Von Jürgen Fritz, Di. 21. Dez 2021, Titelbild: Impfdashboard-Screenshot
Kausalität ist etwas anderes als zeitliche Nähe. Wenn innerhalb eines Jahres mehr als 143 Millionen Impfungen an über 61 Millionen Menschen verabreicht werden und auch ohne Pandemie 0,1 Prozent der Bevölkerung pro Monat stirbt, dann müssen rein mathematisch, ohne jede kausale Verursachung 143.000 Menschen innerhalb eines Monats nach erhaltener Impfung sterben.
Vorrede: Vernunftaversion und partielle Realitätsverleugnung
Was mir bei vielen, sicherlich nicht allen, aber doch vielen Impfgegnern auffällt: Wir haben es nach meiner Beobachtung hier auch mit einem Bildungsproblem zu tun, insbesondere was die naturwissenschaftliche und mathematische Bildung und das logische Denken anbelangt. Das gilt sicherlich nicht für alle und ist sicherlich nicht der einzige Faktor, soll also weder eine Pauschalisierung noch eine monokausale Erklärung sein, die ja generell selten stimmen. Aber es scheint mir doch ein nicht ganz unwesentlicher Faktor zu sein, auf den ich einfach mal hinweisen möchte, weil das vielleicht auch Auswirkungen haben sollte auf unsere Bildungspläne und die Schul- und Hochschulbildung, die unbedingt verbesserungsbedürftig erscheinen, insbesondere was Logik-, Mathematik- und Kenntnisse und Verständnis der Naturwissenschaften anbelangt, die absolute Schlüsselfächer darstellen.
Insbesondere geht es um das Verhältnis zur Vernunft, zur Ratio. Nun sind sowohl Rechtsradikale und -extremisten als auch Neomarxisten tendenziell vernunftavers, lehnen jegliche Universalismen ab, nicht nur den moralischen Universalismus und die universalen Menschenrechte, sondern bisweilen sogar universale Naturgesetze, mathematische und logische Gesetzmäßigkeiten.
Sie bauen ihre jeweiligen Weltanschauungen mithin auf dem gleichen Fundament auf, nämlich einer gewissen Irrationalität, Realitätsverleugnung, der Ablehnung universaler Gesetzmäßigkeiten, einem Kultur- und ethischen Relativismus bei hoher Gewaltaffinität, wobei die Weltanschauungen bei gleichem aufklärungsaversen Fundament dann freilich völlig auseinander gehen, Realität und Ratio jeweils unterschiedlich ausblenden, je nachdem, was in die eigene Weltanschauung passt und was nicht, sich in anderen Fragen also konträr gegenüberstehen, aber doch auf der gleichen Grundlage stehen.
Vieles von dem Gesagten, inklusive dem Hang zur Irrationalität und Realitätsverleugnung dürfte freilich nicht nur für Rechtsradikale und Neomarxisten, sondern auch noch für einige andere gelten, etwa rückständige religiöse Fundamentalisten, Anthroposophen, „Querdenker“ und was es nicht noch alles gibt.
Die moralische Pflicht zur Bildung in freiheitlichen Demokratien
Übrigens, die Bemerkung sei noch erlaubt, gibt es in einer freiheitlichen Demokratie auch eine moralische Pflicht zur Bildung. Eine freiheitliche Demokratie, in der die Staatsbürger der Souverän sind, kann nur funktionieren, wenn es sich in großer Mehrheit um mündige Bürger handelt. Für diese Mündigkeit muss man etwas tun.
Nun muss man diese moralische Pflicht den Leuten nicht ständig unter die Nase halten, das wäre wohl kontraproduktiv. Das Leben der meisten von uns ist schwer genug, man muss es sich nicht gegenseitig noch schwerer machen, indem man sich ständig gegenseitig vorhält, welche Pflichten man hat, und generell gilt: Ein etwas großzügigerer Umgang miteinander erleichtert das Leben für alle. Aber ganz dezent auf diesen Umstand hinweisen, dass eine freiheitliche Demokratie nur mit mündigen, gebildeten Bürgern funktionieren kann und dass sich hieraus auch Pflichten für diese Bürger ergeben, sei doch erlaubt. Ende der Vorrede, nun zum eigentlichen Thema.
Zeitliche Nähe zwischen Impfungen und Todesfällen
Von einigen wird behauptet, nicht das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 in all seinen Varianten und Mutationen (Wildtyp, Alpha, Delta, Omikron …) würde massenhaft zum Tod von Menschen führen, sondern die Impfungen gegen COVID-19 (coronavirus disease 2019, Coronavirus-Krankheit-2019). Teilweise werden dann Fälle angeführt, dass jemand kurze Zeit nach der Impfung verstorben sei. Dazu folgende Anmerkung.
Betrachten wir das Ganze mathematisch-logisch. Jedes Jahr sterben in Deutschland knapp eine Million Menschen, etwa 1,2 Prozent der Bevölkerung von über 83 Millionen. (Es sind nicht ganz 1,2 Prozent, sondern minimal weniger. Im Schnitt der letzten drei Jahre waren es 1,16 Prozent. Ich erlaube mir auf 1,2 Prozent aufzurunden, weil die Rechnungen dann übersichtlicher werden.)
1,2 Prozent pro Jahr bedeutet 0,1 Prozent pro Monat. Natürlich gibt es Monate, in denen mehr als 0,1 Prozent der Bevölkerung sterben und Monate, in denen es etwas weniger sind. Aber im Schnitt kommen wir auf ca. 0,1 Prozent, also einer von tausend pro Monat stirbt bzw. tausend pro eine Million. Pro Woche sind es 0,023 Prozent. Jede Woche sterben also pro eine Million Menschen 230. Je älter eine Gesellschaft, desto höher sind natürlich diese Zahlen, die Sterbeziffern.
Die Wahrscheinlichkeit innerhalb eines Monats bzw. innerhalb einer Woche nach einer Impfung zu sterben, liegt also im Schnitt schon rein mathematisch, ohne jede kausale Verursachung pro Person im Schnitt bei 0,1 bzw. 0,023 Prozent, bei Älteren natürlich sehr viel höher, bei Jüngeren viel niedriger. Aber im Schnitt ist die Wahrscheinlichkeit, innerhalb der nächsten 30 bzw. innerhalb der nächsten sieben Tage zu versterben, bei uns mit unserer Bevölkerungs-, insbesondere Altersstruktur, mit unserer Nahrungs- und Gesundheitsversorgung bei 0,1 bzw. bei 0,023 Prozent.
Wenn nun innerhalb eines Jahres über 143 Millionen Impfungen verabreicht werden (über 61 Millionen Menschen mindestens einmal geimpft wurden), so heißt das, dass innerhalb eines Monats nach diesen Impfungen 143 x 1.000 = 143.000 und innerhalb einer Woche nach diesen 143 Millionen Impfungen 143 x 230 = 32.890, also rund 33.000 Menschen sterben. Diese Dimensionen, mit denen wir es hier zu tun haben, muss man sich klar machen und vor Augen führen.
Kausalität ist etwas anderes als zeitliche Nähe
Diese 143.000 bzw. 33.000 Menschen versterben nicht wegen der Impfung, sondern sie versterben innerhalb eines Monats bzw. innerhalb einer Woche nach der erhaltenen Impfung (kein kausaler, sondern ein rein zeitlicher Zusammenhang, eine rein zufällige zeitliche Nähe). Das soll nicht heißen, dass es nicht zusätzlich auch einzelne Fälle geben kann, dass jemand oben drauf wegen einer Impfung sterben kann. Das kann sicherlich in Einzelfällen passieren, soll hier nicht ausgeschlossen werden. Aber eine zeitliche Nähe besagt zunächst einmal wenig bis gar nichts über kausale Zusammenhänge. Rein aus der zeitlichen Nähe auf Kausalität zu schließen, nennt man den Post hoc ergo propter hoc-Fehlschluss (danach, also deswegen).
Wir könnten auch 143 Millionen Marsriegel oder speziell gefärbte Äpfel pro Jahr verteilen und essen lassen oder 143 Millionen mal fünf Kniebeugen machen lassen und würden feststellen, dass rund 143.000 innerhalb eines Monats bzw. rund 33.000 Menschen innerhalb einer Woche nach Verspeisen des Marsriegels oder Apfels bzw. nach den fünf Kniebeugen verstorben wären. Einige würden dann behaupten, diese Person seien wegen des Marsriegels bzw. wegen des Apfels oder den Kniebeugen verstorben. Das wäre dann ein eindeutiger Post hoc ergo propter hoc-Fehlschluss.
Da ältere Menschen sich häufiger impfen lassen als jüngere, ist die Zahl sogar höher als 143.000 bzw. 33.000. Aber hier geht es mir nur darum, a) den logischen Zusammenhang zu verstehen und b) ein Gefühl für die Dimensionen zu bekommen.
143.000 Menschen müssen innerhalb eines Monats bzw. 33.000 müssen innerhalb einer Woche nach der Impfung versterben bei 143 Millionen Impfungen und rund 61 Millionen Geimpften pro Jahr, aber nicht wegen der Impfung, sondern weil eben jede Woche und jeden Monat Menschen sterben und es bei so vielen Millionen nun mal jede Woche und jeden Monat ohnehin schon so viele sind.
Gäbe es darüber hinaus irgendeinen nicht absolut geringen gesetzesmäßigen kausalen Zusammenhang zwischen Impfungen und dem Tod der Geimpften, dann müsste diese Zahl der Todesfälle innerhalb eines bestimmten Zeitraumes nach der Impfung merklich ansteigen. Selbstverständlich müssen Verdachtsfälle genau untersucht werden. Aber eine rein zeitliche Nähe muss in einer bestimmten Zahl der Fälle auftreten und diese Zahl ist bei so vielen Impfungen – allein in Deutschland über 143 Millionen! – rein mathematisch schon sehr groß, einfach weil jeden Monat ca. 0,1 Prozent der Bevölkerung stirbt, die Zahl der Impfungen inzwischen so gewaltig ist und das Sterberisiko bei älteren Menschen, die sich öfters impfen lassen als jüngere, natürlich sehr viel höher ist.
Unser Gehirn, genauer: unser durch die neuronalen Verknüpfungen unseres Gehirns erzeugte Geist sucht quasi ständig nach Kausal-, nach Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen und stellt in seinem diesbezüglichen, für unser Überleben grundsätzlich sehr nützlichen Bestreben zwar viele richtige – deswegen konnte unsere Spezies überleben -, manchmal aber auch falsche Verbindungen her. Dafür soll durch diesen Text ein ganz klein wenig sensibilisiert werden. Oder kurz: Kausalität ist etwas anderes als zeitliche Nähe. Aus dem bloßen danach kann nicht automatisch auf ein deswegen geschlossen werden (Post hoc ergo propter hoc-Fehlschluss).
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