Nein, Religion ist nichts Gutes – Sie wird von vielen gebraucht, das aber ist etwas anderes als gut sein

Von Jürgen Fritz, So. 14. Mrz 2021, Titelbild: Die Bartholomäusnacht-Screenshot

Ich glaube, einer der grundlegendsten und tiefsten Denkfehler ist der, zu meinen, Religion sei etwas Gutes. Das ist sie nicht. Sicher gibt es ein religiöses Bedürfnis und metaphysisch spekulative Weltbilder sind ohne Zweifel seit Jahrtausenden eine anthropologische Konstante. Offenbar brauchen noch immer viele Menschen Religion. Das aber ist eine völlig andere Aussage.

„Ich brauche X“ und „X ist gut“ sind zwei völlig verschiedene Aussagen

Ja, es ist wohl tatsächlich so, dass auch zweieinhalb Jahrtausende nach der antiken griechischen und ein viertel Jahrtausend nach der modernen Aufklärung, dass noch immer viele Menschen auch in Europa, Nordamerika und Australien Religion brauchen und nicht ohne sie leben können oder wollen, aber das ist eine gänzlich andere Aussage als die Behauptung, Religion sei etwas Gutes.

Menschen brauchen vieles und das, was sie bisweilen brauchen, ist nicht immer gut. Manche brauchen es, ständig im Mittelpunkt zu stehen. Manche brauchen es, andere herabwürdigend permanent lächerlich zu machen. Es gibt sogar Menschen, die brauchen es, von anderen schlecht behandelt und immer wieder erniedrigt zu werden, fühlen sich genau zu solchen Personen hingezogen. Von Drogen will ich gar nicht erst reden, die der Abhängige natürlich auch braucht, ohne die er es nicht aushält.

Natürlich gibt es ein Menschenrecht auf ein metaphysisch spekulatives Weltbild, auch wenn dies kein gutes solches ist

Gut ist es sicherlich, wenn man das zur Kenntnis nimmt, dass viele ohne Religion – oder andere ungute Dinge – nicht können. Gut ist es, wenn man sich dies klar macht und es auch respektiert. Es wäre töricht und auch übergriffig, ja es verletzte die Menschenwürde, die Selbstbestimmung, Religion anderen mit Gewalt austreiben zu wollen oder sie von anderen unguten Dingen wegbringen zu wollen, wenn der andere selbst das nicht will.

Es gibt also eine Menschenrecht auf eine religiöses, sprich metaphysisch spekulatives Weltbild, auch wenn dieses dann kein gutes solches ist, so wie es allgemein ein Recht auf ungute Dinge gibt, beispielsweise auf das Rauchen, so es andere nicht über Gebühr schädigt, oder auf übermäßigen Alkohol- oder Internetkonsum. Es ist aber eben schlecht, ja mehr als das: es ist böse, solche Dinge anderen zu verbieten, weil es in die innere Freiheit des anderen eingreift. Das Gute kann man nicht erzwingen. Wer das versucht, zerstört es damit zugleich.

Wer Kritik an und Aufklärung über Fehlrepräsentationen der Welt sanktioniert, der begeht Menschenrechtsverletzungen

Es gehört aber zur Freiheit der anderen, offen sagen zu dürfen, dass diese metaphysisch spekulativen Weltbilder, denen es meist an Demut mangelt in Bezug das, was man wissen kann, keine guten solchen sind, ja dass es sich letztlich nicht um „subjektive Wahrheiten“, sondern um Fehlvorstellungen, um innere Fehlrepräsentationen der Welt handelt. Das halte ich deswegen für wichtig, weil das Raum schafft für diejenigen, die sich von diesen Fehlvorstellungen befreien wollen, respektive es hilft, dass man gar nicht erst in diese inneren Fehlrepräsentationen der Welt hinein gerät.

Wenn das Aussprechen dieser Einschätzung und das Begründen, Argumentieren und Beweisen der Fehler in diesen metaphysisch spekulativen Weltanschauungen (spezielle Ideologien) untersagt und sanktioniert wird – wie dies in nahezu allen Ländern dieser Erde geschieht, wo eine spezielle metaphysisch spekulative Weltanschauung dominiert, aber auch bei uns wieder im Kommen zu sein scheint -, so ist dies ebenfalls ein Eingriff in die Freiheit, mithin eine Menschenrechtsverletzung. Und es erzeugt eine schiefe Ebene, auf der dann immer mehr Menschen in diese nicht guten Weltbilder zurück- oder abgleiten, denn deren Anhänger dürfen ja andere Weltbilder sehr wohl kritisieren, ja sie dürfen sie sogar verhöhnen, verächtlich machen und sie machen bisweilen nicht wenig Gebrauch davon.

Jeder hat das Recht zu sagen: Ich mache mir meine innere Repräsentation der Welt so, wie es mir gefällt, es ist ja mein Inneres

Wer umgekehrt solche illusionsunterminierende Dinge ausspricht und aufzeigt, darf andere natürlich nicht zwingen, das lesen und sich damit auseinander setzen zu müssen. Viele würde das einfach überfordern und das, was der andere in dem Moment gerade aufnehmen und ertragen kann, gilt es zu respektieren. Dazu bedarf es des Fein- und Taktgefühls. Der Aufklärer darf sich nie mit Gewalt aufdrängen oder andere bedrängen. Wenn jemand das nicht hören und lesen möchte, dann möchte er das nicht. Das gilt es wie gesagt zu respektieren.

Letztlich hat jeder das Recht zu sagen: „Ich mach mir die Welt, genauer: ich mache mir meine innere Repräsentation der Welt so, wie es mir gefällt, denn es ist ja meine innere Repräsentation, mithin mein Inneres, und das geht dich nichts an, wenn ich mit dir darüber nicht reden will und dich umgekehrt auch in Ruhe lasse, wenn du in Ruhe gelassen werden willst.“ Jeder darf mithin selbst bestimmen, mit wem er sein Inneres teilen, mit wem er sich darüber austauschen möchte und mit wem nicht.

Schulen sollten Orte sein, an denen über ungute Weltanschauungen aufgeklärt wird, keine Orte, wo solche verabreicht werden

Aber man muss sagen und begründen dürfen, warum solche Vorstellungen keine guten solchen sind. Man muss Nicht-Gleichwertiges als solches kennzeichnen und dies aufzeigen dürfen, dass hier Nicht-Gleichwertiges vorliegt. Korrekte innere Repräsentationen der Welt und Fehlrepräsentationen sind beides Repräsentationen der Welt, ja, aber sie unterscheiden sich in essentieller Hinsicht. Die Vorstellung, dass Australien in Nordamerika liegt und Kanada ein eigener Kontinent sei, ist eine Vorstellung von der Welt, genau wie die Vorstellung, dass Australien ein eigener Kontinent ist und Kanada in Nordamerika liegt, aber diese Vorstellungen sind nicht gleichwertig.

Wer das alles nicht hören will, muss nicht hinhören. Aber Kindergärten und Schulen wären in einer aufgeklärten Gesellschaft eigentlich Orte, in denen über metaphysisch spekulative Weltanschauungen respektvoll und differenziert, aber eben wahrheitsgetreu aufgeklärt wird, keine Orte, wo ungute Weltanschauungen Kindern und Jugendlichen verabreicht werden.

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