Von Jürgen Fritz, Sa. 08. Mai 2021, Titelbild: ZDF-Frontal21- Screenshot
„Noch immer verstehen wir Menschenrechte nicht universell – unabhängig von Einkommen, Hautfarbe, Bildungsgrad, Geschlecht, Wohnort, Religion und politischer Haltung“, meint die Autorin Katharina Döbler. Was stattdessen geschehe – und zwar mit nahezu religiöser Inbrunst – sei eher eine Art Ent-Universalisierung über verschiedene Identitätspolitiken. Und damit trifft Döbler den Nagel auf den Kopf. Eine Analyse, was genau hier geschieht.
Die Loslösung der Neuen Linken vom Menschenrechtsdenken, von unserem Grundgesetz und dem moralischen Universalismus
Ich beschreibe das Phänomen schon seit Jahren, aber inzwischen bemerken es wohl auch andere und haben zunehmend den Mut, es öffentlich zu äußern: Die Neuen Linken (Neomarxisten) stehen ebenso wie die mittleren (Marxisten) und völlig anders als die alten Linken (Aufklärer) nicht auf dem Boden des Menschenrechtsdenkens, nicht auf dem Boden unseres Grundgesetzes, nicht auf dem Boden des moralischen Universalismus.
Sie teilen vielmehr (vergleichbar den Rassisten) Menschen in Gruppen ein (männlich-weiblich, weiß-nichtweiß, alt-jung, Indigene-Migranten …) und spielen diese ebenfalls gegeneinander aus. Das heißt, sie antworten auf rechtsradikalen Rassismus, Sexismus und Gruppendiskriminierung mit einem neulinken Gegen-Rassismus und Gegen-Sexismus, mit Gegen-Diskriminierung, überwinden also nicht diese Muster, sondern drehen sie einfach nur um 180 Grad, wenden das Ganze schlicht um, statt es abzulegen.
Dabei ordnen sie historisch begangenes Unrecht bestimmten Gruppen zu, die pauschal verteufelt werden (Lieblings-Hass-Objekt derzeit: der böse alte weiße Mann), und versuchen dieses begangene Unrecht zu heilen, indem sie es an anderen Menschen, die mit dem, was geschah, gar nichts zu tun haben, zu rächen versuchen, als ob es eine gigantische metaphysische Waage gäbe, die im Ungleichgewicht wäre und die man nur ins Gleichgewicht bringen könne, indem man jetzt auf der Gegenseite Unrecht begeht, das aber an völlig anderen Menschen, die einfach bestimmten Gruppen zugeordnet und mit den Handlungen anderer, die nicht mehr greifbar sind und die der gleichen Gruppe zugeordnet wurden, identifiziert respektive als identisch angesehen werden.
Identität und Wert wird über Gruppenzugehörigkeit statt am eigenen Inneren festgemacht
Ähnlich wird im abrahamitischen Monotheismus der eine und einzige Gott als eine Art Buchhalter imaginiert, der alles genau aufschreibt oder memoriert, was im Laufe der Jahrtausende an Verwerflichkeiten begangen wird, um es am Ende aller Tage zu rächen. Solche religiösen und metaphysisch-abstrusen, antiaufklärerischen Denkmuster, die bei den Neuen Linken in den seelischen Tiefenschichten oft verinnerlicht sind, wirken hier stark mit hinein.
Dieses „Denken“, genauer: diese Vorstellungen weisen also stark religiöse Züge auf, mindestens aber metaphysisch absurde Vorstellungen, die mit dem Programm der Aufklärung, des Menschenrechtsdenkens und des ethischen Universalismus nichts zu tun haben, ja mehr als das: die dem grob widersprechen. Dazu gehören auch all die Quoten, wie Frauenquoten, Immigrantenquoten usw., die Stellen nicht ausschließlich nach Fähigkeiten, Kompetenzen, Eignung, Erfahrung im relevanten Bereich etc., also sachlichen Erwägungen vergeben, sondern für bestimmte Gruppen Privilegien installieren wollen, weil diese Gruppen früher benachteiligt wurden.
Die Identität des Einzelnen wird also nicht an seinem je eigenen spezifischen Innern, seinen individuellen Gedanken, seinem Wissen, seinem Können, seinen persönlichen Erfahrungen, seinem je eigenen Charakter, seinen Werthaltungen und seinen eigenen Handlungen festgemacht, sondern über die Gruppe definiert, in welche dieser einzelne Mensch einsortiert wird (junge farbige, im Idealfall schwarze Frau = gut, alter weißer Mann = schlecht). Diese Gruppenzugehörigkeit oder -zuordnung wird a priori als prägend und ausschlaggebend postuliert = Parallele zum rechtsradikalen Rassismus und Sexismus. Das geht inzwischen so weit, dass junge schwarze Frauen sagen: „Mich darf kein alter weißer Mann in eine andere Sprache übersetzen“, selbst wenn dieser hervorragend übersetzen kann, weil er beide Sprachen und das Übertragen von hier nach da exzellent beherrscht (klare Form der Diskriminierung, des Sexismus und Rassismus).
Der Angriff auf Aufklärung, Menschenrechtsdenken, moralischen Universalismus und unsere Verfassung aus drei Richtungen zugleich
Aufklärung, Menschenrechtsdenken, moralischer Universalismus und unser Grundgesetz werden also von mehreren weltanschaulichen (ideologischen) Gruppen zugleich massiv angegriffen, welche unsere Verfassung immer mehr auszuhöhlen und umzudeuten versuchen, was umso leichter gelingt, je weniger sie verstanden wird, wozu moralphilosophische Bildung notwendig ist, denn darauf fußt unser Grundgesetz, insbesondere Kants Moralphilosophie mit dem kategorischen Imperativ und der philosophischen Herleitung des Würdebegriffs, der den zentralen Wert unseres gesamten Rechtssystems darstellt und nicht marxistisch-sozialistisch umgedeutet werden sollte.
Unsere Verfassung wird also von drei großen antiaufklärerischen weltanschaulichen Gruppierungen zugleich attackiert, bekämpft, umgedeutet und/oder ausgehöhlt:
1. von Rechtsradikalen und -extremisten, die meist die gesamte Aufklärung und das Menschenrechtsdenken sowie den moralischen Universalismus ablehnen und sich teilweise in den Dienst von ausländischen, autoritären Regimen stellen, die unser System subversiv zu bekämpfen versuchen, Rechtsradikale, die mit solchen Regimen flirten, sich von diesen einspannen (hier gehören auch Teile der AfD dazu), teilweise womöglich sogar finanziell unterstützen lassen;
2. von religiösen Fundamentalisten und Extremisten, genauer: von metaphysisch spekulativen Radikalen, hier im Moment fast nur einer bestimmten „Glaubens“-Richtung in Deutschland und Europa (in den USA sieht das anders aus, da gibt es noch eine andere „Glaubens“-Richtung, die in Trump ihren Erlöser sah oder noch immer sieht und die Gruppe 1 nahe steht);
3. den invers-rassistischen und -sexistischen Neuen Linken, welche sich vor allem aufs Umdeuten und Aushöhlen spezialisiert haben und die mit der europäischen Variante von Gruppe 2 quasi zusammenarbeiten, weil sie in dieser Gruppe ihr neues revolutionäres Subjekt meinen gefunden zu haben, nachdem die einheimischen weißen Arbeiter ohne Migrationshintergrund sich in ihren Augen hierfür nicht als geeignet erwiesen haben, da diese das System mehrheitlich gar nicht stürzen, sondern nur in ihm als wichtiger Teil anerkannt und gewürdigt sein wollen.

(c) JFB
P.S.: Zum Niedergang der SPD
Punkt 3 ist übrigens auch der tiefere Grund, warum der SPD seit Jahren die Wähler millionenfach davonlaufen und sie inzwischen bei 14 Komma noch was Prozent steht, da die Esken-Kühnert-SPD in den Führungsgremien mehrheitlich mit auf diesen neulinken, invers-rassistischen und- sexistischen, diskriminierenden, ent-universalisierenden Zug mit aufgesprungen ist und inzwischen sogar seit Jahrzehnten gediente Sozialdemokraten, wie Wolfgang Thierse angreift.
Schweig, alter weißer Mann! – Wie Identitätspolitik spaltet
*
Aktive Unterstützung: Jürgen Fritz Blog (JFB) ist vollkommen unabhängig und kostenfrei (keine Bezahlschranke). Es kostet allerdings Geld, Zeit und viel Arbeit, Artikel auf diesem Niveau regelmäßig und dauerhaft anbieten zu können. Wenn Sie meine Arbeit entsprechend würdigen wollen, so können Sie dies tun per klassischer Überweisung auf:
Jürgen Fritz, IBAN: DE44 5001 0060 0170 9226 04, BIC: PBNKDEFF, Verwendungszweck: JFB. Oder über PayPal – 3 EUR – 5 EUR – 10 EUR – 20 EUR – 50 EUR – 100 EUR