Union kann minimal zulegen, bleibt aber deutlich hinter der SPD

Von Jürgen Fritz, So. 19. Sep 2021, Titelbild: © JFB

Die SPD verharrt auf knapp 26 Prozent, CDU/CSU haben ihren Abwärtstrend gestoppt und können minimal zulegen. Die Grünen bleiben 5 bis 6 Punkte hinter der Union und 10 Punkte hinter der SPD abgeschlagen. Die FDP fällt Richtung 11 Prozent, die AfD hält sich recht stabil bei über 11, Die Linke bei über 6 Prozent. Damit gibt es nach heutigem Stand vier mögliche, realistische Regierungskoalitionen.

Union kann zwar ihren Abwärtstrend stoppen und leicht drehen, bleibt aber deutlich hinter der SPD – Die Grünen abgeschlagen auf Platz drei

Gegenüber der Vorwoche gab es nur wenig Veränderung. Zwar konnten CDU/CSU ihren Mitte Juli einsetzenden Abwärtstrend nun endlich stoppen und auch leicht drehen, eine ganz zaghafte Trendwende ist hier zu erkennen, diese fällt aber aus Unionssicht sicherlich viel zu schwach aus. Mit einem Plus von nur 0,3 Punkten kommt man zwar der SPD, deren Aufwärtstrend zwar vorüber ist, die sich nun aber bei knapp 26 Prozent halten kann, etwas näher, diese bleibt aber im Wahl-O-Matrix-Mittel aller Institute mit fast viereinhalb Punkten vorne. 25,8 Prozent ist ein Vier-Jahres-Hoch für die Sozialdemokraten. Das letzte Mal, dass die SPD bei einer Bundestagswahl vor der Union auf Platz eins landete, war 2002. Damals hatte die Sozis unter ihrem Kanzler Gerhard Schröder 0,1 Punkte Vorsprung vor CDU/CSU mit ihrem Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber.

Die Grünen, die seit Anfang Mai von 26 bis 27 Prozent kommend, kontinuierlich gefallen sind, scheinen sich jetzt bei knapp 16 Prozent stabilisieren zu können. Damit liegen sie nun aber bereits 10 Punkte hinter der SPD und 5,5 hinter der Union. Die FDP bleibt auf Platz vier, verliert aber einen halben Punkt und bewegt sich weg von 12, in Richtung 11 Prozent. Die AfD bleibt recht stabil bei knapp über 11 Prozent. Die Linke (SED), die letzte Woche mit 6,1 Prozent ein Neun-Jahres-Tief erreicht hatte, kann sich nun leicht verbessern auf 6,4 Prozent. Die sonstigen Parteien bleiben bei zusammen ca. 8 Prozent, wobei hiervor etwa 3 Prozent auf die Freien Wähler entfallen.

Damit dürfte die Bundestagswahl am kommenden Sonntag enorm spannend werden, vor allem was die zukünftige Regierungskoalition angeht. Dazu gleich mehr. Doch betrachten wir die aktuellen Stände zuvor nochmals im Überblick.

So würde Deutschland heute, eine Woche vor der Bundestagswahl, wählen

Angegeben ist für jede Partei der Wahl-O-Matrix-Mittelwert aller Institute, die – bezogen auf den mittleren Tag der Befragung – in den letzten drei Wochen repräsentative Erhebungen durchführten. Aktuell liegen 13 Umfragen von zwölf verschiedenen großen Meinungsforschungs-Instituten vor, die diese Kriterien erfüllen. INSA veröffentlicht inzwischen jede Woche zwei verschiedene Erhebungen, einmal eine reine Online-Befragung von ca 2.000 bis 2.100 Personen und einmal eine Mix–Befragung per Telefon und per Online-Panel von ca. 1.200 bis 2.000 Personen. Aufgeführt ist für jede Partei der niedrigste und der höchste Wert dieser 13 einbezogenen Befragungen (immer nur die aktuellste) sowie fettgedruckt das arithmetische Wahl-O-Matrix-Mittel aller 13 Werte.

  1. SPD: 25 – 27 % ==> 25,8 %
  2. CDU/CSU: 20 – 25 % ==> 21,4 %
  3. GRÜNE: 15 – 18 % ==> 15,9 %
  4. FDP: 9,5 – 13 % ==> 11,4 %
  5. AfD: 10 – 12 % ==> 11,2 %
  6. LINKE: 68 % ==> 6,4 %
  7. Sonstige: 610 % ==> 7,9 %
2021-09-19

(c) JFB

Erläuterung: Diese Werte sind so zu verstehen, dass es für jede Partei bzw. für jede Bundestagsfraktion ein Fenster gibt, innerhalb dessen sie derzeit mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit läge. Die aufgeführten Zahlen stellen die Mitte dieses Fensters dar. Kleine Abweichungen von dieser Fenster-Mitte von ein bis zwei Prozent sind also jeweils in beide Richtungen möglich, bei größeren Parteien auch drei Prozent oder etwas mehr, wobei die Wahrscheinlichkeit, je weiter man sich von der Mitte des Fensters weg bewegt, immer mehr abnimmt und zwar drastisch. Abweichungen von deutlich über fünf oder gar zehn Prozent sind daher nahezu ausgeschlossen. Dies läge weit außerhalb des Fensters.

Dabei sind diese Angaben selbstverständlich keine Zukunftsprognosen, wie die Wähler am 26. September votieren werden, sondern wie sie heute votieren würden (empirische Erfassung der Gegenwart) respektive in diesem Fall, wie sie gestern vor dem Triell gewählt hätten.

Vier realistische Regierungs-Koalitionen: rote Ampel, Jamaika, Rot-Grün-Dunkelrot oder eine rote GroKo

Was sehr vielen Wählern wohl nicht klar ist: Man kann mit weit weniger als 50 Prozent der Stimmen eine Mehrheit der Sitze im Parlament erreichen. Entfallen 20 Prozent der Stimmen auf Kleinparteien (Sonstige), die den Einzug in den Bundestag wegen der Fünf-Prozent-Hürde nicht schaffen, so reichen ca. 40,1 Prozent der Stimmen für mehr als 50 Prozent der Sitze. Bei ca. 7,9 Prozent für sonstige Parteien, die wohl alle an der Fünfprozent-Hürde scheitern werden, würden ca. 46,1 Prozent der Zweitstimmen für eine Mehrheit der Sitze im Bundestag ausreichen.

Damit dürfte sich die kommende Bundesregierung aus einer dieser Kombinationen zusammensetzen:

  1. RotGrünGelb, rote Ampel mit einem Kanzler Scholz: 53,1 % 
  2. Schwarz–GrünGelb, Jamaika-Koalition mit einem Kanzler Laschet: 48,7 %
  3. RotGrünDunkelrot(RGD) mit einem Kanzler Scholz: 48,1 %
  4. Rot-Schwarz, rote GroKo, also die bisherige Regierungskoalition, nun aber mit einem SPD-Kanzler Scholz: 47,2 %

Sollte es für Rot-Schwarz nicht ganz reichen, so könnten die Grünen (Kenia-Koalition) oder die FDP (Deutschland-Koalition) als dritte Fraktion dazu genommen werden. Eine solche Kombination scheint aber wenig wahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher ist nach heutigem Stand eine dieser vier oben genannten Koalitionen.

Wenn die SPD vor der Union landet, hat Scholz wahrscheinlich drei Optionen, Laschet nur eine – Überholen CDU/CSU aber die SPD, dann könnte sich das Blatt völlig wenden

Dabei fällt direkt auf, die Karten von Olaf Scholz sind aktuell sehr viel besser als die von Armin Laschet, der kommende Kanzler der Bundesrepublik zu werden. Scholz wird, wenn sich die Kräfteverhältnisse die nächsten sieben Tage nicht deutlich verändern, nach der Wahl wohl zwischen drei verschiedenen Modellen – rote Ampel, RGD oder rote GroKo – auswählen können, während Laschet nur eine Machtoption zu haben scheint: eine Jamaika-Koalition mit den Grünen und der FDP.

Sollte die Union die SPD doch noch überholen können, dergestalt die SPD zwei, drei Punkte verliert und CDU/CSU zwei, drei Punkte dazugewinnt, dann könnte erstens die Option von RGD (Rot-Grün-Dunkelrot) wegfallen und bei einer möglichen neuen GroKo wäre dann die Union die Nr. 1 und die SPD wieder nur die Nr. 2. Dann hätte Laschet zwei Optionen – Jamaika oder schwarze GroKo -, die SPD aber nur noch eine: eine rote Ampel. Die Grünen und die FDP wären dann ausschlaggebend, wer die neue Bundesregierung anführen wird und dann hätte wohl Laschet die besseren Karten.

Die Erhebungen dieser Institute wurden von Wahl-O-Matrix für die Gesamtübersicht ausgewertet

Die 13 Umfragen, welche ausgewertet wurden, waren (Kriterium 1: bezogen auf den mittleren Tag der Befragung nicht älter als drei Wochen, Kriterium 2: von jedem Institut immer nur die jeweils aktuellste, sofern nicht verschiedene Erhebungsmethoden vorlagen, ansonsten von jeder Erhebungsmethode die jeweils aktuellste):

  1. Trend Research Hamburg (Radio Hamburg), mittlerer Tag der Befragung: 31.08./01.09.2021, Online-Befragung von 1.065 zufällig ausgewählten Personen,
  2. Allensbach (FAZ), mittlerer Tag der Befragung: 04.09.2021, persönlich-mündliche Befragung von 1.258 nach Quotenvorgaben ausgewählten Personen,
  3. Forsa (RTL/ntv-Trendbarometer), mittlerer Tag der Befragung: 10.09.2021, telefonische Befragung von 2.501  zufällig ausgewählten Personen,
  4. GMS, mittlerer Tag der Befragung: 10./11.09.2021, telefonische Befragung von 1.003  zufällig ausgewählten Personen,
  5. Kantar/Emnid (FOCUS), mittlerer Tag der Befragung: 11.09.2021, telefonische Befragung von 1.543 zufällig ausgewählten Personen,
  6. INSA (BILD), mittlerer Tag der Befragung: 11./12.09.2021, internetbasierte Befragung von 2.062 gezielt ausgewählten Mitgliedern einer Personengruppe (Befragten-Pool),
  7. YouGov, mittlerer Tag der Befragung: 11./12.09.2021, internetbasierte Befragung von 1.816 gezielt ausgewählten Mitgliedern einer Personengruppe (Befragten-Pool),
  8. Civey (SPIEGEL), mittlerer Tag der Befragung: 11./12.09.2021, netzwerkbasierte Panel-Rekrutierung + Teilnehmerverifizierung + quotierte Stichprobe unverzerrter Antworten + Echtzeitgewichtung, Stichprobe: 10.029 Befragte,
  9. Wahlkreis-Prognose, mittlerer Tag der Befragung: 14.09.2021, Mixed-Methode aus zufallsbasierter Telefonbefragung (Dual Frame) und milieubasierter Online-Befragung von 1.400 Personen,
  10. Infratest dimap (ARD-DeutschlandTrend), mittlerer Tag der Befragung: 14.09.2021, Mix–Befragung per Telefon und per Online-Panel von 1.512 Personen,
  11. Forschungsgruppe Wahlen (ZDF-Politbarometer), mittlerer Tag der Befragung: 15.09.2021, telefonische Befragung von 1.406 zufällig ausgewählten Personen,
  12. INSA (BILD am Sonntag), mittlerer Tag der Befragung: 15.09.2021, Mix–Befragung per Telefon und per Online-Panel von 1.502 Personen,
  13. Ipsos, mittlerer Tag der Befragung: 15./16.09.2021, Mix–Befragung per Telefon und per Online-Panel von 2.000 Personen.

Wahl-O-Matrix, Deutschlands führendes Meta-Analyse-Tool (von JFB gegründet), das mit seiner Prognose bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg, wie auch schon bei der NRW-Wahl, mit 0,76 Prozent mittlerer Abweichung erneut näher am Ergebnis lag als sämtliche Umfrageinstitute (in Rheinland-Pfalz am drittnächsten, bei der EU-Wahl ebenfalls am drittnächsten und bei der Bundestagswahl am zweitnächsten) hat damit eine sehr breite Datenbasis von insgesamt 29.097 Befragten.

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