Merkels ehemaliger militärischer Berater will keinen Sieg der Ukraine

Von Jürgen Fritz, Fr. 22. Apr 2022, Titelbild: ZDF-Screenshot

Erich Vad ist gestern Abend bei Maybrit Illner den Ukrainern nicht zum ersten Mal in den Rücken gefallen. Dies ist deswegen nicht ganz ohne Bedeutung, weil Vad erstens nicht nur Unternehmensberater ist, sondern auch Brigadegeneral a. D. der Bundeswehr und zweitens weil er jahrelang militärischer Berater der Bundeskanzlerin war. Doch was genau hat Vad gesagt?

Vad spricht sich explizit gegen die Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine aus

Acht Jahre war Erich Vad militärpolitischer Berater von der Bundeskanzlerin Angela Merkel. Dabei wollte Merkel, warum auch immer, unbedingt ihn als militärpolitischen Berater, obschon der Generalinspekteur der Bundeswehr jemand anders vorgeschlagen hatte. Nun fiel Vad, den das ZDF offenbar besonders gerne heranzieht, bereits am 12. April mit einigen Aussagen auf.

Da sprach sich der Brigadgeneral a. D., der hier wohl der SPD-Linie sehr nahe zu stehen scheint,  bereits explizit gegen die Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine aus. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) behauptete Vad, solche Lieferungen wären potenziell ein „Weg in den Dritten Weltkrieg“. Außerdem könne man komplexe Waffensysteme wie den Kampfpanzer Leopard oder den Schützenpanzer Marder nur nach jahrelanger Ausbildung systemgerecht bedienen und einsetzen. Den Ukrainern würden sie militärisch aktuell und auf absehbare Zeit also gar nichts nützen, so eine weitere Behauptung von Vad, die er gestern Abend in der ZDF-Sendung Maybrit Illner erneut formulierte.

„Wir machen im Moment sehr viel Kriegsrhetorik – aus guter gesinnungsethischer Absicht“ sagte Vad bereits vor zehn Tagen. Ob das etwas mit „Gesinnungsethik“ zu tun hat – ein Ausdruck, den besonders ethische (moralphilosophische) Laien gerne benutzen, die meist nicht so genau wissen, was damit gemeint ist und den Begriff auch nicht richtig applizieren (anwenden) können -, sei dahingestellt, aber auf die Behauptung an sich will ich später noch ausführlich eingehen. Aber der Weg in die Hölle sei bekanntlich immer mit guten Vorsätzen gepflastert, so Vad weiter. Wir müssten den laufenden Krieg zwischen Russland und der Ukraine vom Ende her denken, meinte der Unternehmensberater schon vor zehn Tagen. Wenn wir den Dritten Weltkrieg nicht wollen, müssen wir früher oder später aus dieser militärischen Eskalationslogik raus und Verhandlungen aufnehmen.“

So ist der Krieg halt, es liegt nicht an Putin und den Russen

Vad warnte schon da davor, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin das Mensch-sein abzusprechen und ihn zum krankhaften Despoten abzustempeln, mit dem man nicht mehr reden könne. So völkerrechtswidrig und furchtbar der Ukrainekrieg sei, so stehe er doch in einer Kette vergleichbarer Kriege jüngeren Datums: Irak, Syrien, Libyen, Afghanistan – so neu ist das alles nicht.“

Schon da wurde sichtbar, dass Vad sichtlich darum bemüht war, Putin und die russischen Aggressoren teilweise zu exkulpieren oder ihre unfassbaren Verbrechen doch zumindest zu relativieren und schon da stellte sich die Frage: Warum will er das?

Auch die viel zu vielen toten Zivilisten und die Massaker, die sich jetzt im Ukraine-Krieg ereigneten, seien leider nicht außergewöhnlich, so Vad Anfang, Mitte April weiter: Im Krieg werden Unschuldige getötet. So ist der Krieg.“ Das sei leider systemimmanent. Die nächste Exkulpation oder Relativierung: Es liegt am Krieg, nicht an Putin und den Russen. Auf die Fragen, a) wer diesen Krieg begonnen hat und b) warum, mit welchem langfristigen Ziel, ging Vad schon da weniger ausführlich ein.

Keinerlei Parteinahme für eine Seite bedeutet den Verbrecher und sein Opfer als gleichranging anzusehen

Er gehe davon aus, dass Putin den ursprünglich von ihm angestrebten Regime-Wechsel in der Ukraine nach dem weitgehenden Abzug aus dem Raum Kiew aufgegeben habe. Deshalb stünden die Chancen für Verhandlungen eigentlich nicht schlecht, meinte Vad vor zehn Tagen und sagte dann, was ihm wohl besonders wichtig zu sein scheint: Beide Seiten könnten gesichtswahrend da rauskommen.“

Schon da fiel auf, dass Vad sich immer in beide Kriegsparteien hinein dachte, was zunächst mal nichts Ungewöhnliches ist für jeden guten Militärstrategen, ähnlich wie für jeden Schachspieler. Aber etwas anderes fiel schon da auf: keinerlei Parteinahme für eine Seite.

Wenn A B überfällt, ihm Gewalt antut, ihn schlägt, vergewaltigt oder sonst wie sexuell nötigt, ihn persönlich mit dem Tode bedroht und ihm zusätzlich auch noch droht, seine gesamte Familie auszulöschen, ohne dass B A irgendetwas auch nur annähernd Vergleichbares angetan hätte, dann stellt sich doch die Frage, ob man A und B, den Aggressor und den Überfallenen, auf eine Stufe stellen kann, ob deren Interessen auf einer Stufe stünden. Das tun sie aber natürlich nicht.

Vad klammert alle moralischen Kategorien aus, damit auch das Völkerrecht und es stellt sich die Frage: Warum?

Es scheint so, dass Vad, der nicht weiß, was der Terminus „Gesinnungsethik“ bedeutet – Fachleute sprechen übrigens eher von a) Tugendethik, b) deontologischer oder Pflichtethik, insbesondere dem Kantianismus als herausragendem deontologischen Ansatz und c) teleologischer (telos = das Ziel, der Zweck) oder konsequentialistischer Ethik, insbesondere dem Utilitarismus (Nutzenethik) -, auch keinerlei moralische Gesichtspunkte in seine Statements mit einbezieht.

Tugendethik-Deontologie-Teleologie (2)

Aber genau darum geht es hier und genau das macht den Unterschied zwischen A und B, zwischen dem Aggressor und dem Überfallenen aus. Genau das ist auch Grundlage des Völkerrechts, das, wie mir scheint, sehr stark auf Gedanken der kantianischen deontologischen Ethik aufbaut, wie übrigens auch die Menschenrechte, unser Grundgesetz, insbesondere der Schlüsselbegriff unserer Verfassung: der Begriff der Menschenwürde. All das ist ohne Kenntnisse von und Verständnis der kantianischen Moralphilosophie kaum zu verstehen.

In einer Welt, in der nur das Recht bzw. die Brutalität des Stärkeren gilt, kann niemand leben wollen

Es kann, um Kants kategorischen Imperativ zu applizieren, zumindest faktisch schlichtweg nicht gewollt werden, dass wir in einer Welt leben, in der jeder permanent Angst haben muss, von einem körperlich oder militärisch Stärkeren, Brutaleren, Rücksichtsloseren, Gemeineren und Hemmungsloseren überfallen zu werden, der dann alles mit einem machen kann, was er nur will. Alles! Logisch widerspruchsfrei mag das vielleicht noch gewollt werden können, ohne sich in Selbstwidersprüche zu verwickeln, aber faktisch kann das niemand wollen, weil ja jeder damit rechnen muss, selbst der momentan Stärkste, Brutalste und Grausamste, dass irgendwann ein anderer kommt, der ihm in diesen Punkten noch überlegen ist und der dann genau das mit ihm selbst macht, was er zuvor all den anderen angetan hat.

In so einer Welt kann niemand leben wollen. Das heißt, die Maxime, der Handlungsgrundsatz, auf dem dieses „Recht des Stärkeren“ beruht, ist nicht verallgemeinerbar, damit ethisch nicht zu rechtfertigen. Das „Recht des Stärkeren“ ist nicht ethisch, sondern moralisch verwerflich. Moral ist der Gegenstandsbereich der philosophischen Ethik, der Moralphilosophie, so wie lebende Organismen der Gegenstandsbereich der Biologie sind oder wie das Verhalten intelligenter Wesen und die Prozesse, die innerlich in ihrer Psyche ablaufen, Gegenstandsbereich der Psychologie sind, Nervensystem der Gegenstandsbereich der Neurowissenschaften und der Aufbau, die Eigenschaften und die Umwandlung von chemischen Stoffen der Gegenstandsbereich der Chemie.

Moral-Ethik

Wer die Moral und Ethik (die vernünftige Reflexion der Moral) außen vor lässt, operiert mit einer halbierten Vernunft

Alle moralischen Aspekte blendet Vad also vollkommen aus und deswegen bezieht er wohl auch keinerlei Position, sondern betrachtet beide Seiten, A und B, den Aggressor und den Überfallenen, Russland und die Ukraine als gleichberechtigt. Dies wäre quasi die harmlosere Variante, Vads Äußerungen zu deuten. Er lässt die Moral, das Völkerrecht, die universalen Menschenrechte, die sich aus der kantianischen deontologischen Ethik ableiten lassen, einfach alles außen vor und operiert quasi mit einer nur halben Vernunft. Er lässt die praktische Vernunft, die normative Ethik (Moralphilosophie) und das normative Völkerrecht einfach außen vor. Es gäbe noch eine andere Variante, Vads Äußerungen zu deuten, die ich ihm nicht unterstellen, sondern nur erwähnen möchte.

Sowohl linksaußen als auch rechtsaußen im politischen Spektrum gibt es oftmals starke Sympathien für das faschistische Russland als den großen Gegenspieler zu der bei Lins- und Rechtsradikalen meist verhassten USA. Mag sein, dass dies überhaupt gar keine Bedeutung hat, wahrscheinlich ist das auch so, es soll nur erwähnt werden.

Vads wiederholte Berührungspunkte ins rechtsradikale und -extremistische Milieu

Erich Vad, der Unternehmensberater und Dozent, schrieb und referierte nämlich für viele, so unter anderem auch vor einigen Jahren für das neurechte Institut für Staatspolitik, das inzwischen vom Bundesamt für Verfassungsschutz als „rechtsextremer Verdachtsfall“ geführt wird und das der Landesverfassungsschutz Sachsen-Anhalt sogar als „gesichert rechtsextrem“ einstuft (rechtsextrem = verfassungsfeindlich, also noch weiter außen als rechtsradikal). Das muss, wie gesagt, überhaupt nichts  bedeuten. Vielleicht wusste Vad nicht so genau, was für ein Institut das ist, bei dem er referierte. 

Vad schrieb aber auch schon vor Jahren für die zumindest ziemlich weit rechts stehende Junge Freiheit, die von Politikwissenschaftlern teilweise als dem „Grenzbereich zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus“ zugeordnet und bisweilen als „Sprachrohr der Neuen Rechten“ (Rechtsradikale und -extremisten) bezeichnet wird.

Außerdem schrieb er für die Sezession, die Zeitschrift des Instituts für Staatspolitik („rechtsextremer Verdachtsfall“ bzw. „gesichert rechtsextrem“). Die Sezession lehnt insbesondere die Moderne, die Aufklärung und alle universalistischen Weltbilder ab. Sie steht also gerade nicht in der Denktradition der kantianischen deontologischen Ethik, der Aufklärung, nicht in der Tradition der universalen Menschenrechte und des Völkerrechts, sondern lehnt diese geistige Tradition weitgehend, wenn nicht sogar vollständig ab.

Und sowohl Links- wie auch Rechtsradikale und -extremisten hegen meist sehr starke Sympathien für das inzwischen ja eindeutig faschistische Russland. Anmerkung: Der Faschismus ist selbstverständlich auch kein rein rechtes Problem. Es gibt einen Links- und einen Rechtsfaschismus und die Grenzziehung zwischen beiden ist manchmal gar nicht exakt möglich. Darüber hinaus gibt es auch einen islamistischen Faschismus. Sie alle eint der Anti-Amerikanismus und die Ablehnung der freiheitlichen, aufgeklärten, menschenrechtsbasieren Demokratie.

Aufgeklärte-freiheitliche-Demokratie-versus-Extremismus

Warum redet Vad ständig im Sinne des faschistischen Russlands?

Aber zurück zu Erich Vad. Ich möchte nun nicht behaupten, dass dieser irgendeine Nähe dazu oder auch nur eine gewisse Sympathie dafür hätte. Eines ist aber klar: Solche Behauptungen, wie sie Vad nun wiederholt geäußert hat, nützen vor allem einer Seite: dem faschistischen Russland.

Dabei ging Vad sogar soweit allen Ernstes zu behaupten, es sei „sicher nicht Putins Absicht gewesen“, die Geburtsklinik zu bombardieren – war quasi wie all die anderen Kriegsverbrechen nur ein weiteres Versehen -, und er fragt allen Ernstes, warum Putin das tun sollte? Ja warum wohl? Man ist geneigt zu fragen: Hat der Mann, ein General (!), überhaupt keine Ahnung von Kriegsführung, insbesondere (nicht psychologischer, sondern) psychischer Kriegsführung, die darauf abzielt, die Psyche des Feindes zu schwächen (nicht seine Psychologie) und zu der gerade für Faschisten der Terror mit dazu gehört?

Oder hat es eben andere Gründe, warum er solche Dinge immer wieder von sich gibt? Warum redet er ständig im Sinne Russlands, dem Land das ganz Europa mit Atomwaffen, sprich mit der totalen Vernichtung droht? Und dieser Mann hat Merkel acht Jahre lang in militärischen Dingen beraten. Das wirft zumindest einige Fragen auf.

Der ukranische Botschafter Andrij Melnyk meinte dazu:

Ist möglicherweise ein Twitter-Screenshot von 2 Personen

Nun aber zu dem, was Vad gestern Abend in Maybrit Illner sagte.

Vad: Wir sollten nicht sagen, „wir wollen den Sieg der Ukraine“

Ich zitiere Vad wörtlich und werde es zwischendurch kommentieren:

Vad: „Ich glaube, wichtig ist jetzt von der politischen Seite her nicht zu sagen, ‚wir wollen den Sieg der Ukraine‘. Wir wollen den Ukrainern helfen. Das ist richtig.“

Wobei helfen? Dass die Ukrainer die russische Aggression abwehren und zurückschlagen können oder helfen, die Verwundeten zu versorgen, die Toten zu beerdigen und die Flüchtlinge bei uns aufnehmen?

Vad: „Wir unterstützen sie auch massiv. Aber ich muss sagen, vom Ende her denken heißt für mich nicht, ein militärischer Sieg einer Seite in diesem Konflikt. Sondern: ein baldiges Ende dieses Konfliktes – wie immer geartet, mit einer politischen Lösung.“

Ein baldiges Ende wäre z.B. auch wenn die Russen die Ukraine mit Atomwaffen zerstören, zig Millionen Menschen ganz schnell töten und dann das Land übernehmen. Dann wäre alles schnell vorbei. Ein schnelles Ende des Konflikts wäre natürlich auch, wenn die Ukrainer aufgeben. Dann wäre der Krieg sofort beendet. Was das für die Menschen bedeuten würde, was die Russen dann mit all denen machen würden, die nicht all das tun, was die Besatzer wollen, kann man sich ausmalen. Aber der Krieg wäre vorbei. Ist es wirklich das, worum es uns geht? Und was machen wir, wenn Russland dann in wenigen Wochen oder Monaten das nächste Land überfällt? Wieder den Konflikt sobald wie möglich beenden?

Vad will einfach nur „diesen Krieg beenden und nicht auf Sieg setzen“

Weiter sagte Erich Vad gestern Abend:

Vad: „Mich stört es, wenn deutsche Politiker von den Grünen militärische Lösung als ultimatives Ziel darstellen.

Das tun auch Grüne, aber nicht nur. Das tun auch sehr viele Sicherheits- und Militärexperten.

Vad: „Das ist doch verrückt. Und das machen Politiker, die mit Militär nichts am Hut hatten, die den Wehrdienst verweigert haben, die von der Bundeswehr nichts wissen. Das geht doch nicht.“

Das kann man zu Recht kritisieren, dass viele Grünen-Politiker den Wehrdienst verweigert und sich in der Vergangenheit viel zu wenig mit Sicherheitspolitik und Verteidigung beschäftigt haben. Aber das macht die Position doch nicht automatisch falsch. Zumal sie ja auch von ganz anderen Leuten geteilt wird, die sehr viel Ahnung haben von Sicherheits- und Verteidigungspolitik, nicht nur Roderich Kiesewetter, CDU-Bundestagsabgeordneter und Oberst a.D., sondern auch etlichen anderen.

Vad: „Der Zustand muss so sein am Ende, dass wir wieder in einen wie immer gearteten Waffenstillstand kommen. Und dazu gehört, dass wir irgendwann diesen Krieg beenden und nicht auf Sieg setzen.“

Als ob wir den Krieg einfach so beenden könnten. Wo lebt dieser Mann eigentlich? Dieser Krieg kann vom Aggressor, also von Russland, das einen souveränen Nachbarstaat überfallen hat, in dessen Territorium seine Streitkräfte eingedrungen sind und dort zigtausende Menschen getötet, viele vergewaltigt und schwer misshandelt haben, sofort beendet werden. Die Russen können sich jederzeit zurückziehen. Aber die Ukrainer und der Westen, „wir“ können diesen Krieg nicht einfach so beenden. Wie stellt Vad sich das denn vor? Wie kann man so weltfremd sein?

„Wir müssen möglichst schnell aus dem Konflikt raus“

Direkt anschließend sagte der Brigadegeneral a. D. dann:

„Das ist ja eine Rhetorik, die nicht geht. In der modernen Friedens- und Konfliktforschung ist das ein echtes Novum.“

Herr Vad, es geht hier nicht um einen Konflikt eines Ehepaares, sondern um einen Überall eines faschistischen Staates auf ein freies, souveränes Land, mit dem Ziel, dessen Eigenständigkeit, dessen nationale Identität und dessen Geschichte auszulöschen und es dem eigenen Imperium, das errichtet werden soll, anzuschließen, inklusive Zwangsdeportationen, Exekutionen von Gefangenen, Zivilisten und der politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und geistigen Elite, so diese sich nicht bedingungslos den Russen unterwirft. Wie sollte da ein Kompromiss in diesem „Konflikt“ aussehen? Es wird hier keinen Kompromiss geben, wenn den Russen nicht ganz empfindliche militärische Niederlagen zugefügt werden unter hohen Verlusten an Menschen und Material. Warum sollte Putin sonst von seinen Zielen abrücken?

Vad: „Ich sag ja nur der Ansatz muss ein anderer sein. Wir müssen möglichst schnell aus dem Konflikt raus.

Nochmals Herr Vad, „wir“ können diesen Krieg nicht beenden. Das können nur die Russen, indem sie sich zurückziehen auf ihr eigenes Territorium. Wenn Sie sagen „Wir müssen möglichst schnell aus dem Konflikt raus“, dann heißt das nichts anderes als sich auf eine neutrale Position zurückziehen, die Ukrainer alleine lassen und sie damit ihrem Schicksal ausliefern, das dann in der Tat früher oder später in einer Niederlage enden würde, somit einem Sieg Russlands, inklusive all der Folgen, die den Menschen in der Ukraine dann blühen, die man sich gar nicht vorstellen möchte.

Dann aber wäre für Putin erneut, wie nach Tschetschenien, Georgien, Syrien, der Krim klar – um im Sinne einer konsequentialistischen / teleologischen Ethik und auch einer rein militärisch-politischen Logik zu argumentieren – , dass er mit seiner Aggression immer durchkommt, weil der Westen, wir, sich nicht traut, der Aggression etwas Adäquates entgegen zu setzen. Was sollte ihn dann aufhalten, sich als nächstes Moldawien, dann Estland, Lettland, Litauen, dann Finnland, Schweden und schließlich Polen usw. usf. zu nehmen? Was sollte ihn dann noch aufhalten, wenn er doch weiß, dass wir nie bereit sind, uns Russland, das ja Nuklearwaffen hat, entgegen zu stellen, weil es ja militärisch so stark ist?

Damit würden wir zurückfallen in eine neue Ära, in der das „Recht des Stärkeren“, also die Gewalt der Stärkeren die Welt insgesamt nicht nur ein wenig, sondern total dominiert. Können wir das wirklich wollen? Genau das ist die Frage, die sich nach Kants kategorischem Imperativ stellt und die den universalen Menschenrechten, dem Völkerrecht und unserer Verfassung zu Grunde liegt. Es erscheint hier also egal, ob man nun deontologisch oder konsequentialistisch ethisch oder ob man rein nach politisch-militärischer Logik argumentiert, das Ergebnis dürfte immer das gleiche sein: Russland muss gestoppt werden

„Da müssen wir vorsichtig sein mit Waffenlieferungen“, auf den Sieg einer Seite zu setzen, sei ein Fehler

Weiter meinte Vad:

„Wir können in Zentraleuropa keinen Stellvertreterkrieg auf Jahre gebrauchen, der das Potential hat, zu einem Nuklearkrieg zu eskalieren, weil Russland ist nicht Serbien, ist nicht Irak, ist nicht Afghanistan, ist nicht Libyen. Russland ist eine Nuklearmacht mit den meisten Nuklearwaffen weltweit. Das ist ein Unterschied.“

Ja, das ist ein Unterschied. Deswegen braucht es hier vereinte Kräfte der gesamten westlichen, freien, menschenrechts- und völkerrechtsbasierten Welt. Genau deswegen. Und deswegen sollte das von der Ampel unter Führung der SPD, unter Führung von Bundeskanzler Olaf Scholz regierte Deutschland nicht permanent nach hinten ausscheren, sondern sich zumindest in der Mitte der EU und der NATO-Partner zu bewegen, besser aber dort die Führung mit anderen zusammen übernehmen.

Vad:Und da müssen wir vorsichtig sein mit Waffenlieferungen.“

Nein, deswegen müssen wir gerade viel mehr tun, eben weil der Gegner nicht Serbien oder der Irak, sondern eine militärische Weltmacht ist. Da reicht nicht ein wenig unterstützen, da reicht nur viel unterstützen, eben wegen der militärischen Überlegenheit Russlands gegenüber der überfallenen Ukraine.

Vad: „Und vor allen Dingen mit unserer Kriegsrhetorik. Und vor allen Dingen mit einer Rhetorik, die sagt, wir setzen auf den Sieg einer Seite. Das ist ein Fehler. Vom Ansatz her ist das ein Fehler.“

Friedrich Merz: Wir müssen „dem industriellen-militärischen Komplex Russlands das Rückgrat brechen

Nein, das ist kein Fehler, sondern das ist das einzig Richtige in diesem Fall. Dieser Krieg, der nur der Anfang einer ganzen Reihe weiterer Kriege sein dürfte, wenn wir Russland jetzt nicht stoppen, kann von uns nur erfolgreich gestaltet werden, wenn wir, um Friedrich Merz, den CDU-Bundesvorsitzenden und Unions-Fraktionsvorsitzeden im Deutschen Bundestag, zu zitieren und das wäre mithin das realistische Ziel von unserer Seite:

dem industriellen-militärischen Komplex Russlands das Rückgrat zu brechen, dafür zu sorgen, dass diese Kriegsmaschinerie zusammenbricht, ökonomisch zusammenbricht, und nicht mehr in der Lage ist, Nachschub zu bekommen.“

Das muss ethisch-moralisch, deontologisch-kantianisch wie teleologisch-konsequentialistisch, und politisch-militärisch unser Ziel sein, denn vorher wird es auf Jahrzehnte hinaus keinen Frieden mehr geben in Europa.

Die Ukrainer halten auch für uns ihre Köpfe und Leiber hin

Und bis Russland das ökonomische Rückgrat gebrochen sein wird, ist es – da dies mindestens viele Monate, wenn nicht ein, zwei Jahre dauern wird – notwendig, nötig, erforderlich und geboten (!), die Ukraine militärisch mit allem zu unterstützen, was wir nur entbehren und liefern können, a) um so unzählige Menschen in der Ukraine vor dem Massakriert-, Vergewaltigt- und Zwangsdeportiert-Werden zu schützen, so gut es geht, b) um Russland militärisch maximalen Schaden zuzufügen – ohne dabei selbst zu sehr Schaden zu nehmen (entscheidend ist natürlich immer die Gesamtbilanz zwischen eigenem und Feindschaden) -, weil jeder tote oder schwerverletzte russische Soldat, jeder zerstörte Panzer, jeder abgeschossene Kampfflieger, jede vernichtete Raketenabschussbasis, jeder abgeschossene Hubschrauber, jedes versenkte Kriegsschiff etc. für weitere Überfälle auf Moldawien, Estland, Lettland, Litauen, Finnland, Schweden, Polen, Deutschland nicht mehr zur Verfügung steht.

Das heißt, die Ukrainer, die einen unglaublichen Mut, eine unglaubliche Tapferkeit, auch Widerstandswille und Resilienz an den Tag legen, halten auch für uns ihre Köpfe und Leiber hin. Tausende und Abertausende lassen ihr Leben nicht nur für ihr Land, sondern auch für die westliche, freie, menschenrechtsbasierte Welt. Und deswegen müssen wir alles tun, was wir nur können, um die Ukrainer zu unterstützen und Russland Aggression Einhalt zu gebieten. Bitte machen Sie da mit, Herr Vad mit Ihre Fachexpertise, und fallen den Ukrainern bitte nicht in den Rücken!

Erich Vad gestern Abend bei Maybrit Illner

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