen Monaten also auch in ihrer Hochburg fast jeden Vierten Anhänger verloren. Nun macht Sachsen-Anhalt bevölkerungsmäßig natürlich nicht mal 2,7 Prozent von Deutschland aus. Bundesweit steht die AfD aktuell nur noch bei ca. 9,5 Prozent und auch hier mit fallender Tendenz.

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