Corona: Deutschland überholt Italien und die USA im Sterben

Von Jürgen Fritz, So. 10. Jan 2021, Titelbild: Our World in Data-Screenshot

In Australien starben in den letzten sieben Tagen null Menschen an COVID-19. In Südkorea und in Japan waren es pro eine Million Einwohner drei, in Italien 56, in den USA 67, in Deutschland aber über 73, mehr als 10,4 pro Tag pro eine Million Einwohner. Das heißt, es sterben bei uns inzwischen jeden Tag im Schnitt 850 bis 900 Menschen an COVID-19, erstmals mehr als 6.000 in einer Woche. Beim Impfen jedoch gehören wir anders als beim Sterben nicht zur Spitzengruppe.

Durch die erste Welle der Pandemie kam Deutschland recht glimpflich

Deutschland kam insgesamt recht glimpflich durch die erste Welle der COVID-19-Pandemie. Ende Mai 2020 zählten wir ca. 8.600 Corona-Tote. Im Vergleich zu vielen anderen Ländern war das eher wenig. Die Bundesregierung und die Landesregierungen der 16 Bundesländer hatten auch bis dahin nicht alles richtig gemacht, aber auch nicht alles schlecht oder verkehrt. Sicherlich kam auch eine gehörige Portion Glück dazu, dass einfach weniger Menschen das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 nach Deutschland eingeschleppt haben also zum Beispiel nach Italien oder Spanien.

In den nächsten Monaten beruhigte sich dann die Situation weitgehend. In den nächsten vier Monaten bis Ende September kamen in ganz Deutschland nicht einmal tausend COVID-19-Todesfälle dazu. Es hatte den Anschein, dass Deutschland vielleicht sogar die gesamte Pandemie recht gut überstehen könnte. Doch es sollte ganz anders kommen.

Schon im September war zu erkennen, dass sich eine zweite Welle aufbaut, doch Merkel gab die Impfstoffbeschaffung an die EU ab

Bereits Ende September war aber zu erkennen, dass die Neuinfektionen und mit entsprechend zeitlicher Verzögerung dann auch täglichen Todesfallzahlen – immer bezogen auf das Sieben-Tage-Mittel – deutlich ansteigen. Im Oktober stiegen die täglichen Todesfälle von zunächst 3 bis 10 im Sieben-Tage-Mittel auf 10 bis 20, dann 30, 40, 50, 60, Ende Oktober dann schon 60 bis 70. Doch das war erst der Anfang.

Die Kanzlerin hatte frühzeitig, bereits Ende September! gewarnt, dass sich ein neues exponentielles Wachstum aufbaue. Viele, darunter wohl auch nicht wenige Ministerpräsidenten, wussten zu dem Zeitpunkt wohl noch immer nicht, was das sein soll exponentielles Wachstum. „The greatest shortcoming of the human race is our inability to understand the exponential function“ (Die größte Schwäche der Menschheit ist ihre Unfähigkeit, die Exponentialfunktion zu verstehen), meinte der 2013 verstorbene Physiker Albert Allen Bartlett. Und nie wurde das wohl deutlicher als in dieser Pandemie.

Denn Merkel sollte mir ihrer Warnung von Ende September mehr als Recht behalten. Zugleich aber – nahezu unverzeihlich! – wies sie ihren Gesundheitsminister Jens Spahn, der von Anfang an eine eher nur halbgute Figur machte in dieser Pandemie, an, er solle die Impfstoffbeschaffung nicht weiter selbst in die Hand nehmen, sondern das an die EU abgeben, als ob die EU jemals irgendetwas auf die Reihe bekommen hätte, wenn es schnell gehen musste.

Und Spahn war a) folgsam, tat wie ihm angewiesen von der Kanzlerin, und kam b) auch nicht auf die Idee darüber hinaus sich noch selbst um die Sache zu kümmern und zusätzliche Verträge mit verschiedenen Impfstoffproduzenten und -forschungsinstituten abzuschließen, um das Ganze zu beschleunigen und die Versorgung sicherzustellen, was ihm die SPD, insbesondere Vizekanzler Olaf Scholz, nunmehr drastisch vorwirft, nicht zu Unrecht. Denn wer die Exponentialfunktion und diese Pandemie verstanden hatte, dem war klar, dass der schnellstmöglichen Impfung möglichst vieler Menschen eine Schlüsselrolle zukommen würde in diesem Kampf gegen das Virus.

Im November und Dezember begann dann nach monatelangen schweren Versäumnissen das große Sterben

All das und vieles andere mehr wurde versäumt. Die Alten- und Pflegeheime wurden auch ein dreiviertel Jahr nach Ausbruch der Pandemie nicht adäquat geschützt, die Versorgung der Bevölkerung mit FFP2-Masken klappt bis heute nicht richtig, Impfstoffe wurden nicht genug bestellt, die Außengrenzen wurden so gut wie gar nicht gesichert, Quarantäne-Bestimmungen wurden kaum kontrolliert, die Corona-App erwies sich als kaum brauchbar zur Kontaktverfolgung, unter anderem, weil man nicht an den Datenschutz ran wollte, Datensicherheit erschien vielen wichtiger als die Sicherheit vor einem Virus, das für manche Menschen tödlich sein kann und das geeignet ist, eine gesamte Volkswirtschaft zum Teil lahm zu legen mit hunderten Milliarden Euro Schaden.

Im November stiegen die täglichen Todesfallzahlen dann in der Tat weiter drastisch an, auf 80, 90, am 5. November ging es schon über 100. Dann 120, am 11. November schon auf über 150. Wieder eine Woche später waren es schon über 200 und nochmal zehn Tage ging es auf über 300 Tote an einem Tag, mehr als jemals zuvor. Der Lockdown-light verhinderte zwar das Allerschlimmste, reichte aber lange nicht, um nicht nur das exponentielle, sondern überhaupt das Wachstum zu brechen.

Die Todesfallzahlen stiegen im Dezember weiter an. Am 8. Dezember waren es schon 400 Tote am Tag und nur eine Woche später, am 15. Dezember erstmals über 500 Menschen, die an einem Tag infolge der Infektion mit SARS-CoV-2 starben. Doch es war lange noch nicht Schluss. Schon vier Tage später waren es über 600 Tote an einem Tag und am 23. Dezember 670. Dann kam Heilig Abend, Weihnachten, die Zeit zwischen den Jahren, Silvester und Neujahr und die Meldungen der Gesundheitsämter waren ab jetzt nicht mehr zeitnah und zuverlässig. Das heißt, jetzt wussten wir gar nicht mehr genau, wie viele Menschen überhaupt an COVID-19 sterben. Im Januar zeigte sich dann aber allmählich, die täglichen Todesfallzahlen waren wohl nur deswegen nicht weiter angestiegen, weil vorübergehend nicht alles gemeldet wurde.

Inzwischen sind wir bei 41.000 Corona-Toten und erstmals über 6.000 in einer Woche

Inzwischen sind wir zum Stand gestern, 09.01.2021, bei etwa 41.000 Todesfällen in Deutschland infolge der Infektion mit SARS-CoV-2. Wir erinnern uns: Ende Mai waren es gerade 8.600. Jetzt sind wir schon fast bei dem fünffachen Wert davon. Die zweite Welle ist schon jetzt fast viermal so verheerend wie die erste und ein Ende ist noch lange nicht in Sicht.

Das Erschreckendste aber von allem: Inzwischen sind die täglichen Todesfälle noch weiter angestiegen, liegen nicht mehr bei dem ohnehin schon astronomischen Wert von durchschnittlich 670, wie unmittelbar vor Heilig Abend, sondern stiegen weiter auf jetzt 850 bis 900. In den letzten sieben Tage wurden erstmals mehr als 6.000 COVID-19-Tote registriert.

Damit hat Deutschland bezogen auf die Bevölkerungsgröße fast alle Länder der Erde überholt, außer Tschechien, der Slowakei, Slowenien, Großbritannien, welches nachdem es von einer hochansteckenden Mutation heimgesucht wird, derzeit in der Pandemie regelecht zu versinken droht, Ungarn und Kroatien.

COVID-19-Todesfälle in den letzten sieben Tagen pro eine Million Einwohner: Deutschland überholt Italien, USA und Schweden

  1. Tschechien: 107,45
  2. Slowakei: 107,31
  3. Slowenien: 95,69
  4. Großbritannien: 84,35
  5. Ungarn: 80,01
  6. Kroatien: 79,38
  7. Deutschland: 73,01
  8. Schweden: 69,93
  9. USA: 66,85
  10. Bosnien-Herzegowina: 66,78
  11. Bulgarien: 65,17
  12. Portugal: 64,33
  13. Schweiz: 60,55
  14. Italien: 56,35
  15. Europäische Union: 51,94
  16. Polen: 51,59
  17. Luxemburg: 51,1
  18. Mexiko: 49,28
  19. Europa: 47,74
  20. Österreich: 45,78
  21. Nordmazedonien: 44,17
  22. Niederlande: 43,54
  23. Frankreich: 41,16
  24. Dänemark: 34,16
  25. Belgien: 34,02
  26. Brasilien: 32,48
  27. Kanada: 30,8
  28. Griechenland: 29,33
  29. Israel: 29,26
  30. Argentinien: 23,03
  31. Russland: 22,54
  32. Irland: 17,01
  33. Chile: 16,38
  34. Türkei: 15,82
  35. Iran: 7,91
  36. Norwegen: 6,65
  37. Indonesien: 5,11
  38. Finnland: 4,48
  39. Afrika: 4,06
  40. Ägypten: 3,92
  41. Japan: 3,43
  42. Südkorea: 3,08
  43. Vereinigte Arabische Emirate: 2,8
  44. Bahrain: 1,75
  45. Indien: 1,12
  46. Thailand: <0,07
  47. China: <0,07
  48. Island: 0
  49. Neuseeland: 0
  50. Australien: 0

Das heißt, in kaum einem Land der Erde – abgesehen von diesen sechs – wird derzeit so an COVID-19 gestorben wie in Deutschland. Und wir haben den Impfstoff, der in Deutschland entwickelt wurde, nicht annähernd in ausreichendem Maße geordert, so dass im ersten Quartal 2021 wirklich zig Millionen Menschen zweimal geimpft werden könnten.

Wir müssen mindestens neunmal so schnell sein, wenn wir innerhalb eines Jahres 80 Prozent der Bevölkerung zweimal impfen wollen

Nach fast zwei Wochen (13 Tagen) sind gerade einmal 0,64 Prozent der Bevölkerung Deutschlands geimpft. Geht es in diesem Tempo weiter sind nach einem Jahr gerade 9 Prozent der Bevölkerung zweimal geimpft, 91 Prozent aber nicht ein einziges Mal. Und die Impfung müsste nach einem Jahr bei denen, die in den ersten Monaten geimpft wurden, schon wieder aufgefrischt werden.

Das heißt, wir müssen mindestens neunmal so schnell sein, wenn wir innerhalb eines Jahres 80 Prozent der Bevölkerung zweimal impfen wollen. Wir müssen also unser Tempo um 800 Prozent steigern, was voraussetzt, dass auch genügend Impfstoff zur Verfügung steht in den nächsten Wochen und Monaten.

Während Deutschland also im Sterben an COVID-19 inzwischen zur absoluten Spitzengruppe weltweit gehört, sind wir beim Impfen nicht mal Mittelmaß, sondern gehören hier eher zum unteren Drittel.

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