Dieter Nuhr zum Einknicken der DFG vor dem Shitstorm der Ideologen

Dokumentation, Sa. 01. Aug 2020, Titelbild: ARD-Screenshot

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hatte den Kabarettisten Dieter Nuhr gebeten, ob er nicht ihre Kampagne „Gemeinsam #fürdasWissen“ unterstützen wolle, um mitzuhelfen, „ihre Überzeugung für eine freie und erkenntnisgeleitete Forschung in die Gesellschaft (zu) tragen“. Auch andere prominente Botschafter unterstützen die Kampagne, wie etwa der Wissenschaftsjournalist und Fernsehmoderator Ranga Yogeshwar. Dieter Nuhr sendete daraufhin eine 30-sekündige Sprachnachricht ein, für welche sich die DFG herzlich bedankte und diese veröffentlichte. Doch was dann passierte, wirft ein bezeichnendes Licht auf den Zustand unseres Landes (McCarthyism). Hier Dieter Nuhrs Statement zum Löschen seines Beitrags.

I. Dieter Nuhrs Statement (Fett-Markierungen durch JFB)

»Ich wurde im Juli gebeten für die Kampagne #DFG2020 der Deutschen Forschungsgesellschaft eine 30-sekündige Sprachnachricht einzusenden zum Thema Wissenschaft. Folgendes Statement habe ich abgegeben:

„Wissen bedeutet nicht, dass man sich zu 100 Prozent sicher ist, sondern dass man über genügend Fakten verfügt, um eine begründete Meinung zu haben. Weil viele Menschen beleidigt sind, wenn Wissenschaftler ihre Meinung ändern: Nein, nein! Das ist normal! Wissenschaft ist gerade, DASS sich die Meinung ändert, wenn sich die Faktenlage ändert. Wissenschaft ist nämlich keine Heilslehre, keine Religion, die absolute Wahrheiten verkündet. Und wer ständig ruft „Folgt der Wissenschaft!“ hat das offensichtlich nicht begriffen. Wissenschaft weiß nicht alles, ist aber die einzige vernünftige Wissensbasis, die wir haben. Deshalb ist sie so wichtig.“

Die DFG hat sich für den Beitrag zunächst bedankt. Sie schrieb mir: „Wir danken ganz herzlich für Ihr wunderbares Statement – Ihren pointierten Kommentar über die Relevanz und die Erklärung von Wissenschaft.“

Der Beitrag wurde dann von der DFG veröffentlicht und am 30.7. aufgrund der „starken und sehr kritischen Resonanz“ wieder aus dem Netz genommen, um „die DFG zu schützen“ (Zitate wörtlich).

Ich halte dies für mehr als alarmierend. Dass Kritik aufkommt, wenn ich mich äußere, erstaunt mich nicht weiter. Egal, was ich sage, sobald es im Netz öffentlich wird, gibt es organisierten Hass. Das ist offensichtlich eine im Netzwerk organisierte Kampagne, die mich als an der Meinungsbildung Beteiligten diskreditieren soll. Es ist offensichtlich, dass dies ideologisch begründet ist, da ich mich politisch kritisch gegenüber Linken UND Rechten äußere und mich immer wieder gegen jeden politischen Extremismus wende. Das empört linke wie rechte Fanatiker, und da ich immer wieder auch Religionskritik äußere, wird auch von religiöser Seite aus Kritik an mir geübt. Damit muss man leben als Satiriker.

Neu ist, dass nun eine Organisation wie die Deutsche Forschungsgesellschaft, die eigentlich wie keine andere für freies Denken stehen sollte, den Ideologen im Netz nachgibt. Das ist nicht nur erstaunlich, sondern ängstigt mich, da ich inzwischen eine McCarthyartige Stimmung im Land wahrnehme und im Zuge der Cancel Culture auch die Freiheit des Denkens und der Forschung im Allgemeinen in Gefahr sehe.

Von seiten der DFG wurde mir mitgeteilt, man müsse „der Kritik nachgeben“, um „Schaden von der DFG abzuwenden“. Ich fürchte, der größere Schaden ist, wenn die Deutsche Forschungsgesellschaft sich daran beteiligt, kritische und keineswegs extremistische oder verschwörungstheoretische Stimmen mundtot zu machen.

Ich habe noch nie (!!!) wissenschaftsfeindlich argumentiert, bin im Gegenteil immer gegen den Missbrauch der Wissenschaft eingetreten. Ein Beispiel: Ich habe IMMER gesagt, dass ich die Fridays-For-Future-Bewegung im Grunde für sympathisch halte, den Satz „Folgt der Wissenschaft“ aber für bedenklich halte, weil er suggeriert, es gäbe die eine, unantastbare Meinung und Lösungsstrategie für den Klimawandel, weil so die Wissenschaft zum Erlösungsnarrativ erklärt wird. Das ist das Gegenteil von Wissenschaft.

Es gibt nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch unter Klimawissenschaftlern unterschiedliche Szenarien und verschiedenste Lösungsstrategien. Es ist sogar Grundbedingung von freier Forschung, dass unterschiedliche Thesen zugelassen sind und diskutiert werden. Das passiert ja auch in der Wissenschaft. In der Öffentlichkeit aber wird Meinungsvielfalt zunehmend aktiv durch Denunziation unterdrückt. Einzelne Gruppen proklamieren unantastbare Wahrheiten, behaupten, die Wissenschaft sei auf ihrer Seite und behandeln dementsprechend kritische Denker als Ketzer, werfen sie in der Folge mit Wahnsinnigen und Verschwörungstheoretikern in einen Topf und versuchen sie so zu diskreditieren. Das ist mittelalterlich und beängstigend.

In diesen Zeiten ersetzt immer häufiger der Shitstorm das Argument. DIE ZUSTÄNDIGEN BEI DER DFG KÖNNEN UNMÖGLICH SELBST ETWAS „WISSENSCHAFTSFEINDLICHES“ BEI MIR GEFUNDEN HABEN, SCHON WEIL ES DAS NICHT GIBT. Sie „reagieren auf Kritik“. Mit anderen Worten: Die DFG unterwirft sich den Krawallmachern, die im Internet systematisch an der Unterdrückung kritischer Stimmen arbeiten, die in der Mitte des politischen Spektrums stehen. Niemand kann mich ernsthaft politisch irgendwo an den Rändern verorten.

Die DFG beteiligt sich somit aktiv daran, Kritik als Ketzerei zu verfolgen und Andersdenkende mundtot zu machen. Ich halte das indessen für ein Phänomen, das die demokratische Diskussion ernsthaft gefährdet, schon weil sie indessen den Wissenschaftsbetrieb weltweit erreicht hat. An Universitäten wird indessen überall massiv darauf hingearbeitet, dass Andersdenkende gar nicht mehr hineingelassen werden. Das ist nicht nur empörend, sondern beängstigend. In was für einem Land wollen wir leben? In einem Land, in dem öffentliches Nachdenken zunehmend durch Denunziation und soziale Ausgrenzung bestraft wird? Mir gruselt es.«

Originalquelle: Dieter Nuhr auf Facebook

II. Der gelöschte Beitrag

Dies ist die Sprachnachricht, um welche die DFG Dieter Nuhr gebeten hatte, die er ihr zukommen ließ, für die sie sich herzlich bedankte, sie dann veröffentlichte und sie nach dem ersten kleinen Shitstorm auch noch verteidigte, dann aber einknickte, als ihr der Sturm zu heftig wurde und sie es mit der Angst zu tun bekam, ob des Tobens der Ideologen im Netz, denen die Stirn zu bieten, die Deutsche Forschungsgemeinschaft offensichtlich nicht die Courage besaß: 

III. Öffentliche Statements der DFG auf Twitter

Donnerstagnachmittag um 16:26 Uhr:

DFG1

Freitagvormittag um 10:28 Uhr:

DFG2

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