Union kann Abwärtstrend stoppen, Grüne fallen weiter, Die Linke auf Neun-Jahres-Tief

Von Jürgen Fritz, So. 12. Sept 2021, Titelbild: © JFB

Für die SPD, die nun auf fast 26 Prozent steht, hielt der Höhenflug diese Woche noch an, CDU/CSU können ihren Abwärtstrend noch nicht drehen, aber zumindest bei über 21 Prozent stoppen, während es für die Grünen erstmals seit 2018 auf unter 16 Prozent weiter nach unten geht. FDP und AfD recht stabil bei 11 bis 12 Prozent, Die Linke aber fällt auf ein Neun-Jahres-Tief, liegt nur noch minimal über 6 Prozent.

SPD weiter im Höhenflug, Die Grünen fallen erstmals seit 2018 unter 16 Prozent, Die Linke auf Neun-Jahres-Tief

Gegenüber der Vorwoche haben sich die Wahl-O-Matrix-Werte wie folgt verändert:

  1. SPD: + 0,9 %
  2. Sonstige: + 0,7 %
  3. AfD: + 0,2 %
  4. CDU/CSU: – 0,1 %
  5. FDP: – 0,1 %
  6. LINKE: – 0,6 %
  7. GRÜNE: – 1,1 %

Die Linke und Die Grünen verloren diese Woche also mehr (– 1,7 %) als die SPD dazugewann (+ 0,9 %). Die SPD erreicht mit fast 26 Prozent ein neues Vier-Jahres-Hoch. FDP und AfD halten sich stabil bei 11 bis 12 Prozent, die AfD sogar weiter mit leicht steigender Tendenz. Die Union, die von Mitte Juli bis Anfang September fast 7,5 Punkte gefallen war, kann diesen Abwärtstrend nun endlich stoppen.

Die Linke (SED) fällt dagegen weiter, liegt nur noch minimal über 6 Prozent. So tief stand sie seit 2012 nicht mehr (Neun-Jahres-Tief). Langsam kommt sie in den Bereich, dass sie sogar bangen muss, ob sie den Einzug in den Bundestag sicher schaffen wird. Die stärkste Abwärtsbewegung zeigen aktuell aber Die Grünen, die vor gut vier Monaten noch bei 26 bis 27 Prozent standen, fallen diese Woche erstmals seit 2018 unter 16 Prozent.

Laschet scheint Trendwende zumindest einläuten zu können

Auffällig war hierbei auch, dass bezüglich der drei Kanzlerkandidaten Olaf Scholz (SPD) in der K-Frage Anfang/Mitte der Woche (Dienstag bis Donnerstag) mit 48 Prozent zwar noch weit vorne lag, seinen Peak aber bereits hinter sich hat. Scholz fiel bis dahin bereits um 5 Punkte. Dabei fand die Befragung von Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF noch vor der Razzia der Staatsanwaltschaft in seinem Ministerium statt!

Ermittelt wird wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt gegen Mitarbeiter der Financial Intelligence Unit (FIU). Die FIU gehört zum seit Jahren von Olaf Scholz geführten Bundesfinanzministerium. Durchsucht wurde von der Staatsanwaltschaft Osnabrück auf Grund eines richterlichen Beschlusses! auch das von Christine Lambrecht (SPD) geführte Bundesjustizministerium. Dieser Vorgang, der alles andere als ein gutes Licht auf Scholz und die SPD wirft, war zum Zeitpunkt dieser Befragung noch nicht bekannt, ist in diesen Werten also noch gar nicht abgebildet. Gleichwohl ging es für Scholz bereits 5 Punkte nach unten.

Armin Laschet schien dagegen schon bis Mitte der Woche, noch vor seinem Auftritt auf dem CSU-Parteitag am Samstag, wo er eine sehr gute Rede hielt und viele auch in der CSU begeistern konnte, seinen Abwärtstrend hinter sich zu haben. Er konnte schon zuvor 3 Punkte, von 18 auf 21 Prozent zulegen, Baerbock 2 Punkte von 14 auf 16.

K-Frage

ZDF-Politbarometer-Screenshot

Doch gewählt werden von den Bürgern nicht Kanzlerkandidaten, sondern Parteien, wenngleich die Rolle der Spitzenkandidaten auf die Wahlentscheidung natürlich nicht unterschätzt werden darf. Wie sieht es nun also in dieser entscheidenden Frage der Zustimmung zu den Parteien aus?

So würde Deutschland heute wählen

Angegeben ist für jede Partei der Wahl-O-Matrix-Mittelwert aller Institute, die – bezogen auf den mittleren Tag der Befragung – in den letzten zwei Wochen repräsentative Erhebungen durchführten. Aktuell liegen zwölf Umfragen von elf verschiedenen großen Meinungsforschungs-Instituten vor, die diese Kriterien erfüllen. INSA veröffentlicht inzwischen jede Woche zwei verschiedene Erhebungen, einmal eine reine Online-Befragung von ca 2.000 bis 2.100 Personen und einmal eine Mix–Befragung per Telefon und per Online-Panel von ca. 1.200 bis 2.000 Personen. Aufgeführt ist für jede Partei der niedrigste und der höchste Wert dieser zwölf einbezogenen Befragungen (immer nur die aktuellste) sowie fettgedruckt das arithmetische Wahl-O-Matrix-Mittel aller zwölf Werte.

  1. SPD: 25 – 28 % ==> 25,8 %
  2. CDU/CSU: 19 – 25 % ==> 21,1 %
  3. GRÜNE: 14 – 17 % ==> 15,9 %
  4. FDP: 9,5 – 13 % ==> 11,9 %
  5. AfD: 11 – 12 % ==> 11,3 %
  6. LINKE: 67 % ==> 6,1 %
  7. Sonstige: 610 % ==> 7,9 %
2021-09-12

(c) JFB

Erläuterung: Diese Werte sind so zu verstehen, dass es für jede Partei bzw. für jede Bundestagsfraktion ein Fenster gibt, innerhalb dessen sie derzeit mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit läge. Die aufgeführten Zahlen stellen die Mitte dieses Fensters dar. Kleine Abweichungen von dieser Fenster-Mitte von ein bis zwei Prozent sind also jeweils in beide Richtungen möglich, bei größeren Parteien auch drei Prozent oder etwas mehr, wobei die Wahrscheinlichkeit, je weiter man sich von der Mitte des Fensters weg bewegt, immer mehr abnimmt und zwar drastisch. Abweichungen von deutlich über fünf oder gar zehn Prozent sind daher nahezu ausgeschlossen. Dies läge weit außerhalb des Fensters.

Dabei sind diese Angaben selbstverständlich keine Zukunftsprognosen, wie die Wähler am 26. September votieren werden, sondern wie sie heute votieren würden (empirische Erfassung der Gegenwart) respektive in diesem Fall, wie sie gestern vor dem Triell gewählt hätten.

Drei realistische Regierungs-Koalitionen: rote Ampel, Jamaika oder Rot-Grün-Dunkelrot (RGD)

Was sehr vielen Wählern wohl nicht klar ist: Man kann mit weit weniger als 50 Prozent der Stimmen eine Mehrheit der Sitze im Parlament erreichen. Entfallen 20 Prozent der Stimmen auf Kleinparteien (Sonstige), so reichen ca. 40,1 Prozent der Stimmen für mehr als 50 Prozent der Sitze. Bei ca. 7,9 Prozent für sonstige Parteien, die wohl alle an der Fünfprozent-Hürde scheitern werden, würden ca. 46,1 Prozent der Zweitstimmen für eine Mehrheit der Sitze im Bundestag ausreichen.

Damit wären zunächst einmal rein rechnerisch folgende Regierungskoalitionen möglich:

  1. Rot–Schwarz-Gelb (Deutschland-Koalition): 58,8 % ==> sehr unwahrscheinlich
  2. RotGrünGelb (rote Ampel): 53,6 % ==> sehr realistische Option
  3. Schwarz–GrünGelb (Jamaika-Koalition): 48,9 % ==> sehr realistische Option
  4. RotGrünDunkelrot: 47,8 % ==> realistische, zu befürchtende Option
  5. Rot-Schwarz (bisherige Regierungskoalition, aber vlt. mit SPD-Kanzler): 46,9 % ==> sehr unwahrscheinlich
  6. RotGrün: 41,7 %
  7. Schwarz–Grün: 37,0 %
  8. Schwarz–Gelb: 33,0 %

Damit hätte Rot-Grün-Dunkelrot (RGD) mit ca. 47,8 Prozent nun wohl eine knappe Mehrheit der Sitze im Bundestag und der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz weigert sich ebenso wie Annalena Baerbock, eine Bündnis mit der SED-Nachfolgerin Die Linke, welche die NATO abschaffen will, auszuschließen. Da derzeit keine Partei hohe Werte von 30 oder gar 35 Prozent erzielen kann, spricht im Moment alles für ein Dreierbündnis und zwar entweder:

  • eine sogenannten Deutschland-Koalition bestehend aus drei Fraktionen bzw. vier Parteien: SPD, CDU/CSU und FDP; dies dürfte aber extrem unwahrscheinlich sein, dass SPD und Union noch einmal koalieren, nun auch noch mit der FDP als Zusatz. Wesentlich wahrscheinlicher dürften sein:
  • einer Ampel-Koalition (jetzt nicht mehr eine grüne, sondern eine rote Ampel, also mit einem SPD-Kanzler Olaf Scholz): SPD, Grüne und FDP, oder
  • eine Jamaika-Koalition aus CDU/CSU, Grüne und FDP mit Armin Laschet als Kanzler oder
  • der Worst-Case: Rot-Grün-Dunkelrot (SPD + Grüne + SED/Die Linke) mit Olaf Scholz als Bundeskanzler einer linksradikalen Regierung.
  • Auch möglich wäre nach heutigem Stand eine Neuauflage der jetzigen Regierungskoalition jetzt aber mit umgekehrten Vorzeichen Rot-Schwarz statt Schwarz-Rot, nun also mit einem SPD-Kanzler Olaf Scholz. Dass CDU/CSU sich als Juniorpartner in eine solches Bündnis begeben und vor allem dass die SPD mit der Union koaliert, wenn sie auch die Möglichkeit hat, mit Grünen und FDP oder mit den Grünen und der SED (Die Linke) zu koalieren, ist aber sehr unwahrscheinlich.

Während die SPD nun also zwei recht wahrscheinliche Optionen hat, eine rote Ampel oder Rot-Grün-Dunkelrot, hat die Union nur noch eine realistische Chance, die neue Bundesregierung wieder anzuführen: über eine Jamaika-Koalition.

Die Erhebungen dieser Institute wurden von Wahl-O-Matrix für die Gesamtübersicht ausgewertet

Die elf Umfragen, welche ausgewertet wurden, waren (Kriterium 1: bezogen auf den mittleren Tag der Befragung nicht älter als zwei Wochen, Kriterium 2: von jedem Institut immer nur die jeweils aktuellste, sofern nicht verschiedene Erhebungsmethoden vorlagen, ansonsten von jeder Erhebungsmethode die jeweils aktuellste):

  1. Infratest dimap (ARD-DeutschlandTrend), mittlerer Tag der Befragung: 31.08.2021, Mix–Befragung per Telefon und per Online-Panel von 1.337 Personen,
  2. Trend Research Hamburg (Radio Hamburg), mittlerer Tag der Befragung: 31.08./01.09.2021, Online-Befragung von 1.065 zufällig ausgewählten Personen,
  3. Forsa (RTL/ntv-Trendbarometer), mittlerer Tag der Befragung: 03.09.2021, telefonische Befragung von 2.508  zufällig ausgewählten Personen,
  4. GMS, mittlerer Tag der Befragung: 03./04.09.2021, telefonische Befragung von 1.004  zufällig ausgewählten Personen,
  5. Allensbach (FAZ), mittlerer Tag der Befragung: 04.09.2021, persönlich-mündliche Befragung von 1.258 nach Quotenvorgaben ausgewählten Personen,
  6. Kantar/Emnid (FOCUS), mittlerer Tag der Befragung: 04.09.2021, telefonische Befragung von 1.901 zufällig ausgewählten Personen,
  7. Ipsos, mittlerer Tag der Befragung: 28.08.2021, Mix–Befragung per Telefon und per Online-Panel von 2.001 Personen,
  8. Civey (SPIEGEL), mittlerer Tag der Befragung: 04.09.2021, netzwerkbasierte Panel-Rekrutierung + Teilnehmerverifizierung + quotierte Stichprobe unverzerrter Antworten + Echtzeitgewichtung, Stichprobe: 10.082 Befragte,
  9. INSA (BILD), mittlerer Tag der Befragung: 04./05.09.2021, internetbasierte Befragung von 2.052 gezielt ausgewählten Mitgliedern einer Personengruppe (Befragten-Pool),
  10. YouGov, mittlerer Tag der Befragung: 05.09.2021, internetbasierte Befragung von 1.700 gezielt ausgewählten Mitgliedern einer Personengruppe (Befragten-Pool),
  11. Wahlkreis-Prognose, mittlerer Tag der Befragung: 07.09.2021, Mixed-Methode aus zufallsbasierter Telefonbefragung (Dual Frame) und milieubasierter Online-Befragung von 1.208 Personen,
  12. Forschungsgruppe Wahlen (ZDF-Politbarometer), mittlerer Tag der Befragung: 08.09.2021, telefonische Befragung von 1.281 zufällig ausgewählten Personen,
  13. INSA (BILD am Sonntag), mittlerer Tag der Befragung: 08.09.2021, Mix–Befragung per Telefon und per Online-Panel von 1.152 Personen.

Wahl-O-Matrix, Deutschlands führendes Meta-Analyse-Tool (von JFB gegründet), das mit seiner Prognose bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg, wie auch schon bei der NRW-Wahl, mit 0,76 Prozent mittlerer Abweichung erneut näher am Ergebnis lag als sämtliche Umfrageinstitute (in Rheinland-Pfalz am drittnächsten, bei der EU-Wahl ebenfalls am drittnächsten und bei der Bundestagswahl am zweitnächsten) hat damit eine sehr breite Datenbasis von insgesamt 26.545 Befragten.

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