Von Jürgen Fritz, So. 03. Mai 2020, Titelbild: Die Hände der Bundesvorsitzenden der Grünen Annalena Baerbock, FAZ-Screenshot
Ach wie war das doch schön bei der EU-Wahl Ende Mai 2019. Nachdem Die Grünen im April 2017, fünf Monate vor der Bundestagswahl, gerade noch bei 6 bis 7 Prozent lagen, gelang ihnen ab da ein sensationeller Anstieg. Bei der Bundestagswahl 2017 waren es immerhin schon wieder knapp 9 Prozent, bei der EU-Wahl zwanzig Monate später, dann sogar 20,5 Prozent. B’90/Grüne lagen fast 5 Punkte vor der SPD auf Platz zwei, direkt hinter CDU/CSU. Und der Anstieg ging noch weiter. Im Juni 2019 standen sie im Wahl-O-Matrix-Mittelwert aller Institute bei 26,5 Prozent. Vor der Union auf Platz eins! Einige fingen schon an, von einem grünen Bundeskanzler zu träumen. Doch das Bild hat sich in den letzten Wochen vollkommen gewandelt.
So würden die Deutschen heute wählen
Von Platz eins sind Die Grünen inzwischen weit entfernt. Ja schlimmer noch aus ihrer Sicht: Erstmals seit Oktober 2018 fallen sie hinter die SPD auf Platz drei zurück, sind inzwischen nicht einmal mehr halb so stark wie die Union, ja kämen derzeit nicht einmal auf 4/9 der Stimmen von CDU/CSU. So würden die Deutschen heute wählen:
Angegeben ist wie immer für jede Partei der Wahl-O-Matrix-Mittelwert aller Institute, die – bezogen auf den mittleren Tag der Befragung – in den letzten drei Wochen repräsentative Erhebungen durchführten. Das waren:
- Infratest dimap: 14./15.04.2020 (mittlerer Tag der Befragung), 1.057 telefonisch Befragte
- Forschungsgruppe Wahlen: 21./22.04.2020, 1.323 telefonisch Befragte
- GMS: 23./24.04.2020, 1.002 telefonisch Befragte
- Civey: 24./25.04.2020, 12.297 online Befragte
- YouGov: 25.04.2020, 1.636 per Online-Panel Befragte
- INSA: 25./26.04.2020, 2.071 per Online-Panel Befragte
- Kantar: 25./26.04.2020, 1.443 telefonisch Befragte
- Forsa: 28./29.04.2020, 2.004 telefonisch Befragte
Wahl-O-Matrix, Deutschlands führendes Meta-Analyse-Tool, hat damit eine sehr breite Datenbasis von insgesamt 22.833 Befragten. Aufgeführt ist für jede Partei der niedrigste und der höchste Wert bei diesen acht Instituten sowie fettgedruckt das arithmetische Wahl-O-Matrix-Mittel aller acht Werte:
- CDU/CSU: 37 – 39 % ==> 38,0 %
- SPD: 15 – 17 % ==> 16,1 %
- GRÜNE: 14 – 19 % ==> 16,0 %
- AfD: 9 – 12 % ==> 10,3 %
- LINKE: 7 – 9 % ==> 7,8 %
- FDP: 5 – 7 % ==> 5,8 %
- Sonstige: 5 – 7 % ==> 6,0 %
Mögliche Regierungsbildungen: Schwarz-Grün oder Schwarz-Rot
Damit wäre Rot-Grün-Dunkelrot mit ca. 39,9 Prozent weit von einer Mehrheit der Sitze im Bundestag entfernt. Hierfür bräuchte es mehr als 47 Prozent der Stimmen (100 – 6 Sonstige : 2).
Die Union wäre somit in der komfortablen Lage, sich einen Koalitionspartner aussuchen zu können. Mit der schwächelnden FDP würde es im Moment kaum reichen. Schwarz-Gelb käme nur auf ca. 43,8 Prozent. Aber CDU/CSU hätten die Wahl aus der SPD und den Grünen. Schwarz-Rot käme auf ca. 54,1 Prozent, Schwarz-Grün auf etwa 54 Prozent der Stimmen.
Aufwärtstrend der Union scheint an seine Ende gekommen, Abwärtstrend der Grünen geht weiter
Wie hier in der Dawum-Vier-Jahres-Grafik sehr schön zu sehen ist, scheint der steile Anstieg der Union seit Anfang März von 26 auf über 38 Prozent nun an sein Ende gekommen zu sein. Die letzten Tage fallen CDU/CSU erstmals seit zwei Monaten leicht. Umgekehrt kommt der leichte Anstiegstrend der SPD, die seit Mitte Januar von 13 auf über 16 Prozent zulegen konnte, ebenfalls an sein Ende. Deutlich mehr als 16 Prozent scheinen die Sozialdemokraten derzeit trotz Coronakrise und trotz Regierungsbeteiligung nicht zu schaffen. Das aber reicht jetzt gleichwohl erstmals seit Oktober 2018 für Platz zwei, weil nämlich die Grünen weiter steil nach unten rauschen.
In den letzten elf Monaten haben Die Grünen jetzt über zehn Punkte eingebüßt, fallen von 26,5 auf 16 Prozent. Kurzfristig lagen sie im Juni 2019, kurz nach der EU-Wahl, sogar auf Platz eins vor CDU/CSU und konnten schon von einem grünen Kanzler träumen. Inzwischen sind sie nicht mal mehr halb so stark wie die Union, ja kommen nicht einmal auf 4/9 der Stimmen wie diese. Und dabei dürfte der grüne Abwärtstrend noch weitergehen, denn in den 16,0 Prozent von Wahl-O-Matrix und Dawum sind noch zwei ältere Umfragen von Mitte April enthalten, bei denen die Grünen noch auf 18 bis 19 Prozent kamen. In den sechs jüngsten Umfragen liegen sie dagegen durchweg zwischen 14 und 16 Prozent. Insofern scheint es nur noch eine Frage von Tagen zu sein, bis sie auch unter 16 Prozent fallen werden.

Die Bundesvorsitzende der Grünen Annalena Baerbock im Interview, FAZ-Screenshot
Die zu größeren Teilen (ca. 20 bis 40 Prozent) rechtsextremistische AfD dagegen hat ihren langen Abwärtstrend seit Ende September 2018 jetzt erstmal gebrochen. Sie fiel von über 17 auf unter 10 Prozent, kann jetzt die letzten Tage aber wieder zulegen und steigt über die Zehn-Prozent-Marke. Es könnte sein, dass hier ein harter Kern der Wähler bei um die zehn Prozent gegeben ist, so dass sie vorerst nicht deutlich unter diesen Wert gedrückt werden kann. Dieser harte Kern ist bei der zu Teilen ebenfalls extremistischen Linkspartei, die ähnlich wie die AfD vor allem im Osten des Landes stark ist, bei ca. 7 bis 8 Prozent und bei der FDP bei 5 bis 6 Prozent. Beide können wie die AfD ihre Abwärtsbewegung drehen und legen die letzten Tage leicht zu.
Sind Krisenzeiten wirklich immer Regierungszeiten?
Krisenzeiten, so heißt es oft, seien Zeiten der Regierungsparteien. Da ist sicherlich etwas dran. Während in Deutschland insbesondere die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder in der Coronakrise überragende Zustimmungswerte in der Bevölkerung erzielen von teilweise über 80, im Falle Söders sogar über 90 Prozent, auch der Bundesfinanzminister und wohl wichtigste SPD-Politiker Olaf Scholz hohe Zustimmungswerte erfährt, sieht es in anderen Ländern teilweise durchaus anders aus, in den USA zum Beispiel so:
Nicht einmal vier von neun US-Amerikanern sind mit ihrem Präsidenten derzeit zufrieden: nur 43,4 Prozent. Von Werten jenseits von 80 oder 90 Prozent kann Trump nur träumen, trotz Coronakrise, welche die USA ja viel härter getroffen hat als Deutschland. Schon Mitte April antworteten auf die Frage “Vertrauen Sie dem Präsidenten in der Covid-Krise?” nur noch 36 Prozent mit “ja”. Eine Mehrheit von 52 Prozent verneinte die Frage schon da. Nur noch gut ein Drittel der US-Bürger vertraut dem eigenen Präsidenten!
Der Spruch, dass Krisenzeiten Regierungszeiten seien, greift so pauschal formuliert also zu kurz. Offensichtlich kommt es auch darauf an, wie eine Regierung in solchen Krisenzeiten mit den Problemen umgeht, welche Problemlösekompetenz oder Problemlöseinkompetenz sie dabei an den Tag legt.
*
Aktive Unterstützung: Jürgen Fritz Blog (JFB) ist vollkommen unabhängig und kostenfrei (keine Bezahlschranke). Es kostet allerdings Geld, Zeit und viel Arbeit, Artikel auf diesem Niveau regelmäßig und dauerhaft anbieten zu können. Wenn Sie meine Arbeit entsprechend würdigen wollen, so können Sie dies tun per klassischer Überweisung auf:
Jürgen Fritz, IBAN: DE44 5001 0060 0170 9226 04, BIC: PBNKDEFF, Verwendungszweck: JFB. Oder über PayPal – 5 EUR – 10 EUR – 20 EUR – 30 EUR – 50 EUR – 100 EUR