Von Jürgen Fritz, So. 11. Jul 2020, Titelbild: © JFB
Vor einer Woche hatte ich geschrieben, dass die Grünen, die zeitweise schon deutlich über 26 Prozent standen, unter 20 Prozent zu fallen drohen. Genau dies ist nun geschehen. Seit Anfang Mai verlieren sie mehr als 3,3 Millionen Anhänger und fallen unter 19,6 Prozent. Kräftig zulegen kann seither die Union, welche von 23 auf 29 Prozent klettert, und ein wenig, knapp ein Prozent, auch die SPD.
Elf Wochen bis zur Bundestagswahl: So würde Deutschland heute wählen
Angegeben ist für jede Partei der Wahl-O-Matrix-Mittelwert aller Institute, die – bezogen auf den mittleren Tag der Befragung – in den letzten drei Wochen repräsentative Erhebungen durchführten. Aktuell liegen neun Umfragen von acht verschiedenen großen Meinungsforschungs-Instituten vor, die diese Kriterien erfüllen. INSA veröffentlich inzwischen jede Woche zwei verschiedene Erhebungen, einmal eine reine Online-Befragung von über 2.000 Personen und einmal eine Mix–Befragung per Telefon und per Online-Panel von ca. 1.200 bis 1.500 Personen. Aufgeführt ist für jede Partei der niedrigste und der höchste Wert dieser neun einbezogenen Befragungen (immer nur die aktuellste) sowie fettgedruckt das arithmetische Wahl-O-Matrix-Mittel aller neun Werte.
- CDU/CSU: 28 – 30 % ==> 29,0 %
- GRÜNE: 17 – 22 % ==> 19,6 %
- SPD: 14 – 18 % ==> 15,6 %
- FDP: 10 – 12,5 % ==> 11,2 %
- AfD: 9 – 11 % ==> 10,3 %
- LINKE: 6 – 8 % ==> 7,2 %
- Sonstige: 5 – 8 % ==> 7,1 %

(c) JFB
Erläuterung: Diese Werte sind so zu verstehen, dass es für jede Partei bzw. für jede Bundestagsfraktion ein Fenster gibt, innerhalb dessen sie derzeit mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit läge. Die aufgeführten Zahlen stellen die Mitte dieses Fensters dar. Kleine Abweichungen von dieser Fenster-Mitte von ein bis zwei Prozent sind also jeweils in beide Richtungen möglich, bei größeren Parteien auch drei Prozent oder etwas mehr, wobei die Wahrscheinlichkeit, je weiter man sich von der Mitte des Fensters weg bewegt, immer mehr abnimmt und zwar drastisch. Abweichungen von deutlich über fünf oder gar zehn Prozent sind daher nahezu ausgeschlossen. Dies läge weit außerhalb des Fensters.
Dabei sind diese Angaben selbstverständlich keine Zukunftsprognosen, wie die Wähler in elf Wochen votieren werden, sondern wie sie heute votieren würden (empirische Erfassung der Gegenwart).
CDU/CSU legen seit Anfang Mai fast 6 Punkte zu, die Grünen verlieren mehr als 7 Punkte
Veränderungen seit Ende April / Anfang Mai
Gegenüber dem 28.04.2021 haben sich die Wahl-O-Matrix-Werte wie folgt verändert:
- CDU/CSU: + 6,0 %
- SPD: + 0,9 %
- Sonstige: + 0,8 %
- LINKE: + 0,2 %
- FDP: – 0,5 %
- AfD: – 0,4 %
- GRÜNE: – 7,1 %
Das heißt, CDU/CSU, die nach der Nominierung von Armin Laschet zum Unions-Kanzlerkandidaten am 20. April zunächst regelrecht einstürzten und fast 6 Punkte verloren, haben dies inzwischen vollkommen kompensiert, ja sogar überkompensiert.
Die Grünen, die nach der Nominierung von Annalena Baerbock als grüne Kanzlerkandidatin am 19. April um 5 Punkte nach oben geschossen waren, haben dagegen seit Anfang Mai inzwischen mehr als 7 Punkte verloren. Das entspricht bei ca. 46 bis 47 Millionen Wählern, die tatsächlich an der Bundestagswahl teilnehmen (bei über 60 Millionen Wahlberechtigten) über 3,3 Millionen Anhänger (46,5 Millionen x 0,071 = 3,302 Millionen). All die Affären um Annalena Baerbock, die gar nicht zu enden wollen scheinen – jede Woche kommt etwas Neues heraus -, dürften hier ein Grund für diesen jähen Grünen-Absturz sein.
Schwarz-Grün, eine Deutschland- oder eine Jamaika-Koalition wären nach heutigem Stand möglich
Natürlich können sich die Kräfteverhältnisse in den nächsten elf Wochen noch deutlich verändern. Bliebe es aber weitgehend so, dann hätten CDU/CSU einen klaren Regierungsauftrag und könnten sich Koalitionspartner aussuchen. Bei über 7 Prozent für sonstige Parteien, die an der Fünfprozent-Hürde scheitern werden, würden ca. 46,5 Prozent der Zweitstimmen für eine Mehrheit der Sitze im Bundestag ausreichen. Damit wären folgende Regierungskoalitionen möglich:
- Schwarz–Grün–Gelb (Jamaika): 59,8 %
- Schwarz–Rot–Gelb (Deutschland-Koalition): 55,8 %
- Schwarz–Grün: 48,6 %
- Grün–Rot–Gelb (grüne Ampel): 46,4 %
- Schwarz–Rot: 44,6 %
- Grün–Rot–Dunkelrot: 42,4 %
- Schwarz–Gelb: 40,2 %
- Grün–Rot: 35,2 %
Grün-Rot-Gelb, eine grüne Ampel, wäre im Moment ganz dicht an einer Parlaments-Mehrheit dran. Schwarz-Grün hat gute Aussichten auf mindestens 46,5 Prozent zu kommen und ein Dreierbündnis in Form einer Deutschland- oder Jamaika-Koalition wäre derzeit weit über 46,5 Prozent. Für die jetzige schwarz-rote Regierungskoalition, die 2017 noch auf über 53,4 Prozent kam (2013 sogar noch auf über 67 Prozent), würde es dagegen nicht mehr reichen. Noch weniger für Grün-Rot-Dunkelrot oder Schwarz-Gelb. Und Grün-Rot dürfte im September kaum Chancen auf eine Mehrheit haben.
Die Erhebungen dieser Institute wurden von Wahl-O-Matrix für die Gesamtübersicht ausgewertet
Die neun Umfragen, welche ausgewertet wurden, waren (Kriterium 1: bezogen auf den mittleren Tag der Befragung nicht älter als drei Wochen, Kriterium 2: von jedem Institut immer nur die jeweils aktuellste, sofern nicht verschiedene Erhebungsmethoden vorlagen, ansonsten von jeder Erhebungsmethode die jeweils aktuellste):
- Forschungsgruppe Wahlen (ZDF-Politbarometer), mittlerer Tag der Befragung: 23.06.2021, telefonische Befragung von 1.271 zufällig ausgewählten Personen,
- Ipsos, mittlerer Tag der Befragung: 24.06.2021, Mix–Befragung per Telefon und per Online-Panel von 2.002 zufällig ausgewählten Personen,
- YouGov, mittlerer Tag der Befragung: 26./27.06.2021, internetbasierte Befragung von 1.648 gezielt ausgewählten Mitgliedern einer Personengruppe (Befragten-Pool),
- Infratest dimap (ARD-DeutschlandTrend), mittlerer Tag der Befragung: 29.06.2021, Mix–Befragung per Telefon und per Online-Panel von 1.317 Personen,
- Forsa (RTL/ntv-Trendbarometer), mittlerer Tag der Befragung: 02.07.2021, telefonische Befragung von 2.505 zufällig ausgewählten Personen,
- Kantar (BILD am Sonntag), mittlerer Tag der Befragung: 02./03.07.2021, telefonische Befragung von 1.405 zufällig ausgewählten Personen,
- INSA (BILD), mittlerer Tag der Befragung: 03./04.07.2021, internetbasierte Befragung von 2.056 gezielt ausgewählten Mitgliedern einer Personengruppe (Befragten-Pool),
- Civey (SPIEGEL), mittlerer Tag der Befragung: 03./04.07.2021, netzwerkbasierte Panel-Rekrutierung + Teilnehmerverifizierung + quotierte Stichprobe unverzerrter Antworten + Echtzeitgewichtung, Stichprobe: 10.069 Befragte,
- INSA (BILD am Sonntag), mittlerer Tag der Befragung: 07.07.2021, Mix–Befragung per Telefon und per Online-Panel von 1.352 Personen.
Wahl-O-Matrix, Deutschlands führendes Meta-Analyse-Tool (von JFB gegründet), das mit seiner Prognose bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg, wie auch schon bei der NRW-Wahl, mit 0,76 Prozent mittlerer Abweichung erneut näher am Ergebnis lag als sämtliche Umfrageinstitute (in Rheinland-Pfalz am drittnächsten, bei der EU-Wahl ebenfalls am drittnächsten und bei der Bundestagswahl am zweitnächsten) hat damit eine sehr breite Datenbasis von insgesamt 23.625 Befragten.
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