Kobold oder Kobalt ist doch völlig egal, unsere Wähler interessiert das eh nicht

Von Axel Stöcker, Di. 27. Aug 2019, Titelbild: YouTube-Screenshot aus Bericht aus Berlin

Wie keine zweite Partei stehen die Grünen für Vielfalt, Offenheit, Dialog und das tägliche Neuaushandeln des gesellschaftlichen Miteinanders. Da war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis sich jemand aus der Partei auch zu einem Interview mit JFB bereit erklärt, was uns natürlich sehr freut. Wobei sich am Ende herausstellte … Nun ja, lesen Sie selbst. Axel Stöcker sprach für JFB mit Annalena Baerbock.

Es geht auch ohne Studium, sieht man doch an Katrin

JFB: Frau Baerbock, vor zwei Jahren zogen die Grünen als kleinste von sechs Parteien in den Bundestag ein. Nun liegen sie in den Umfragen auf Platz zwei, knapp hinter der Union, die sie zeitweilig sogar hinter sich gelassen hatten. Was ist das Erfolgsrezept der Grünen?

AB: Ich denke, dass die Menschen es schätzen, wenn man ihnen reinen Wein einschenkt. Wir sind immer offen und ehrlich, was die Probleme und unsere Lösungsvorschläge angeht. Wir wollen saubere Luft in den Städten, also brauchen wir Dieselfahrverbote. Wir wollen weniger CO2 ausstoßen, also müssen wir weniger Fleisch essen. Da ist nicht unbedingt populär, aber wenn man es den Menschen erklärt, machen sie das auch.

JFB: Aber liegt es nicht auch am Personal? Sie selbst wurden zusammen mit Robert Habeck zur Parteivorsitzenden gewählt. Seither geht es – mit einigen Schwankungen – in den Umfragen nur noch bergauf.

AB: Sagen wir, ich versuche meinen Teil beizutragen.

JFB: Immerhin haben Sie im Gegensatz zu Katrin Göhring-Eckhardt und Claudia Roth ein abgeschlossenes Studium vorzuweisen.

AB: Das ist richtig. Aber das sollte man nicht so hoch hängen. Auch wer kein Studium hat, kann intelligente Dinge äußern, die die Gesellschaft voranbringen. Denken Sie nur an Katrin. Als sich 2015 bei der sogenannten Flüchtlingskrise herausstellte, dass doch nicht nur Zahnärzte und Ingenieure kamen, hat sie als erste erkannt, dass wir ja auch Leute brauchen, die sich in unseren Sozialsystemen wohlfühlen. Ich meine, da muss man ja auch erst einmal drauf kommen…

JFBJa, in der Tat. Da wäre unsereins …

AB: …eben! Und das ohne Studium. Und außerdem können auch Studierte Unsinn reden.

Kobold oder Kobalt ist doch völlig egal, wo ist der Unterschied? Zwei Buchstaben!

JFBDas stimmt. Da haben Sie ja auch den einen oder anderen Baerbock geschossen, wie es in der Presse hieß. Bei Maybrit Illner haben Sie Tonnen mit Gigatonnen verwechselt und damit die CO2-Emission eines durchschnittlichen Deutschen mal eben um den Faktor eine Milliarde vergrößert.

AB (lacht): Ach ja, wissen Sie, auf ein paar Nullen mehr oder weniger kommt es nicht so an. Da halte ich es wie Mario Draghi. Wir müssen den CO2-Ausstoß drosseln, egal wie hoch er ist. Whatever it takes!

JFBIm ARD-Sommerinterview sagten Sie, die Batterien von E-Autos enthielten „Kobold“ statt Kobalt (hier ab 10:00).

Kobolde

Kobolde, Pixabay, CC0 Public Domain

Was hatte es damit auf sich? War das ein versteckter Hinweis, dass die Grünen eben noch immer im mythischen Weltbild verhaftet sind und das so auch gut sei?

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Noch ein Kobold

AB: Naja, aber das ist ja jetzt wirklich kleinlich. Ich meine, Kobold oder Kobalt, das sind ja gerade mal zwei Buchstaben Unterschied. Solche Feinheiten interessieren unsere Wähler doch nun wirklich nicht. Und mythisches Weltbild? Was ist das? Nö, wir haben ein ökologisches Weltbild.

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Kobalt, Didier Descouens [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)%5D

JFB: Nun gut, bleiben wir also bei Ökologie, zum Beispiel beim Thema E-Mobilität. Bei den Batterien gibt es ja noch mehr kritische Punkte…

AB: Ja, ich weiß. Man braucht dafür auch jede Menge Lecithin!

JFB: Sie meinen Lithium?

AB: Ja, genau!

Bürgermeisterinnen, Bürgermeister, Bürgerinnenmeisterinnen und Bürgerinnenmeister

JFBEben. Beim Lithiumabbau in Südamerika werden enorme Mengen Grundwasser verbraucht und der Lebensraum indigener Völker wird zerstört. Können Sie das moralisch vor den Menschen in Südamerika, vor hunderten Millionen Südamerikanern verantworten?

AB: Nun kommen Sie mir mal nicht mit völkischen Argumenten! Damit leisten Sie nur dem Rechtspopulismus Vorschub. Außerdem bitte keinen Sexismus! Es heißt nicht „vor  Südamerikanern“, sondern „vor Südamerikanerinnen und Südamerikanern“. Und im Übrigen: Was Moral ist, entscheiden immer noch wir als grüne Partei. Wer hat denn all die Skandale der anderen aufgedeckt?

JFB: Es gibt aber noch weitere Probleme mit der E-Mobilität. Zum Beispiel kann die Windenergie aus dem Norden nicht in den Süden transportiert werden, weil der Bau von Stromtrassen immer wieder an Bürgerbegehren scheitert. Was wollen Sie dagegen unternehmen?

AB: Ja, das ist richtig. Deshalb ist es wichtig, dass wir als Grüne auch lokal gut verankert sind. Dann können wir in den Gemeinden den Weg freimachen für klimaneutrale Energie und eben auch für Stromtrassen. Wir brauchen unbedingt mehr grüne Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die dann vor Ort…

JFB…und Bürgerinnenmeister?

AB: Bitte?

JFB: Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister stehen ja nicht nur den Bürgern vor, sondern auch den Bürgerinnen. Deshalb: Bürgerinnenmeister.

AB: Ja, da haben Sie natürlich Recht. Wir brauchen also mehr grüne Bürgermeisterinnen, Bürgermeister und Bürgerinnenmeister, die dann…

JFB…und Bürgerinnenmeisterinnen! Ich meine, es kann ja wohl nicht sein, dass Bürgerinnen nur von männlichen Bürgerinnenmeistern vertreten werden.

AB: Aber hallo! Auf gar keinen Fall! Also mehr Bürgermeisterinnen, Bürgermeister, Bürgerinnenmeister und Bürgerinnenmeisterinnen, die dann…

JFBMüssten die Bürgerinnenmeisterinnen nicht als erstes genannt werden, vor den Bürgermeisterinnen und den Bürgerinnenmeistern?

AB: Ja, haben Sie auch wieder Recht. Also wir brauchen mehr Bürgerinnenmeisterinnen und Bürgerinnenmeister, mehr Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die dann … Wie war nochmal Ihre Frage?

Im Osten müssen wir mehr mit den Leuten ins Gespräch kommen, deswegen haben wir auch die Podiumsdiskussion in Chemnitz verhindert

JFB: Egal. Ich wollte Sie eigentlich noch zu Bürgermeisterhelfern fragen, aber die Zeit haben wir nicht. Das Wesentliche ist klar geworden, denke ich. Reden wir über die laufenden Wahlkämpfe in Brandenburg und Sachsen. Wie läuft es? Wie ist die Stimmung an der Basis?

AB: Die Stimmung ist gut. Wir nehmen auch im Osten zu, wenn auch langsamer. Das Umfeld ist anders als im Westen. Man muss hier noch mehr klare Kante gegen rechts zeigen. Und es ist noch wichtiger, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Das tun wir auch. Erst kürzlich haben wir deshalb eine Podiumsdiskussion beim MDR zu den Vorfällen in Chemnitz vor einem Jahr verhindert.

JFB: Vorbildlich! Und wie läuft die politische Auseinandersetzung mit den politischen Konkurrenten?

AB: Insgesamt sehr fair und konstruktiv, weil die anderen uns ja alle Recht geben. Ich meine das Klima muss nun mal gerettet werden! Mit Ausnahme der AfD natürlich. Diese Partei trägt einen Ton in die Debatte, der nur schwer zu ertragen ist.

JFB: Die AfD beklagt allerdings ihrerseits manchmal den Ton anderer Parteien oder der Median. Frau Weidel musste sich zum Beispiel vor einiger Zeit als „Nazi-Schlampe“ bezeichnen lassen.

AB: Ja, das ist natürlich ganz typisch, dass sich die AfD hier in die Opferrolle begibt. Ich meine, ganz abgesehen davon, dass ich persönlich die Bezeichnung gar nicht so unpassend finde, muss man ja dazusagen, dass der Begriff in einer Satiresendung fiel. Und da ist dann die Freiheit der Kunst einfach wichtiger als persönliche Befindlichkeiten.

JFB: Frau Weidel hat versucht, sich juristisch dagegen zu wehren. Hätten Sie an ihrer Stelle auch so gehandelt?

AB: Nie im Leben! Dass hier von Seiten der AfD gegen die Kunstfreiheit geklagt wird, zeigt deutlich die Gesinnung dieser Partei. Die sind offenbar noch gar nicht in dieser Demokratie angekommen, sondern stecken geistig noch irgendwo zwischen 1933 und 1945. Ganz abgesehen davon, dass die Rechtspopulisten ganz offensichtlich keinerlei Humor haben.

Wir haben einfach viel mehr Humor als die Rechten

JFB: Wo wir gerade bei Satire sind – auch Sie hatten ja gerade erst ein kleines Erlebnis mit dem You-Tuber Klemens Kilic. Er lotste Sie vor die Kamera, wo Sie sagten „Am 1. September Grün wählen für das Klima!“ worauf er ergänzte „Und Blau wählen für Deutschland und Sachsen!“. Eine freche, aber sehr originelle Aktion, die Sie sicher lustig fan….

AB: Hören Sie bloß auf! Dieser Nazi-Ar…, Verzeihung, dieser Nazi-Blogger hat mich hinters Licht geführt. Zuerst hat er mir nämlich vorgespielt, er stünde den Grünen nahe. Ich bin hier ganz klar das Opfer, das in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt wurde.

JFBAber wieso sind Sie in Ihren Persönlichkeitsrechten verletzt, wenn Herr Kilic der Meinung ist, man solle „blau wählen“? Ich bitte Sie, Frau Baerbock, das muss man doch sportlich nehmen.

AB: Wie sind Sie denn drauf?? Hier wird zu Wahl einer faschistischen Partei aufgerufen und Sie finden das offenbar lustig!

JFBWerden Sie jetzt juristisch gegen Herrn Kilic vorgehen?

AB: Das habe ich natürlich schon versucht. Wir haben diesen Rechtsradikalen ja extra zehn Minuten lang festgehalten und dann der Polizei übergeben. Aber in diesem Scheißland haben Rechtspopulisten offenbar Narrenfreiheit. Mein Anwalt hat mir erklärt, dass da wohl nichts zu machen ist. Kunstfreiheit für Rechte – da lachen ja die Hühner! Das werden wir als erstes ändern, wenn wir an der Macht… also, ich meine: wenn wir in einer Regierung sind. Bis dahin haben wir in der Partei erst einmal beschlossen, dass wir mehr Personal einstellen und damit einen eigenen Sicherheits-Service einrichten, der solche Fälle in Zukunft unterbindet.

Sicherheitsservice! Sicherheitsservice!!!

JFB: Das klingt vernünftig. Falls der Sicherheits-Service eine feste Einrichtung wird, brauchen Sie dafür natürlich ein griffiges Kürzel. Schon eine Idee?

AB: Vielleicht nehmen wir einfach die Anfangsbuchstaben, man wird sehen. Einstweilen habe ich mich jedenfalls entschieden, nur noch Interviews mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu machen. So wie mit Ihnen.

JFB: Äh, wir sind aber gar nicht vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

AB: Wieso? Sie sind doch vom Sender Freies Berlin. So hieß es am Telefon! Ein Interview mit SFB.

JFB: Nein, nein, nicht SFB, JFB! Jürgen Fritz Blog. Wir sind kein Staats-, sondern ein vollkommen unabhängiges Medium. Ich meine, ist ja auch nur ein Buchstabe Unterschied, sogar weniger als bei Kobold und Kobalt…

AB: Waaaas??? Sicherheits-Service, ergreift diesen Typen!

JFB: (im Weglaufen, außer Atem): Frau Baerbock … wir bedanken uns … für dieses … Gespräch.

AB (schreit): Lassen Sie sich hier nie wieder blicken! Sicherheits-Service! Sicherheits-Service!!!

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Das Interview für JFB führte Axel Stöcker, der zum Glück wieder heil aus der Höhle der Grünen herausgekommen ist, nach seinen Eindrücken dort aber nicht willens ist, sich da noch einmal hinein zu begeben. Aber das wird sich sicherlich legen, wenn der erste Schreck überwunden ist.

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Zum Autor: Axel Stöcker, Jg. 1967, hat Mathematik und Chemie studiert und ist Gymnasiallehrer. Auf seinem Blog, die-grossen-fragen.com, arbeitet er sich an den großen Fragen zwischen Naturwissenschaft und Philosophie ab. Doch auch politische Verwerfungen stacheln ihn gelegentlich zu Kommentaren und Satiren an.

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